Unser Sonntag: Die Frohe Botschaft wandert in die Wüste
Andrzej Dominik Kuciński
Mk 1,12-15
7. Sonntag im Jahreskreis, B
Schon wieder befinden wir uns am Anfang der Fastenzeit. Erneut ein Moment, in dem jemand uns zur Umkehr ruft. Noch eine Chance, die Koordinaten zu ändern, uns auf das Ziel des Lebens auszurichten, Gott den ersten Platz zu geben.
Diese Rolle übernimmt am heutigen Sonntag der Evangelist Markus, der in knappen Worten sofort das Wesentliche sagt.
Gerade wurde Jesus getauft. Gerade hat er die Stimme gehört: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich mein Gefallen.“ Gerade hat er sich als die Erfüllung der Hoffnung Israels manifestiert, durch Johannes den Täufer als „der Stärkere“ angekündigt. Und schon wird er durch denselben Geist, der in der Taufe auf ihn herabkam, in die Wüste getrieben. In der Bibel ein höchst ambivalenter Ort: Der Ort der Dürre und des Todes, aber auch der Ort einer intensiven Gottesbegegnung und des heilsversprechenden Neuanfangs. Symbolträchtig ist auch die Aufenthaltsdauer in der Wüste: vierzig Tage war Mose auf dem Berg Sinai, vierzig Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste, vierzig Tage lang ging Elija zum Gottesberg Horeb.
Willst Du Gott hören?
Diese Verbindung verdeutlicht die Perspektive von Markus: Jesus wird nach seiner Auffassung gerade nicht in die Wüste geführt, um versucht zu werden. Er weist vielmehr auf das Wirken Gottes im Leben der Menschen hin. Gott wirkt in Stille, Ruhe, Zurückgezogenheit. Auch das gehört zur Fastenzeit. Willst du Gott hören? Verschaffe ihm einen Zugang zu deinem inneren Leben inmitten immer intensiver herumlärmender Sinnanbieter dieser Welt, die deine konsumorientierte Aufmerksamkeit anlocken wollen. Doch da bleibt auch das Element des Versuchens. Üblicherweise wird das Wort peirazomenos – „versucht“ – im Sinne der Hinführung zur Sünde übersetzt.
TÜV des Glaubens
Aber man kann es hier besser als eine „Prüfung“ – wie die Prüfung Israels in der Wüste oder die Prüfung des Gerechten in der Treue zu Gott im Alten Testament – verstehen. Als der TÜV des Glaubens tritt der göttliche Widersacher, also der Satan auf. Im Ijob-Buch avancierte er sogar zum Mitglied des himmlischen Hofs, dem die Aufgabe zuteil wird, Ijobs Gottestreue zu testen. Im Neuen Testament erscheint er jedoch als Synonym für den Dämon bzw. den Teufel und wird bei Markus sogar mit dem „Fürst der Dämonen“ identifiziert. Die Versuchung Jesu in der Wüste manifestiert so seinen ungebrochenen Willen, das Böse zu bekämpfen. Denn der Versuchte wird in eine Entscheidungssituation gebracht, aus der er sich nicht durch eine Wackeltaktik nach dem Motto: „Eigentlich ja, aber vielleicht doch nicht“ befreien kann. Christus geht als Sieger aus der Versuchung heraus. Er ist in seiner ganzen Existenz ein „Ja“ zu Gott und zu Gottes Heilsplänen, koste es was es wolle. Und so ist er für uns berechenbar. Wir dürfen darauf zählen, dass er sich nicht noch einmal anders entscheidet, als uns zu retten.
