Unser Sonntag: Die geniale Antwort
Sr. Dr. M. Gabriela Zinkl SMCB, Jerusalem
21. Sonntag im Jahreskreis
Mt 16,13-20
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
beim Hören des heutigen Evangeliums gehen meine Gedanken immer an den Ort, der in diesem Schrifttext genannt ist: Jesus ist mit seinen Jüngern im Gebiet von Caesarea Philippi unterwegs.
Von Jerusalem aus, dem Ort, wo ich mit unserer Schwesterngemeinschaft der Borromäerinnen wohne, ist das heute mit dem Auto eine Tagesreise weit entfernt im Norden Israels. Caesarea Philippi, die zur Zeit Jesu von den Römern so genannte Ansiedlung, die „Kaiserstadt des Philippus“, liegt heute in Ruinen. Sie befindet am Fuße der Golanhöhen, nicht weit entfernt vom Grenzgebiet zu Libanon und Syrien, nördlich des Sees Genesareth. Die Gegend trägt heute den Namen „Banias“, eine Anlehnung an den einstigen griechisch-römischen Tempel, der dem Hirtengott „Pan“ geweiht war. Dort gibt eine schroffe Felswand im Hang mit vielen in Stein gemeißelten Götternischen bis heute Zeugnis davon, dass an diesem Ort seit Urzeiten Natur-Gottheiten verehrt worden sind.
Wenn ich vor diesem Felsmassiv stehe, kann ich nicht anders, als absolut beeindruckt zu sein von der atemberaubenden Schöpfung Gottes. Seit Generationen erleben die Menschen an diesem Ort die Gegenwart Gottes auf besondere Weise. „Es muss Ihn geben, unseren guter Schöpfer-Gott“, denke ich, wenn ich dort, an den Quellen des Jordan stehe.
Tatsächlich macht sich unsere Hausgemeinschaft etwa einmal im Jahr auf zu einem Ausflug dorthin, meistens nehmen wir dann auch unsere Volontäre mit, die für einige Monate ehrenamtlich in unserem Pilgerhaus und Kindergarten mitarbeiten.
Das damalige Caesarea Philippi des Evangeliums ist heute ein Nationalpark mit dem Namen „Banias“, der aufgrund der spektakulären Natur und Felsformation gegen Eintritt besichtigt werden kann.
Naturpark ohne Hinweis auf das Christentum
Das Info-Prospekt des Nationalparks und Informationstafeln auf dem Gelände geben viele Informationen: über die Götterverehrung des Volkes Israel, über die hellenistische und römische Zeit, über die verbliebenen Ruinen. Nur die Information, dass dieser Ort auch für Christen aufgrund der Bibelstelle in den synoptischen Evangelien sehr bedeutsam ist, wird ausgespart.
Das Christus-Bekenntnis
Dabei hat so gut wie jede christliche Pilgergruppe diese Gegend von Banias, ein Teil des früheren Caesarea Philippi, zur Besichtigung in ihrem Reiseprogramm. Es wimmelt dort nur so von christlichen Bus-Touristen aus aller Herren Sprachen und Länder. Auch wenn für uns Christen dieser Ort vor allem wegen des Christus-Bekenntnisses des Petrus so eine wichtige Rolle spielt, kommt es mir durch die marginale Information des Touristenprospektes so vor, als wären wir nicht weniger als eine kleine, unbedeutende Sekte, die diesen Ort als wichtigen Schauplatz verehrt. Seltsam, nicht wahr?
Dort in Banias, vor dem einstigen griechisch-römischen Tempelheiligtum in der rot-orangefarbenen Felswand, zu Füßen des Ursprungs der Jordan-Quellen muss man die Bibelstelle zu Caesarea Philippi unbedingt laut lesen. Denn vor der historischen Kulisse im Kontext dieses Nationalparks trifft uns als Christen die Kernfrage Jesu an die Jünger auch heute noch in Mark und Bein: „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“ und Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,13-15).
Auch wenn wir Jesu Leben, Tod und Auferstehung in unserem Glaubensbekenntnis jeden Sonntag in- und auswendig bekennen, heißt das noch lange nicht, dass wir ihn auch wirklich kennen und wissen, wer er wirklich ist.
Voraussetzung für die Nachfolge Jesu
Schon zur Zeit Jesu selbst haben die Menschen nicht verstanden, wer „der Menschensohn“ ist, so schildert es das Matthäusevangelium. Die Jünger aber sollen verstehen und kapieren, wer Jesus ist? Capito? Schließlich können wir Jesus nur nachfolgen, wenn wir wissen, wer er ist und welche Botschaft er uns bringt?
