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Die Shoah-Erinnerungsmauer in Wien mit den Namen der 64.440 österreichischen Juden, die von den Nazis ermordet wurden Die Shoah-Erinnerungsmauer in Wien mit den Namen der 64.440 österreichischen Juden, die von den Nazis ermordet wurden  

Ökumenischer Rat der Kirchen Österreichs sorgt Antisemitismus

Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) ist mit Blick auf erneut erstarkenden Antisemitismus im Land besorgt: „85 Jahre nach den Novemberpogromen stellen wir einen erschreckenden Anstieg antisemitischer Vorfälle in Österreich fest", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung des ÖRKÖ-Vorstands. Für Antisemitismus, in welcher Form und von welcher Seite her auch immer, dürfe es in Österreich keinen Platz geben.

Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Kampf gegen Antisemitismus jeden Tag aufs Neue geführt werden muss. Der polizeiliche Schutz von Synagogen, Bethäuser, jüdischen Friedhöfen, Schulen und weiteren jüdischen Einrichtungen sei unbedingt erforderlich. Es brauche aber neben einem entschiedenen gesetzlichen Vorgehen auch verstärkte Aufklärungsarbeit. Mit großer Sorge sieht der ÖRKÖ-Vorstand in diesem Zusammenhang vor allem die Sozialen Medien. Eine besondere Rolle im Einsatz gegen Antisemitismus komme zudem auch den Schulen in Österreich zu; ebenso aber etwa auch der Bildungsarbeit und Werte-Erziehung in den Kirchen.

„Jüdinnen und Juden müssen in Österreich eine sichere Heimat haben. Dieser Satz sollte so selbstverständlich sein, dass es beschämend und bestürzend ist, ihn überhaupt aussprechen zu müssen", heißt es wörtlich in der Erklärung. Behörden, Politik und Zivilgesellschaft und damit auch die Kirchen seien gleichermaßen gefordert und müssten auf ihre je eigene Art entschieden gegen Antisemitismus vorgehen.

Der ÖRKÖ-Vorstand zeigt sich auch besorgt um den Frieden und Zusammenhalt in Österreich: „Wir rufen alle Menschen in unserem Land zu gegenseitigem Respekt auf und alles zu unterlassen, was Spaltung, Hass und Gewalt fördert. Wir mahnen zu besonderen Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf Abwertung und Ausgrenzung von Minderheiten setzt."

Gedenkveranstaltungen zu November-Pogromen nutzen

Abschließend heißt es in der Erklärung: „Rund um den 9. November finden an vielen Orten in Österreich Gedenkveranstaltungen statt. Wir rufen die Österreicherinnen und Österreicher in unserem Land dazu auf, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen und so ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Mögen die Kräfte in unserer Gesellschaft die Oberhand behalten, die sich für ein friedliches, respektvolles und angstfreies Miteinander von unterschiedlichen Religionen und Kulturen in Österreich einsetzen."

Die Novemberpogrome in Wien

In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Die Nationalsozialisten gaben diesem Tag den euphemistischen Ausdruck  „Reichskristallnacht". Mit dem Novemberpogrom radikalisierten sie die Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung.

Mahnende Worte aus Tirol

Antisemitismus in Österreich hat am Mittwoch auch das Lokalkomitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit Tirol deutlich verurteilt. So heißt es in einer Erklärung wörtlich: „Wir beziehen unmissverständlich klar Stellung gegen jede Form von antijüdischem Gedankengut und Taten, wir fordern alle Akteure und Mitglieder der Zivilgesellschaft auf, dies ebenso deutlich zu tun. Unser Engagement gilt einer friedlichen Zivilgesellschaft, in der wir füreinander einstehen und in der Hass keinen Platz hat!" Gezeichnet ist die Erklärung von Prof. Roman Siebenrock, dem Sprecher des Lokalkomitees, dem evangelischen Superintendenten Olivier Dantine und Martina Loth, der Vorsitzenden der Innsbrucker Diözesankommission für den interreligiösen und interkulturellen Dialog.

Angesichts bedrohter Jüdinnen und Juden und Vorfällen wie der jüngst geschändeten jüdischen Begräbnisstätte in Wien unterstützen die christlichen Mitglieder des Tiroler Lokalkomitees für christlich-jüdische Zusammenarbeit die politisch Verantwortlichen in ihren Anstrengungen, wie sie sich in der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus" der Bundesregierung und der Etablierung des „Nationalen Forum gegen Antisemitismus" manifestiert.

Jede und jeder könne seinen Beitrag leisten, sei zu Zivilcourage aufgerufen und dazu, sich vom Schmerz des anderen betreffen zu lassen. „Jede und jeder einzelne von uns kann billigen Sprüchen auf den verschiedensten Ebenen widersprechen. Wir können uns mit den jüdischen Gemeinden solidarisieren und gute Nachbarschaft leben und pflegen: Solange sich jüdische Menschen in unserem Land unsicher fühlen, können wir alle nicht in Frieden leben. Wir dürfen antisemitische Vorfälle auf allen Ebenen nicht bagatellisieren."

„Wir können nur für den Frieden im Heiligen Land beten, wenn wir hier in Österreich Antisemitismus in allen Varianten entschieden und klar entgegentreten“

Die nach dem Terror-Anschlag der Hamas vom 7. Oktober in Israel eskalierende Gewalt mache ratlos. „Christinnen und Christen beten für den Frieden, um eine Hoffnung wider aller Hoffnung zu bewahren angesichts dieser höchst bedrohlichen und scheinbar aussichtslosen Situation. Im Gebet bekennen wir offen unsere Ohnmacht in solchen weltpolitischen Dimensionen", heißt es in der Erklärung und weiter: „Wir können nur für den Frieden im Heiligen Land beten, wenn wir hier in Österreich Antisemitismus in allen Varianten entschieden und klar entgegentreten."

(kap - sst) 


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08. November 2023, 14:18