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Pater von Gemmingen - hier mit Benedikt XVI. - leitete jahrzehntelang das dt. Programm von Radio Vatikan Pater von Gemmingen - hier mit Benedikt XVI. - leitete jahrzehntelang das dt. Programm von Radio Vatikan 

D: „Kein Getaufter kann aus Kirche austreten“

„Kein Getaufter kann aus der Kirche austreten, man kann nur aus der Steuergemeinschaft austreten.“ Das betont der Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen, langjähriger Leiter des deutschsprachigen Programms von Radio Vatikan.

„Wer einmal getauft wurde, ist und bleibt bis zu seinem Lebensende Glied am geheimnisvollen Leib Christi“, so von Gemmingen in einer Rundmail zu „einigen Fragen des christlichen Glaubens“. „Das gilt auch für evangelische und orthodoxe Christen, wenn ihre Taufe gültig war.“

Der Begriff des ‚geheimnisvollen Leibes Christi‘ sei zwar „eben geheimnisvoll“, so der 86-jährige schwäbische Jesuit. Doch auch wenn er in den letzten Jahrzehnten immer weniger gebraucht werde, gehe er doch auf Paulus zurück. „Wer Christ sein will, kann sich eigentlich nicht von diesem Begriff trennen.“

Einladung zur Debatte

Mit seiner Rundmail will von Gemmingen zu einer Debatte einladen. Er weist auch darauf hin, dass man nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz „aus der Kirche austreten“ könne, weil es nur in diesen Ländern Kirchensteuer gebe. „In keinem anderen Land der Welt kann man ‚aus der Kirche austreten‘, man bleibt einfach weg.“

Wer sein Kind taufen lasse, solle sich darüber im Klaren sein, „dass Taufe nicht nur ein frommer Ritus, ein ‚Segen‘ ist, sondern eine Eingliederung in den geheimnisvollen Leib Christi“. Die Eltern übernähmen damit die Pflicht, das Kind in den Glauben einzuführen. „Sie können und dürfen das nicht dem Pfarrer, der Gemeinde, dem Katecheten überlassen.“ Bevor heute jemand sein Kind taufen lasse, solle er oder sie „es sich sehr gut überlegen“, denn er übernehme damit eine große Verantwortung.

(vatican news - sk)

Gemingen (l.) in den achtziger Jahren mit Johannes Paul II.
Gemingen (l.) in den achtziger Jahren mit Johannes Paul II.

Mit Erlaubnis des Autors veröffentlichen wir hier Gemmingen Denkanstöße in voller Länge.

„Ich erlaube mir, einige Fragen des christlichen Glaubens vorzustellen,
die vielleicht im Lauf der letzten Jahre vergessen worden sind. Wenn Sie mögen, antworten Sie mir.

1. Kein Getaufter kann aus der Kirche austreten, man kann nur aus der Steuergemeinschaft austreten. Wer einmal getauft wurde, ist und bleibt bis zu seinem Lebensende Glied am geheimnisvollen Leib Christi. Das gilt auch für evangelische und orthodoxe Christen, wenn ihre Taufe gültig war. Der Begriff des geheimnisvollen Leibes Christi ist zwar eben „geheimnisvoll“ und wurde in den letzten Jahrzehnten wohl immer weniger gebraucht, aber er geht auf Paulus zurück. Wer Christ sein will, kann sich eigentlich nicht von diesem Begriff trennen.

2. Man kann nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz „aus der Kirche austreten“, weil es nur in diesen Ländern Kirchensteuer gibt. In keinem anderen Land der Welt kann man „aus der Kirche austreten“, man bleibt einfach weg.

3. Wer sein Kind taufen lässt, muss sich darüber im Klaren sein, dass Taufe nicht nur ein frommer Ritus, ein „Segen“ ist, sondern eine Eingliederung in den geheimnisvollen Leib Christi. Die Eltern übernehmen damit die Pflicht, das Kind in den Glauben einzuführen. Sie können und dürfen das nicht dem Pfarrer, der Gemeinde, dem Katecheten überlassen. Bevor heute jemand sein Kind taufen lässt, muss er oder sie es sich sehr gut überlegen. Verantwortlich für diese Einführung in den Glauben sind die Eltern, wenn sie ihr Kind taufen ließen.

4. Macht in der Kirche: Natürlich haben Bischöfe und Pfarrer auch „Macht“. Das kann sie auch verführen, diese „Macht“ falsch zu gebrauchen, da sie ja sündige Menschen sind. Aber genau genommen haben sie von Christus her eine Beauftragung. Diese nennt man „Vollmacht“ und damit haben sie Verantwortung. Wehe ihnen, wenn sie ihre Vollmacht falsch gebrauchen! Aber es ist eine Irreführung, wenn wir in der Kirche nur den politischen Begriff von „Macht“ gebrauchen.

5. Viele Christen denken heute in der Kategorie von „Rechten“. Sie gehen davon aus, dass alle Christen gewisse Rechte haben – Rechte auch auf Teilhabe an Verantwortung. Das ist problematisch. Im wahren Grunde sind alle Funktionen in der Kirche Geschenke. Z.B. hat kein Mann ein Recht darauf, Priester zu werden. Er kann dem Bischof sagen, dass er sich zum Priestertum berufen fühlt. Aber der Bischof muss dem zustimmen, muss ihn berufen. Keiner der Apostel hat sich bei Jesus beworben. Alle wurden von Jesus berufen.

6. Wir tragen allzu leicht Vorstellungen aus dem bürgerlichen Bereich in die Kirche ein, was aber inadäquat ist. Natürlich sind daran auch falsches Machtgehabe von Priestern und Bischöfen schuld.

7. Für viel wunderbares Engagement von ehrenamtlichen Laien müssen wir dankbarer sein. Vieles in der Kirche geht nur, weil Menschen aufgrund ihres Glaubens sich außerordentlich einsetzen.

8. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz besteht die Gefahr, dass wir aufgrund der Kirchensteuer und der vergleichsweise guten finanziellen Ausstattung in falsche Denkmuster geraten. In unserem Nachbarland Frankreich, in dem die Uhren bezüglich Säkularisierung ähnlich gehen, muss vieles ohne finanzielles Polster laufen – und es läuft.

9. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester ist entsetzlich. Aber die Kirchenkrise hat längst vorher dem Bekanntwerden des Missbrauchs begonnen. Es ist den für die Glaubensverkündigung Verantwortlichen nicht gelungen, den Glauben an Gott den Schöpfer, an Jesus Christus als Erlöser und den Heiligen Geist als Inspirator der Kirche vorzustellen, sodass er überzeugt und mitreißt.

10. Da immer noch ein paar Hunderttausende sonntags aus freien Stücken die Messe besuchen, sollten wir mit diesen Menschen, die Eucharistie so feiern und den Glauben so verkündigen, dass sie am Ende der Messe denken: „Gut, dass ich gekommen bin. Ich freue mich auf nächsten Sonntag.“

P. Eberhard Gemmingen SJ”

 

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23. Februar 2023, 11:45