Weizen Weizen 

Unser Sonntag: Jesus, der Menschenversteher

Wenn Jesus vom Weizen und vom Unkraut spricht, tut er das nicht als Berater für den Bauernverband. Sein Spezialgebiet ist der Mensch. Die Wandlung des Menschen geschieht im Gebet, im Blick auf die Hostie, die gewandelt wird in Leib Christi.

Pfarrer Dr. Michael Menzinger

Mt 13,24-43

16. Sonntag im Jahreskreis 

Jesus ist ein Menschenversteher. Der Abschnitt des Evangeliums führt und zum ganz alltäglichem Tun: säen, ernten, pflanzen, backen, pflügen, essen. Gerade in diesen profanen Tätigkeiten ist das Heilige zuhause, ebenso wie das Nützliche im Unscheinbaren und Verachteten sichtbar wird. Das Unkrautgleichnis zeigt welch geistliche Weite Jesus hat und uns da hineinnimmt: Lasst beides wachsen bis zur Ernte.

Zum Nachhören

Den Unkraut säenden Feind kann man sich so richtig vorstellen in dieser ländlichen Erzählung. Heimlich und unerkannt mischen sich feindselige Unkräuter zwischen die gute Saat. In seiner Divina Commedia hat Dante Alighieri im dritten Kreis der Hölle den Unkraut säenden Satan mit dem Höllenhund Cerberus gleichgesetzt in dessen ganzer Grausamkeit. Daran erkennen wir, wie es mit diesem Unkrautgleichnis nicht nur um eine Szene aus dem Landleben geht, sondern um das Weltgericht.

Jesu Spezialgebiet ist der Mensch

Wenn Jesus vom Weizen und vom Unkraut spricht tut er das nicht als Berater für den Bauernverband. Sein Spezialgebiet ist der Mensch. Jesus ist Menschenversteher. Wenn Weizen und Unkraut ineinander wachsen, zeigt dies die Komplexität des Lebens und der Welt an sich auf. Weil es Jesus um das Reich Gottes, das Himmelreich geht, zeigt er den Menschen das Ziel auf, die Ernte des Lebens. Da wächst im Boden etwas von dem es heißt: Da steckt der Feind dahinter. Auch für das Leben gibt es Feinde, für die Seele gibt es Feinde. Im hier vorgetragenen Gleichnis kommt nicht einfach das natürliche Unkraut, das es im Weizenfeld immer gibt, zur Sprache. Es ist die böse Absicht, dass der Feind dies antut. Es gibt Menschen die dem anderen das Glück und den Erfolg nicht gönnen und ihn deshalb zu schädigen suchen, wie dieser Feind, der zu nächtlicher Stunde gekommen ist, um Unkraut unter den Weizen zu säen.

Bekämpfung der Ungeduld und der Verzweiflung

Im ersten Moment liegt nichts näher, als das Unkraut auszureißen. Jesus überrascht uns mit seiner feinen Beobachtung. Der Ärger über eine solche Situation verstellt den Blick, um in Ruhe darauf zu reagieren. Meine Erfahrung lehrt mich: immer dann, wenn ich dem Unmut nachgebe und das Unkraut sofort ausreißen will, also das Böse und das Schädliche sofort bekämpfen möchte, besteht die Gefahr, wie der Gutsherr sich ausdrückt, mit dem Unkraut zusammen auch den Weizen auszureißen. In diesem Licht wird begreifbar, was Jesus wirklich möchte, nämlich die Bekämpfung einer der tiefsten Störungen im zwischenmenschlichen Bereich, um die Bekämpfung einer Leidenschaft, die ganz in der Natur des Menschen liegt: die Ungeduld und die Verzweiflung – sie führen zu nichts. Immer sofort klare Verhältnisse haben, das widrige an Ort und Stelle bekämpfen, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum – kann es zwischen Weizen und Unkraut nicht auch positive Entwicklungen geben?

„Will Jesus seiner Kirche heute sagen, dass es nie so zugehen darf, dass vor lauter Ungeduld das Unkraut einfach ausgerissen werden darf?“

Will Jesus seiner Kirche heute sagen, dass es nie so zugehen darf, dass vor lauter Ungeduld das Unkraut einfach ausgerissen werden darf? Jeder weiß, dass aus Weizen kein Unkraut und aus Unkraut kein Weizen werden wird. „Der Mensch irrt nicht nur, sondern er strebt auch, solange er lebt.“ (Eugen Biser) Das kann uns ermutigen, einander in der Familie der Kirche anzunehmen, auch wenn wir wissen, dass da einer gerade strauchelt, irrt, und doch auf dem Weg der Umkehr ist. Der Mensch ist Wandlungsfähig.

„Diese Wandlung des Menschen geschieht im Gebet, geschieht im Blick auf die Hostie, die gewandelt wird in Leib Christi.“

Diese Wandlung des Menschen geschieht im Gebet, geschieht im Blick auf die Hostie, die gewandelt wird in Leib Christi. Hinter der Feier der Eucharistie steht die ganze Geschichte der Erlösung der Menschheit. Im Kreuzestod Christi ist dem Bösen eine Grenze gesetzt hinter die die Menschheit nicht mehr zurückkann. Der Erlöser ist in der Welt.
Daraus erwächst die Haltung Menschen gegenüber, niemanden je aufzugeben, an seine Wandlungsfähigkeit zu glauben, die bestärkt wird in der heilbringenden Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie. Jesus als Mensch ist weder Pessimist noch Optimist, er ist Realist.

