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Ein junger Priester beim WJT in Lissabon Ein junger Priester beim WJT in Lissabon  (AFP or licensors)

D: Priester werden in der heutigen Zeit

Christopher Helbig wurde am 24. Juni in Bamberg geweiht. Um die Krise der Kirche macht er sich keine großen Gedanken, um Fragen der Überlastung in Zeiten des Priestermangels allerdings schon. Unsere Kollegen vom Domradio (Himmelklar) sprachen mit ihm.

Domradio (Himmelklar): Sie wurden am 24. Juni im Bamberger Dom von Weihbischof Herwig Gössl zum Priester geweiht. Das erste Mal sind Sie bereits 2009 ins Priesterseminar gegangen, haben dann aber für eine längere Zeit Abstand genommen. Was empfindet man denn, wenn der große Moment der Weihe dann endlich kommt? Hat man das Gefühl, am Ziel angekommen zu sein? Der Weg geht ja eigentlich jetzt erst so richtig los.

Christopher Helbig (Kaplan im Erzbistum Bamberg): Tatsächlich war ich bei der Priesterweihe innerlich sehr ruhig. Der bewegendste Moment war tatsächlich, als ich mich hingelegt habe zur Allerheiligenlitanei. Ich bin erst im Jugendalter zur katholischen Kirche konvertiert, da spielte der Tod von Johannes Paul II. eine sehr große Rolle. Der bewegendste Moment damals bei den Begräbnis-Feierlichkeiten von Johannes Paul II. war für mich auch die Allerheiligenlitanei. Die wurde an den Tagen damals dreimal gesungen: Bei der Überführung des Leichnams, bei der Beerdigung selber und dann noch einmal beim Einzug ins Konklave. Diese ganze spirituelle Dimension wahrzunehmen, dass Kirche nicht nur das ist, was wir hier vor Ort sehen auf Erden, sondern auch diese Dimension, das übersteigt Zeit und Raum. Das hat mich damals so bewegt.

Dann auf dem Boden zu liegen und die wichtigsten Heiligen noch mal zu hören, auch den eigenen Heiligennamen, die Namenspatrone meiner Eltern und auch meine Lieblingsheiligen, das war einfach sehr bewegend und sehr intensiv. Die Handauflegung selbst habe ich in dem Moment gar nicht so stark wahrgenommen. Man nimmt auch danach keine Veränderung wahr, sondern eher so das Gefühl: Jetzt bist du in der Verantwortung. Das ist mir in dem Moment sehr bewusst geworden. Auch weil die Weiheansprache von Weihbischof Herwig in die Richtung gegangen ist und wirklich genial war. Insofern stand da dieses Verantwortungsbewusstsein mental bei mir im Zentrum.

Was dann am bewegendsten war, war eigentlich, als ich nach der Weihe die Treppenstufen hoch zum Altarraum gegangen bin und mich dann das erste Mal umgedreht habe und den fast vollen Dom vor mir hatte. Das war so das bewegendste.

Himmelklar: Viele Priester sagen ja auch: Das, was wirklich bewegend ist, ist nicht die Weihe, sondern der erste Gottesdienst, wenn man das erste Mal selbst Eucharistie feiern darf. Wie war das für Sie?

Helbig: Da war ich tatsächlich auch ein bisschen angespannt. Wenn dann der Heimatpfarrer das Primizgewand, das mir die Eltern gekauft haben, dann noch mal gesegnet hat und da das Weihwasser draufgekommen ist. Dann legt man das erste Mal an und weiß, jetzt stehe ich der Eucharistie vor. Mit großer Ehrfurcht bin ich da eingezogen. Wobei sich das dann auch relativ schnell gelegt hat, als ich gesehen habe, wie viele Freunde und Bekannte mit in der Kirche sind. Das war dann auch wieder der beruhigende Moment.

Himmelklar: Kommt mit der Priesterweihe auch ein anderes Grundverständnis für den Glauben? Also hat sich für Sie wirklich etwas verändert?

Helbig: Eigentlich nicht. Es ist eher das Gefühl: Ich habe lange studiert, ich habe viel gelernt. Ich weiß auch, was ich kann und was ich nicht kann und ich weiß, dass ich jetzt alles, was ich mir in den letzten Jahren persönlich, theologisch und spirituell aneignen konnte, jetzt auch wirklich anwenden kann. Das ist eher der Aspekt, der gerade bei mir im Zentrum steht.

Himmelklar: Sie haben sich in einer Zeit weihen lassen, in der die Priesterzahlen extrem zurückgehen. Teilweise wird nur ein einziger Mensch pro Jahrgang geweiht. Die Kirche steht gefühlt mehr als je zuvor in der Kritik und es gibt unfassbare Austrittszahlen. Kommen da nicht auch Zweifel auf? Lasse ich mich da jetzt auf eine Institution und auf eine Lebensform ein, die vielleicht in 20 Jahren überhaupt gar keine Relevanz mehr hat?

 

„Ich würde sagen, dass ich schon von einem Grundoptimismus getragen bin.“

Helbig: Schwierig. Ich würde sagen, dass ich schon von einem Grundoptimismus getragen bin. Die Arbeitsbelastung wird größer und intensiver dadurch, dass man weniger wird als pastorales Personal. Es sind ja nicht nur die Priesterzahlen, die sinken, sondern auch die Laientheologinnen und -theologen.

