Zweiter Advent Zweiter Advent  

Unser Sonntag: Macht hoch die Tür

In der Betrachtung zum zweiten Adventssonntag geht Pater Stefan Geiger auf das Lied „Macht hoch die Tür“ ein, in dem die Tore zu Sinnbildern werden: Hebt eure Häupter! Damit sind wir gemeint, damit sind die Beter gemeint, die auf diesen Herrn warten.

Stefan Geiger, OSB

Mt 3, 1-12

2. Adventsonntag 


Es gibt Dinge, die erinnern uns an ganz charakteristische Anlässe. Adventslieder etwa sind solche ‚Erinnerungshilfen‘. Sie gehören zum Advent, sie wecken Erinnerungen an Kerzen, an die Gemeinschaft; wie eben auch die Nüsse und Lebkuchen. Die Advents- und Weihnachtslieder sind aber im christlichen Brauchtum so fest verankert, dass sie mehr als nur Nostalgie oder Kitsch ausdrücken. Es werden Inhalte erschlossen, die sich harmonisch in die liturgischen Feiern und oft auch in die großen biblischen Vorlagen einreihen.

Hier zum Nachhören

Psalm 24 – der Beter im Hause des Herrn

Dabei ist dieses Lied gar kein typisches Adventslied. Eigentlich nimmt es auf den Psalm 24 Bezug, der nun vor Gottes Angesicht tritt um von ihm Segen und Heil zu erhalten. Dann folgt im Psalm der für das Lied ausschlaggebende Hinweis, dass die Tore sich öffnen sollen für den Einzug des Königs der Herrlichkeit. Es ist eine sehr eindringliche Anordnung: „Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit!“ (Ps 24,7)

Tore als Sinnbilder

Die Tore werden zu Sinnbildern: Hebt eure Häupter! Damit sind wir gemeint, damit sind die Beter gemeint, die auf diesen Herrn warten. Die uralten Pforten drücken die Sehnsucht und Hoffnung, gleichzeitig aber auch die Erfüllung aus. Pforten sind da, um sich zu öffnen, sie haben den Sinn, Einlass zu gewähren. Diese uralten Pforten dürfen sich nun öffnen. Jetzt bekommen die mächtigen Tore ihren Sinn, weil der König der Herrlichkeit, der „HERR, stark und gewaltig“ (Ps 24,8b) einzieht. Wir erkennen darin schon ein wesentliches Merkmal des Advents: es ist eine Zeit der Erwartung, aber auch eine Zeit der Erfüllung. Advent ist keine ungewisse Zeit, kein Warten auf ‚etwas‘. Wir kennen das Ziel, wir kennen die erwartete Erfüllung. Wir wissen, dass nach den 4 Adventsonntagen das Weihnachtsfest steht, die Geburt des verheißenen Erlösers. Warum also immer wieder diese Zeit des Wartens?

Erwartung als Hoffnung – der Advent der Welt

Da kann uns das Lied eine Antwort geben: weil unsere Tore immer wieder verrosten, weil sie zufallen und oft auch wieder schwer zu öffnen sind. Vielleicht auch, weil wir manchmal müde werden, die Tore offen zu halten. Der Heiland kommt – so heißt es im Lied – „der Heil und Leben mit sich bringt“ (1. Str.). Heil und Leben sind auch für uns Erwartungen und Hoffnungen, die sich nicht ein für alle Mal erfüllen. Aber genau darauf macht uns der Advent aufmerksam: die Welt in all ihrer Endlichkeit und Gebrochenheit ist ein Bild für den Advent, der auf die endgültige Ankunft des Herrn am Ende der Zeiten zugeht. Auch deshalb brauchen wir den jährlichen Advent als Erinnerung.

„Jerusalem: Dieser Ort ist die lebendige Hoffnung der Israeliten“

Die Erfahrung der verschlossenen Tür wird uns in der 1. Lesung berichtet. Der Schreiber Baruch, der sich im babylonischen Exil verortet (vgl. Bar 1,1-14), drückt damit eine Heimatlosigkeit aus. Die verschlossene Heimat, der Ort, nach dem sich die Deportierten sehnen, bekommt einen konkreten Namen: Jerusalem – was bedeutet: „Friede der Gerechtigkeit und Herrlichkeit der Gottesfurcht“ (Bar 5,4b). Dieser Ort ist die lebendige Hoffnung der Israeliten, die in der Zerstreuung und Verbannung leben müssen. Es ist diese Hoffnung, welche die prophetischen Worte mit so vielen Bildern der Hoffnung ausschmücken lässt: Bilder aus der guten Schöpfung Gottes: schattenspendende Bäume, duftende Wälder, schöne Landschaften, fruchtbares und gutes Land.

Wo Gott ist, da ist Heimat

Die ganze Schöpfung hat teil an der Herrlichkeit Gottes, der dort gegenwärtig ist. Ja, Gott ist wirklich da, an diesem Ort, in Jerusalem. Und wo Gott ist, da ist Heimat. Wo aber wahre Heimat ist, da ist Friede, Freude, Glanz, Schönheit – alles das, was eben Herrlichkeit Gottes bedeutet. Das ist die Zukunft, das ist das Sehnen und die Hoffnung, die jeder Heimat zuinnerst ist: „Denn Gott führt Israel heim in Freude, im Licht seiner Herrlichkeit; Erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm“ (Bar 5,9).

Der Einzug Jesu in unser Herz

„O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat.“ (3. Str.) Ankunft des Herrn bedeutet Gegenwart des Herrn. Der Jerusalemer Tempel mit der Bundeslade war der Ort der Gegenwart Gottes und diese Gegenwart verbürgte das „Heil und Leben“ für das Volk Israel. In all unserer Not dürfen wir diese Gegenwart Gottes nicht vergessen. Nur er ist es, der dieses Heil und Leben gibt und sichert.
Gleichzeitig ist dieser Eingang auch eine Einladung an uns selbst. „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. / Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein.“ (5. Str.) Der Einzug Jesu in den Tempel betrifft uns selbst, unser Herz. Gott möchte unser Herz zu seinem Tempel machen, zum Ort seiner Gegenwart.

„Christliches Leben ist adventliche Haltung“

Gott kehrt gewissermaßen zu uns zurück, er nimmt Heimat in uns. Christliches Leben ist adventliche Haltung – Haltung der Offenheit, die Haltung der offenen Tür. Wenn Christus eintritt, wird er uns Heil uns Leben schenken, und wir werden umgekehrt durch diese offene Tür Heil und Leben in die Welt ‚hinaustreten lassen‘. „O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat.“ (3. Str.) – Da ist nicht mehr nur ein Ort gemeint, sondern unser ganzes Leben, unser Tun und Handeln.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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03. Dezember 2022, 10:12