Kardinal Schönborn: Theologisches Erbe Ratzingers wird überdauern
„Nach Jahrhunderten hatten wir einen Theologen als Papst, einen Meister der Theologie", sagte Schönborn in einem Interview des „Corriere della Sera" am Dienstag. Ratzingers Fähigkeit zu lehren, den Glauben weiterzugeben - „sowohl in geschriebenen Texten als auch im lebendigen Wort" -, mache ihn „gleichsam zu einem Kirchenvater". Für ihn selbst sei der Verstorbene ein „begnadeter Lehrer", ja sogar eine „Vaterfigur" gewesen.
Benedikt XVI., mit dem nach Jahrhunderten wieder ein Theologe auf den Stuhl Petri gekommen sei, werde „zu den Großen gehören, an die man sich in den kommenden Jahrhunderten erinnern wird", erklärte Schönborn, früher selbst Theologieprofessor in Fribourg (Schweiz). „Wir werden uns an Ratzinger im 20. Jahrhundert genauso erinnern wie an John Henry Newman im 19. oder an Thomas von Aquin und Bonaventura von Bagnoregio im 13. Jahrhundert."
Unter den vielen von Joseph Ratzinger behandelten Themen hob der Kardinal vor allem dessen Werk über Jesus von Nazareth hervor: Benedikt sei der erste Papst in der Geschichte, der ein theologisch-wissenschaftliches, tiefgründiges Buch über Jesus schrieb - und dies im Dialog mit dem jüdischen Denken. Wegweisend seien auch Benedikts Überlegungen zur Präsenz der Christen in der säkularen Gesellschaft: Er habe nicht die Übel seiner Zeit beklagt, sondern sehe - wiederum im Dialog mit dem Judentum - die Chance der „kreativen Minderheit", so Schönborn. Judentum und Christentum konnten im Austausch miteinander schöpferische Minderheiten in den Gesellschaften bilden.
Und auch die politische Lehre Ratzingers sei bemerkenswert, etwa das in der Rede vor dem Londoner Parlament vorgetragene große Thema der Gewissensfreiheit, seine „Berliner Rede" vor dem Deutschen Bundestag über das Naturrecht und den Dialog mit dem Philosophen Jürgen Habermas über die ethischen Grundlagen der Politik. „Alles Beiträge, die für die kommenden Generationen erhalten bleiben", wie Schönborn anmerkte.
Er selbst habe in seiner Bibliothek die Werke von Papst Benedikt neben jene des heiligen Augustinus gestellt. „Er war ein Lehrer für die ganze Kirche und auch über die Kirche hinaus, durch sein theologisches Denken voller Weisheit, Klarheit und Licht." Die Jahre der Zusammenarbeit zunächst mit Professor Ratzinger, mit Kardinal Ratzinger und schließlich mit Papst Benedikt XVI. seien für ihn „ein echtes Geschenk der geistlichen Väterlichkeit", blickte der Wiener Erzbischof zurück. Dazu habe sich im Laufe der Jahre zwischen beiden eine echte Freundschaft entwickelt.
(kap - skr)
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