Was mir da persönlich immer hilft, und das sage ich einfach ganz nüchtern: Ich kann nur 100 Prozent leisten. Man kann zwischenzeitlich mal 120 Prozent geben. Das geht immer mal zwischenzeitlich gut, aber man muss dann wieder auf 100 Prozent runter. Ich denke, wenn man 100 Prozent gibt und sich mit seiner ganzen Person und seiner ganzen Persönlichkeit in die Waagschale wirft und voll dabei ist, mehr kann ich doch eigentlich nicht tun.

Der Relevanzverlust der Kirche, der da auch immer eine Rolle spielt, der beschäftigt mich im Grunde weniger. Es ist mehr die Frage, ob ich das leisten kann, was sich jetzt für die nächsten Jahre ergibt. Und da würde ich schon sagen: ja. Wenn ich ganz einfach meinen Gottesdienst feiere, gut vorbereitet und mit einem guten Gedanken, was ich den Leuten jeden Tag an die Hand geben kann, wenn ich ansonsten einfach zur Verfügung stehe, was will ich denn mehr? Ich glaube, das ist alles. Deshalb bin ich da sehr gelassen.

Man muss natürlich auch lernen, mal nein zu sagen. Das kann nicht eine Grundhaltung sein, das ist klar. Aber wenn ich sage, es geht jetzt nicht, ich brauche mehr Zeit für mich und muss meine spirituellen Kraftquellen wieder aufladen, dann muss ich da einfach um Verständnis bitten.

Himmelklar: Ich vermute mal, Sie haben sich oft genug verteidigen müssen, warum Sie jetzt für die Institution katholische Kirche eintreten. Die Kirche steht – zu einem großen Teil auch berechtigt – im medialen Kreuzfeuer. Kommt man da nicht auch ins Zweifeln mit all den Krisen, die wir in der Kirche haben, dass man da noch hinter der Institution stehen kann?

 

„Es war, wenn man auch mal mit Kirchenfernen spricht, eher immer so eine gewisse Faszination.“

 

Helbig: So viel angefragt worden bin ich gar nicht. Es war, wenn man auch mal mit Kirchenfernen spricht, eher immer so eine gewisse Faszination. Vielleicht manchmal mit vielen Fragezeichen – klar, aber es gab jetzt gar nicht so sehr die Abwehrhaltung. Ich kann voll und ganz hinter der Institution stehen, ganz einfach, weil die Kirche eine irdische Verfassung hat. Es geht gar nicht anders.

Wenn man von anderen mal angefragt werden sollte, ist vielleicht wichtig, dass man die Kirche nicht irgendwie in einer gewissen Naivität groß verteidigen muss aus einer apologetischen Haltung heraus. Man kann vielmehr einfach das persönliche Zeugnis geben, was mich bewegt. Auch da habe ich nicht mehr Möglichkeiten. Ich glaube nicht, dass man heutzutage mit der Institution ankommen kann oder sagen kann, wenn einzelne etwas angestellt haben und in der Kirche verbockt haben, dass man dann mit dem Katechismus ankommt und sagt: So soll es eigentlich sein. Das funktioniert nicht. Aber eher das, was die Leute erleben an diesen vielen Wendepunkten im Leben: Beerdigungen, Taufen, wo dann auch Kirchenfremde da sind. Da versuche ich einfach, so gut es geht, Zeugnis zu geben und dadurch ein positives Signal auszusenden.

Himmelklar: Es kommt also auf das persönliche Zeugnis an, weil es das ist, was die Leute bewegt, berührt und begeistert?

Helbig: Ja, alles andere funktioniert nicht. Ich glaube, in der heutigen Zeit ist ein Grundwort Authentizität. Wenn die Leute merken, da steht jemand voll dahinter, brennt auch dafür und kann es begründen, dann hat das durchaus Potenzial. Dann kann man auch in gute Gespräche kommen, wo es dann manchmal interessante Ergebnisse gibt. Auf beiden Seiten würde ich sagen.

Himmelklar: Was bringt Ihnen Hoffnung?

Helbig: Es ist ja oftmals von Übergangszeiten die Rede. Vieles bricht ab und wir wissen noch nicht, was neues kommt. Mir hilft momentan vor allem die Erkenntnis, dass wir ständig im Übergang sind. Die alten Griechen haben gesagt: Panta rhei – alles ist im Fluss.

Wenn man sich das vor Augen hält, dann merkt man, dass man nicht so sehr in die Falle hinein tappen kann: So war es schon immer. Der Zustand, den wir bisher hatten, der angeblich ja über Jahrhunderte schon so war, stellt sich vielleicht bloß als Momentaufnahme heraus. Das Neue, was vielleicht anbricht, da kommt ständig etwas Neues.

Das gibt mir insofern eine große Gelassenheit, dass ich mich auf den normalen Alltag einlassen kann mit den ganzen Herausforderungen. Das ist so ein Grundoptimismus oder nennen wir es ruhig auch eine christliche Hoffnung.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

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10. August 2023, 12:34