Jesus ist Realist

Er rechnet damit, dass es in seiner Schöpfung Menschen gibt, die sein gutes Werk ablehnen, ja sogar bekämpfen oder vernichten wollen. Er weiß, dass die Menschen eigentlich das Gute wollen, der Mensch ist grundsätzlich sehr gut von Gott erschaffen. Es sind nicht die Gebote Gottes, die uns einschränken. Es ist die Freiheit, die uns einschränkt. Durch unser Handeln und durch unsere Pläne, mit allem in unserem Leben, das nicht den Geboten Gottes entspricht, verbauen wir uns selbst das Gute, letztlich die Lebendigkeit, das Leben. Gott können wir nichts vormachen. Und dennoch verzweifelt er nicht an uns.
Auch das kleinste Körnlein, das gesät wird, das Senfkorn kann unglaubliches hervorbringen.

Aus dem Bereich der neuen geistlichen Lieder findet sich das Lied Kleines Senfkorn Hoffnung. Es wirkt textlich etwas schwach, bringt aber die Wirklichkeit des Glaubens gut zum Ausdruck:


Kleines Senfkorn Hoffnung, mir umsonst geschenkt:
werde ich dich pflanzen, dass du weiterwächst,
dass du wirst zum Baume, der uns Schatten wirft
Früchte trägt für alle, alle, die in Ängsten sind.

 

Wir kennen uns schätzen den Senf als Würze, aber über die Senfstaude wissen wir recht wenig. Es ist das kleinste der Samenkörner und es wächst ein mächtiger Strauch daraus. Der Same des schwarzen Senfs hat gerade mal einen Durchmesser von 1 mm, das war damals wirklich das kleinste Korn. Innerhalb weniger Wochen wird daraus eine bis zu 3 Meter hohe Staude.

„Aus kleinsten Anfängen wächst das Reich Gottes, so können wir im übertragenen Sinn sagen.“

Aus kleinsten Anfängen wächst das Reich Gottes, so können wir im übertragenen Sinn sagen. Und auf wunderbare Weise ist eine Verwandlung der Welt durch dieses Wachstum möglich. Glauben wir heute an die Wandlungskraft? Es ist so sichtbar, so greifbar, dass aus dem kleinen Samenkorn ein großer Strauch wächst. Diesem Strauch sieht man die Lebenskraft an. Senfstauden waren für die Bauern zur Zeit Jesu eher lästiges Unkraut, das man ausreißen musste, wenn man seinem eigenen Garten noch Herr werden wollte. Diese Senfstaude ist unglaublich vital. Ist die Senfstaude ein Bild für die Kirche, wirkt es sehr kraftvoll: das Wort Gottes und sein Reich wächst wie diese Senfstaude, ist nicht umzubringen, da können die Feinde der Kirche noch so arg hilflos herumreißen, der Senfkorn-Glaube, die Senfkorn-Hoffnung bleiben. So dürfen wir mit denen sympathisieren, den Senfstrauch schätzen mit den Vöglen des Himmels, die darin nisten. Wer möchte da nicht so ein Vogel sein, der im Senfbaum nistet und die Hoffnung behält. Das Reich Gottes hat unglaubliches Potential!

Das unglaubliche Potential des Reiches Gottes

Im Evangelium gibt es dann noch das dritte Gleichnis, der Sauerteig, den man zum Brotbacken verwendet und der in das Mehl gemengt wird, sodass alles durchlockert und mit Geschmack versehen wird. Das ist ein Sinnbild dafür, wie doch das Gute, das Gott in den Menschen gelegt hat, ihn durchformt, ja, locker macht, damit er mit seiner Umgebung in positive Berührung kommt. Das ist die Antwort Gottes auf die Bosheit der Welt, die die gute Saat verderben will: das Gute in diese Welt bringen durch uns! Dieses Gleichnis bildet noch einen Aspekt ab: Das Reich Gottes ist so notwendig wie das tägliche Brot.

„Überlasst Gott das Urteil! Er wird dafür sorgen, dass nichts vom Guten in Eurem Leben verlorengeht.“

Die Gelassenheit des Sämanns, Christus, lässt uns ein wenig verwundern. Jesus gibt uns hilfreiche Tipps: 1) Gut und Böse kann man nicht immer genau unterscheiden. 2) Das Gute kann nicht ohne Anfeindung in der Welt gedeihen. Will Jesus damit etwa sagen: Schau auf dich selbst, wächst bei dir nicht auch Gutes und Schlechtes im Leben mit, was dir unerklärlich und vielleicht beängstigend scheint? Überlasst Gott das Urteil! Er wird dafür sorgen, dass nichts vom Guten in Eurem Leben verlorengeht.

Der Handelnde ist Gott!

Ganz einfach gesprochen heisst das, mit Sauersein und Motzen kommt man keinen Schritt weiter. Mit einer Haltung des Gesprächs und der Gesprächsbereitschaft – es muss nicht immer gleich sein, manchmal braucht es den richtigen Zeitpunkt – kann immer wieder der Weg zueinander beschritten werden, ohne jemanden aufzugeben und für verloren zu erklären. Tiefer gedacht zeigt uns diese Perikope wer der Handelnde ist: Gott. Und weil Gott das Leben will, streut er Samen auf den Acker. Er will dass etwas los ist.

"Sieh gnädig auf alle, die du in Deinen Dienst gerufen hast"

Ja, Jesus ist wirklich der Menschenversteher. Von ihm können wir Geduld lernen, und nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern warten, bis wir gerecht handeln. Das setzt voraus, dass wir wirklich gerecht und beharrlich sind und der Verheissung Jesu trauen: dann werden die Gerechten wie die Sonne leuchten.
Im Tagesgebet zur Eucharistiefeier dieses 16. Sonntags im Jahreskreis beten wir: Herr, unser Gott, sieh gnädig auf alle, die du in deinen Dienst gerufen hast. Mach uns stark im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, damit wir immer wachsam sind und auf dem Weg deiner Gebote bleiben. Amen.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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22. Juli 2023, 11:42