Fast regelmäßig zu christlichen Hochfesten wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten berichten die Medien über Umfragen in der Bevölkerung zum Wissenstand über das Christentum. Die Fragen, „Wer ist Jesus für Sie?“, „Wer ist Jesus für mich?“ schwingt dabei immer ein bisschen mit.
Jesus als Kultobjekt der Christen
Als Antworten kommen dabei aus den Fußgängerzonen, Einkaufszentren und Kirchenvorplätzen Rückmeldungen wie diese zurück: Jesus war ein guter Mensch. Ein Religionsgründer. Einer, der von einer Jungfrau geboren wurde. Er hatte einen Pflegevater. Er war tot und ist dann nach drei Tagen wieder aus dem Grab auferstanden ist. Jesus ist ein Kultobjekt der Christen.
Schon vor mehr als 2000 Jahren, zur Zeit Jesu, fielen die Antworten nicht anders aus, so berichtet Matthäus. Es bleibt im Bereich der vagen Umschreibungen, wenn die einen Jesus für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere ihn für Jeremia oder sonst einen Propheten halten (Mt 16,14). Nur einer aus dem Jüngerkreis prescht vor mit seiner Antwort, Simon Petrus, der Fischer vom See Genesareth: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16).
Petrus hat das Entscheidende verstanden
Man könnte sagen: der Kandidat hat 100 Punkte! Hat Petrus mit seiner Aussage nicht das Entscheidende verstanden und offenbart? – Jesus ist der Sohn des lebendigen Gottes.
Seien wir ehrlich: Würde uns, würde mir diese Antwort so selbstverständlich über die Lippen kommen? Wenn ich ehrlich bin, muss gerade ich als Theologin eingestehen, dass ich mich nicht auf eine so prägnante Aussage wie Petrus beschränken könnte. Ich würde sicher noch diesen und jenen erläuternden Nebensatz hinzufügen, auf Nummer sicher.
Ausgerechnet Petrus! Der, auf den Jesus Christus seine Kirche bauen will; Simon, der Sohn des Jona, aus der Gegend von Kapharnaum, ursprünglich Fischer von Beruf. Der bringt so eine geniale Aussage zustande, ausgerechnet er bekennt Jesus als den Christus in Reinform und wird dann noch dazu von Jesus zum Felsen der Kirche ernannt?
„Tu es Petrus“, „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“, steht auf Goldgrund in riesigen Buchstaben in der Kuppel des Petersdoms. Ist es nicht auch derselbe Petrus, der Jesus nach seiner Verhaftung und vor seiner Verurteilung partout nicht gekannt haben will und ihn öffentlich verleugnete?
Die Schilderung des Matthäusevangeliums in der Gegend von Caesarea Philippi stellt uns bis heute die gleichen Fragen, wie Jesus sie damals an seine Jünger richtete.
Jesus will wissen: Wer bin ich für dich?
Wie fällt unsere, wie fällt meine Antwort darauf heute aus? Schließlich ist es nicht – nur – irgendein Reporter oder eine Reporterin, die mich fragen, sondern Jesus Christus selbst will das von mir wissen: Wer bin ich für dich? Ja, wer ist Jesus für mich?
Kenne ich ihn überhaupt? Wie beschreibe ich ihn am besten? Am verständlichsten, für mich, für andere? Was wäre unsere Welt ohne Jesus Christus? – Als Christen sollten wir jederzeit und jedem wie jeder Rede und Antwort zu diesen Fragen stehen können. Das heißt zuerst, dass wir zu Jesus Christus eine Beziehung entwickeln, seine Nähe zulassen.
Mein ganz persönliches Credo
Nur daraus entstehen keine hohlen Worte und leeren Bekenntnisse, sondern unser, mein ganz persönliches Credo: Ich glaube an Gott, an Jesus Christus, an den Heiligen Geist, die unsere Welt beleben und lebendig machen.
Ich bin überzeugt, dass unser persönliches Christus-Bekenntnis dann so manches in Bewegung setzen wird, wie es schon der Theologe Dietrich Bonhoeffer schrieb: „Der Tag wird kommen, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert.“
Daran glaube ich ganz fest und zähle auf Sie, ja, genau auf Sie.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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