Das Reich Gottes kommt durch Leiden und Tod
Jesus siegt, auch weil er die wichtigste Botschaft zu verkünden hat. In den zwei letzten Versen hören wir die knappe Zusammenfassung von seiner Mission, die uns nicht kalt lässt. Vorbereitet durch Johannes der Täufer, der „ins Gefängnis geworfen wurde“, wie die Einheitsübersetzung uns informiert. In Wirklichkeit steht dort ein biblisch schwerwiegendes Wort: „übergeben“. Es ist dasselbe Wort, mit dem im Neuen Testament Jesu Schicksal bezeichnet wird. Jesus wird dem Tod überliefert. Bei Markus hat es noch eine Bedeutung: Das Schicksal von Johannes und Jesus wird mit dem der Christen verbunden. „Übergeben werden“ ist der Preis für die Verkündigung der Heilsbotschaft: Das Reich Gottes im Kommen. Es ist keine menschliche Erfindung und auch kein langweiliges Gerede von menschlichen Belanglosigkeiten. Die Taufe, die uns in dieses Reich eingliedert, verleiht jedoch keine Immunität gegen Prüfungen. Im Gegenteil, sie rüstet uns für sie auf, wie es mit Jesus geschah. Das Reich Gottes kommt durch Leiden und Tod.
Es besteht kein Grund, warum dies den Anhängern des Gekreuzigten erspart bleiben sollte, wenn ihnen die Auferstehung mit Christus verheißen wird. Am Anfang der Fastenzeit wird uns dieses Programm vor Augen gestellt: Ja, du bist frei, Christi Schicksal zu teilen. Aber bevor du entscheidest, wisse: Seine Wirklichkeit ist das angekommene Reich Gottes. Nichts Banales. Dieses Reich Gottes hat sich bewährt, ist mit allen Wassern unseres Lebens gewaschen. Nichts von deinem Leben wird ausgeschlossen, wenn du dich auf Christus einlässt und mit ihm zu sterben und aufzuerstehen wagst. Denn das Reich Gottes meint eher nicht einen Platz, sondern eine Dynamik der Beziehung: die Herrschaft Gottes, nicht einen himmlischen Palast von Walt Disney.
Gott benügt sich nicht mit Krümeln unserer Existenz
Diese Wirklichkeit erfordert die Umkehr: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“. Es ist eine metanoia, eine Änderung des Verstandes beziehungsweise des Herzens. Es geht tiefer als ein einfaches Bekenntnis zu irgendeiner Wahrheit. Denn der Glaube bedeutet biblisch auch ein vertrauensvolles Verhältnis zu dem, an den man glaubt. Gott kann man nicht mit Krümeln unserer Existenz zufrieden stellen. Er möchte uns ganz haben. Nur dann kann er seine Verheißungen an uns erfüllen.
Worauf warten wir - den Urlaub oder die nächste Pandemie?
Es gibt eine Voraussetzung, um dies zu erfahren. „Die Zeit ist erfüllt“, sagt Christus zu uns heute. Der Einzige, der in der Lage ist, so etwas zu sagen. Er ist anders als andere Lehrer und Propheten. Für ihn ist die Frohe Botschaft Gegenwart, nicht ferne Zukunft. Denn er selbst ist diese Frohe Botschaft. Auf ihn hat die Menschheit gewartet, auch ohne es zu wissen. Und das ist eben die Voraussetzung, dass wir Gott begegnen: die Frage, ob wir noch auf etwas warten. Hat uns Christus noch etwas zu sagen? Oder muss er schon abdanken? Jesu Worte sind seinerzeit auf einen fruchtbaren Boden bei vielen gefallen. Der Boden war schon durch die Propheten gedüngt, durch göttliche Interventionen bewässert, durch Johannes den Täufer unmittelbar gepflügt. Die Menschen wussten, etwas steht noch aus. Es muss eine Erfüllung geben. Und heute, besonders in unseren europäischen Breitengraden: Worauf warten wir noch? Auf ein neues Handymodell? Auf das nächste Schnäppchen? Auf unseren Urlaub? Oder aber sind wir bereits verzweifelt und warten eher auf einen neuen Krieg? Auf eine neue Pandemie? Auf eine neue Wirtschaftskrise?
Haben Christus und Christentum ausgedient?
