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Grazer Religionswissenschaftler: Christliche Werte bleiben

Der Bedeutungsverlust christlicher Traditionen im Alltag der Menschen führe nicht automatisch zu einem Schwinden christlicher Werte. Das hat der Grazer Religionswissenschaftler Franz Winter in der „Kleinen Zeitung" (Sonntag-Ausgabe) mit Blick auf die sinkenden Katholikenzahlen betont.

„Zum einen haben auch Menschen nicht danach gehandelt, die christliche Werte auf ihre Banner geschrieben haben. Zum anderen gibt es sehr wohl andere Weltanschauungen, die diesen Wert ebenso hochhalten, auch wenn er anders heißt." Menschen ohne religiöse Bindung seien also „nicht automatisch egoistischer oder nicht sozial engagiert".

Die hohe Zahl an Kirchenaustritten im Jahr 2022 (90.808) erklärt der Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Universität Graz mit den Auswirkungen der Coronapandemie und der momentanen Wirtschaftslage, etwa der Inflation. Mittelfristig sei aber auch der Missbrauchsskandal „fatal für das Image der katholischen Kirche" gewesen.

Herausforderung für alle Religionen

Beim Thema Kirchenaustritte gehe es eher um die Frage, ob der moderne Mensch noch eine Religion brauche, so Winter im Interview mit der „Kleine Zeitung". Auch wenn Religionen in der Menschheitsgeschichte immer eine wichtige Rolle gespielt hätten, sei eine langfristige Entwicklung seriöserweise nicht vorhersagbar. Die Wissenschaft bewege sich hier auf Neuland.

Wiewohl Menschen einen „wohlwollenden Blick auf die christliche Tradition" hätten, spiele sie im Alltag kaum noch eine Rolle, meinte der Theologe. Daran ändere auch das kirchliche Angebot zu Lebenswenden - etwa Geburt und Tod - oder das Engagement für die Armen und Schwachen nichts. „Wenn Papst Franziskus zum Erhalt der Umwelt aufruft, wird das positiv aufgenommen", dies sei aber nicht mit einer aktiven Zuwendung zur Kirche gleichzusetzen.

Mit der gesunkenen Relevanz von Religionen im Alltag gehe auch eine Veränderung von religiösen Festen einher: „Studien zeigen, dass die eigentlichen Inhalte dieser religiösen Feste schon heute nicht mehr von jedem Gläubigen erklärt werden können. Wobei Feste und Feiern noch immer mit Kirche verbunden werden."

Die aktuellen Entwicklungen bezeichnete Winter als eine größere Herausforderung, „vor der aber alle religiösen Traditionen stehen - und das weltweit". Der Religionswissenschaftler erteilte damit aber dem Bild von der „größten Kirchenkrise seit der Reformation vor 500 Jahren" eine Absage: Der Vergleich hinke, da das Weltbild damals tief religiös geprägt gewesen sei.

„Was Österreich angeht, ist sicherlich auch anzumerken, dass die katholische Kirche hier gerade auch in der Nachkriegszeit identitätsstiftend war und etwa mit Kardinal Franz König Lichtfiguren hervorgebracht hat“


„Was Österreich angeht, ist sicherlich auch anzumerken, dass die katholische Kirche hier gerade auch in der Nachkriegszeit identitätsstiftend war und etwa mit Kardinal Franz König Lichtfiguren hervorgebracht hat", so Winter. Der Rückgang der Kirchenmitglieder sei somit von einem hohen Niveau aus gestartet. Den Anstieg an Mitgliedern bei den orthodoxen Kirchen erklärte der Religionswissenschaftler mit den Migrationsbewegungen. Zudem habe Religion im Zusammenhang mit Migration eine Bedeutung als Identifikationsmarker. Ähnliches gelte auch für Muslime.

Die Katholikenzahl in Österreich ist im letzten Jahr erneut zurückgegangen. Demnach gibt es mit Stichtag 31. Dezember 2022 in Österreich 4,73 Millionen Katholiken. 2021 waren es laut amtlicher Statistik der Österreichischen Bischofskonferenz 4,83 Millionen Katholiken. Das entspricht einem Rückgang von 1,96 Prozent. Ein Grund dafür sind gestiegene Kirchenaustritte im vergangenen Jahr. Insgesamt traten 2022 90.808 Personen aus der Katholischen Kirche aus.

(kap-sst)

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22. Januar 2023, 16:07