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Kirche in Zürich Kirche in Zürich  (ANSA)

Schweiz: Kein Zusammenhang zwischen Pilotstudie und Vorwürfen gegen Bischöfe

Kurz vor der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie in der Schweiz ist es zu Vorwürfen gegen Bischöfe und Mitglieder der Bischofskonferenz gekommen. Es bestehe aber kein Zusammenhang zwischen der Pilotstudie und den Anschuldigungen, präzisiert der Leiter der Geschäftsstelle des Fachgremiums „Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld“ der Schweizer Bischofskonferenz, Stefan Loppacher, im Interview mit Radio Vatikan.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Loppacher ist auch Präventionsbeauftragter in Zürich für das Bistum Chur. Ein Priester erhob vor Kurzem schwere Vorwürfe gegen sechs Bischöfe, wie der „SonntagsBlick“ am Wochenende berichtete. Ihnen allen wird vorgeworfen, Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht zu haben; einem der Bischöfe wird gar vorgeworfen, er habe sich selbst an einem Jugendlichen vergriffen.

Hier hören Sie das Interview mit Stefan Loppacher

Diese Anschuldigungen kamen just kurz vor der Veröffentlichung der Pilotstudie der Universität Zürich, die im Auftrag der katholischen Kirche in der Schweiz eine historisch-wissenschaftliche Untersuchung der Missbrauchsfälle in den vergangenen 70 Jahren durchgeführt hat. Der Priester Loppacher erläutert den Sinn und Zweck der Studie:

„Die Idee dieser Pilotstudie ist es, Klarheit über die Vergangenheit zu schaffen. Betroffene haben in der Schweiz schon lange eine unabhängige Aufarbeitung der gesamten Missbrauchsthematik gefordert. Und auch zu Recht. Ich bin der Überzeugung, dass die Kirche das nicht aus eigenem Antrieb und selber tun kann. Es geht darum, unabhängig aufzuklären, aufzuarbeiten und Licht ins Dunkel der Vergangenheit bringen. Das Ziel dieser Studie ist, genau das zu tun.“

Rolle der Medien

Parallel dazu hätten Journalisten und Reporter das Recht, Fälle aufzudecken und darüber zu berichten, fügt der kirchliche Beauftragte an:

„Die Vorarbeiten für diese Studie haben bereits 2019 begonnen. Die Kirche in der Schweiz hat drei großen Institutionen: die Bischofskonferenz, die Römisch-Katholische Zentralkonferenz von der staatskirchenrechtlichen Seite und den Zusammenschluss der Ordensgemeinschaften, die KOVOS. Sie haben dieses gemeinsame Projekt gewollt und der Uni Zürich den Auftrag erteilt, historische Forschung über die letzten 70 Jahre kirchliche Geschichte und Geschichte des Missbrauchs zu erforschen. Hauptschwerpunkte sind nicht nur, Einzelfälle ans Licht zu bringen, sondern die systemischen Ursachen zu erforschen, die Missbrauch in diesem Ausmaß ermöglicht und begünstigt haben und auch die Zusammenhänge, die zu systematischer Vertuschung geführt haben, ans Licht zu bringen.“

Bischof Bonnemain
Bischof Bonnemain

Zu den jüngsten Vorwürfen hat auch der Vatikan eine interne Untersuchung angeordnet. Da die Vorwürfe des Priesters so massiv sind, wurde der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, mit einer internen Voruntersuchung betraut. Dazu sagt Loppacher:

„Die Veröffentlichung des Schlussberichts zur Pilotstudie zu diesem ersten Forschungsjahr am 12. September und die Berichterstattung im Vorfeld sind zwei verschiedene Geschichten. Das eine sind die Recherchen, die Medienschaffende und Journalisten gemacht haben und jetzt berichten. Das andere ist die Forschungsarbeit, die das ganze vergangene Jahr bis in diesen Frühling gelaufen ist und der Bericht darüber, der jetzt eben veröffentlicht wurde. Das heißt, es gibt ja keinen Zusammenhang zwischen der Pilotstudie und den Vorwürfen, die jetzt in den Medien im Raum stehen. Selbstverständlich hat der Anstieg der Berichterstattung damit zu tun, dass jetzt dieses Thema virulent ist und auch die Kirche sich dieser Thematik stellt.“

Es sei damit zu rechnen gewesen, dass auch neue Fälle aufgedeckt und neue Vorwürfe erhoben würden, so Loppacher weiter:

„Die Medienarbeit ist enorm wichtig, auch die unabhängige journalistische Arbeit zu diesem Thema. Und es gilt eigentlich für die ganze Weltkirche und auch für andere Institutionen, nicht nur für die Kirche, dass Bewegung in dieses Thema erst kommt, wenn Druck aufgesetzt wird. Es ist für keine Institution leicht, sich diesem Thema aus eigenem Antrieb zu stellen, weil es zu schmerzhaft ist, weil es zu düster ist und man das lieber nicht hätte.“

Licht in den letzten Winkel der Kirchengeschichte bringen

Es führe aber für die Kirche kein Weg vorbei, sich diesem Thema und der ganzen ungeschönten Wahrheit zu stellen und auch eben mithilfe von unabhängiger journalistischer Arbeit und unabhängiger Forschung von unabhängigen Fachleuten Licht in den letzten Winkel der Kirchengeschichte zu bringen, so Loppacher:

„Es geht darum, etwas daraus zu lernen und auch darum, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Denn die Gesellschaft und die Betroffenen haben ein Recht, dass die Kirche nicht mit einer kriminellen Vergangenheit weiter in die Zukunft geht.“

Weshalb aber der Vatikan einen amtierenden Schweizer Bischof die Voruntersuchung anvertraut habe und ob das nicht problematisch sei, bewertet Loppacher folgendermaßen:

„Die genauen Überlegungen, die zu dieser Entscheidung auf Ebene der römischen Kurie geführt haben, kenne ich nicht und kann sie deswegen auch nicht beurteilen oder bewerten. Das will ich auch nicht. Es läuft auf die gültige Gesetzesgrundlage für diese Ermittlungen hinaus, die jetzt angeordnet worden ist. Das Kirchengesetz richtet sich an ,Vox estis Lux mundi´ von Papst Franziskus aus dem Jahr 2019. Und dort ist festgelegt, sobald das zuständige Dikasterium solche Meldungen bekommt, dieses dann den zuständigen Metropolitan-Bischof beauftragt, um diese Voruntersuchung durchzuführen.“

Da die Schweiz hat keine Metropolitanstruktur habe, sei wohl aus römischer Sicht diese Lösung in Betracht gezogen worden. Alle Schweizer Bischöfe sind direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt und nicht einem anderen Metropolitanbischof, der über ihnen steht.

(vatican news)

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12. September 2023, 10:25