Camposanto Teutonico: Licht auf eine Kirche im Vatikan
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
„Ja, wir haben es natürlich mit 500 Jahren Baugeschichte zu tun“, so Teresa Lohr. „Ganz grob gesagt: Was vor 1870 passiert ist, wissen wir kaum noch. Wir wissen, dass die Kirche acht Altäre hatte, von denen dann 1870 einige entfernt worden sind. Wie die Wände gestaltet waren, wissen wir nicht. Und dann, 1870, ist sie komplett ausgemalt worden, Wände, Decken, Pfeiler, alles ist bemalt worden.“
Wuchernder Dekor also auf allen Oberflächen der Kirche. Auf den historischen Fotos, die Teresa Lohr in Archiven entdeckt und für ihr Buch zusammengetragen hat, wirkt die Kirche – sogar auf den Schwarzweiß-Bildern - stilistisch buntgemischt.
„Man muss sich vorstellen, die Wände waren bemalt im Stil der Neorenaissance. Die großen seitlichen Fenster hatten Glasfenster, ebenfalls im Stil der Neorenaissance, also schon zwei verschiedene Bildebenen, die sozusagen miteinander gespielt wurden. Es gab an einzelnen Stellen noch Wandmalereien der Barockzeit, es gab einen großen barocken Hochaltar, der allerdings schon ein bisschen reduziert war, der sein Altarbild nicht mehr hatte; man hat statt eines gemalten Altarbildes eine Pietà von Wilhelm Achtermann, also von einem damaligen Künstler hineingestellt, eine Skulptur. Dann hatte man in der Mitte einen eisernen Radleuchter. Und Grabplatten aus der gesamten Zeit der Kirche im Fußboden.“
Neunzehntes Jahrhundert war out
Die gesamte Bemalung der Kirche und ein Großteil ihrer Ausstattung wurden in der Zeit um 1970 bei einer längeren Phase der Sanierung fast ganz entfernt. Vom Über-und-über-Dekor des 19. Jahrhunderts zum blanken Putz der Mauern: Dieser radikale Rückschnitt bei der Ausstattung von Santa Maria della Pietà hing mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und der darauffolgenden Liturgiereform zusammen. Was nach 19. Jahrhundert aussah, musste weg.
„Genau, 19. Jahrhundert war out. Diese Fülle von Bildern, mit der man sich im 19. Jahrhundert erhofft hat, die Gläubigen - vor allem die weniger gebildeten Gläubigen - an sich zu binden, was man damals auch in mittelalterlicher Kunst gesehen und verehrt hat, wollte man eben noch mal erschaffen, um die Kunst und die theologischen Zusammenhänge oder in diesem Fall hier auch die historischen Zusammenhänge anschaulich zu machen. Aber in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, eigentlich schon vorher in der liturgischen Bewegung, ist man davon sehr stark abgekommen - weil man eben der Überzeugung war, dass Bilder eher ablenken vom liturgischen Geschehen. Deshalb bevorzugte man eine sehr, sehr reduzierte Bildsprache.“
Karger Raum, Putten und Skelette
Wer heute in den Camposanto Teutonico an der Südflanke des Petersdoms kommt und das Gotteshaus betritt, erlebt einen für römische Verhältnisse kargen und reduzierten Kirchenraum, wenn auch mit einigen Ausnahmen: So überlebten die spätbarocken Grabmonumente mit den epochentypischen Putten und Skeletten beidseitig des Altarraums. Schön ist das fünfteilige Altarbild in der Apsis.
„Das ist aus der Erbauungszeit der Kirche“, erklärt Teresa Lohr. „Es wurde, kurz nachdem die Kirche fertig gebaut war, schon geweiht. Das ist ein deutsch-flämisches Stück. Das Hauptaltarbild zeigt eine Beweinung. Dieses Altarbild muss man sich als früheren Flügelaltar vorstellen. So wie es heute montiert ist, hat man sozusagen die Flügelvorder- und Rückseiten zu eigenen Bildern gemacht und dann nebeneinandergestellt. Wie ein Leporello ist es dort hinmontiert worden, als eine Art Kulisse.“
Das allerdings geschah schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts, im Barock. „Jede Zeit hat ihren Weg gefunden, mit diesem Altarbild umzugehen, und es ist immer noch da“, so Teresa Lohr. Erstaunlich für eine Kirche, deren Innenausstattung so viele Neuerungen erfuhr.
Buchtipp: Die Kirche Santa Maria della Pietà am Campo Santo Teutonico zwischen Historismus und Zweitem Vatikanischen Konzil. Eine kunsthistorische Untersuchung. Herder 2023.
(vatican news – gs)
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