Man kann sich auf verschiedene Art und Weise entfremden. Hauptsache, Christus, den Gottgesandten nicht als Objekt unserer Erwartung zuzulassen. Aus Hochmut oder Verzweiflung. Er hat schon seine fünf Minuten in der Geschichte gehabt. Leider hat er kläglich versagt, würden viele sagen. Er hat ja das Böse nicht aus der Welt geschaffen, sondern ist ihm selbst erlegen. Und das, was er hinterlassen hat, nämlich seine Kirche, hat so viele Makel im Laufe der Geschichte angesammelt, dass sie kaum noch ernst genommen wird. Erst recht nicht, wenn sie beansprucht, etwas Gültiges vom Menschen und von der Moral zu behaupten. Jemand anders muss her, ein neues Ideal, eine neue Vision. Christus und sein Christentum haben ausgedient.
Die Natur erträgt tatsächlich kein Vakuum. Und so gibt es heute viele Heilshändler, die uns etwas versprechen, z. B. die Propheten der Technik. Unser Fortschritt überschreitet bei Weitem all das bisher Bekannte. Es gleicht eher einer Achterbahnfahrt, nicht einer evolutiven Änderung. Der Mensch sammelt so viel Macht in seinen Händen, nur die Ethik kommt langsam hinterher. Dürfen wir alles tun, was wir können? Natürlich! Sagt die menschliche Hybris. Der Mensch muss sich realisieren. Er ist ja selbstbestimmt. Sein eigener Herr und Schöpfer. Buchstäblich erfahren wir es in Labors, wo Menschen reproduziert werden, wo an menschlichen Embryonen um des Fortschritts willen geforscht wird, weil sie angeblich nur genetisches Material darstellen. Gott brauchen wir nicht, übrigens er ist ja bekanntlich gestorben. Schon im neunzehnten Jahrhundert, wie ein ehrlicher Philosoph festgestellt hat. Und ein anderer Philosoph, auch im neunzehnten Jahrhundert, erklärte, dass Philosophen bisher die Welt nur beschrieben hätten, nur gälte es, sie zu verändern.
Das Paradies auf Erden...
Im Ergebnis haben verschiedene Versuche, ein auf Menschen zugeschnittenes Paradies auf Erden zu bauen, Millionen von Toten, Verwüstung ganzer Länder sowie millionenfache Entwürdigungen der Kinder Gottes gebracht. Aber wir können es uns offensichtlich weiterhin leisten, ohne Gott und ohne sein Heilsprogramm für uns zu leben. So steuern wir heute munter auf den Transhumanismus zu, der uns verspricht, nochmal etwas ganz Neues zu werden. Dann werden wir in die Lage versetzt, nicht nur unsere Umgebung, sondern auch unsere Identität als Menschen selbst umzuprogrammieren.
Verzweiflung oder Hoffnung
Wie viele Personen leben, handeln und glauben heutzutage in diesem Sinne? Wie viele verzweifeln am konkreten Menschen, entweder, indem sie nur noch Schlimmeres von ihm befürchten oder indem sie umgekehrt an die eigene Gestaltungsmacht unerschütterlich glauben, um die bisherigen Grenzen der eigenen Natur zu überwinden. Oder sie lassen sich betäuben durch den Rausch der alltäglichen Belanglosigkeit, das wäre die dritte Möglichkeit. Nicht weil sie böse sind. Vielleicht, weil sie einfach keine Hoffnung haben. Und Christus nie wirklich kennengelernt haben. Sie sind keinem Johannes dem Täufer, keinem Jesaja, keinem Mose in ihrem Leben begegnet. Noch nicht.
Aufruf zur Umkehr
Es kommt aber die Fastenzeit und damit der Aufruf zur Umkehr. Gott wird nicht müde, uns zu sich zu rufen. Noch einmal schenkt er uns die Möglichkeit, mit Christus in die Wüste zu ziehen. Nicht nur, um gegen den Widersacher zu kämpfen, sondern um uns auf das Kostbarste unseres Lebens zu besinnen. Auf das Unwesentliche zu verzichten, um das Wesentliche neu zu entdecken. Es ist niemals zu spät, solange wir leben, um zu Gott „Ja“ zu sagen.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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