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Schweiz: 183 Übergriffe im Bistum Basel gemeldet

Während der 13-jährigen Amtszeit von Bischof Felix Gmür sind insgesamt 183 Meldungen von mutmaßlichen sexuellen Übergriffen eingegangen (Stand: 29. Februar 2024). Das teilte das Schweizer Bistum an diesem Dienstag mit. Davon entfiel etwa die Hälfte der Meldungen (insgesamt 92) auf die Zeit nach Veröffentlichung der Pilotstudie vom vergangenen Jahr.

Für die Schweizer Pilotstudie untersuchten Historikerinnen und Historiker schweizweit im Auftrag der Bischöfe und der kirchlichen Institutionen die Archive der römisch-katholischen Kirche – mit besonderem Augenmerk auf sexuelle Übergriffe. Die Untersuchung konnte von 1950 bis heute 1.002 Missbrauchsfälle identifizieren.

Seit dem 12. September 2023 – dem Tag der Veröffentlichung der Pilotstudie – konnten vom Basler Bischof Felix Gmür 10 Strafanzeigen eingereicht werden; davon betrafen 8 Strafanzeigen verstorbene beschuldigte Personen. Großmehrheitlich bezogen sich die gemeldeten mutmaßlichen sexuellen Übergriffe im Bistum Basel auf einen Tatzeitpunkt im letzten Jahrhundert. Es sei zu betonen, „dass hinter diesen Zahlen immer persönliche Schicksale von Betroffenen stehen“, so die Medienmitteilung.

Das Bistum Basel teilte mit, dass teilweise neue Meldungen auch Nachfragen zu einem bereits früher gemeldeten Vorfall beinhalten würden. Als Meldung gelte in der Diözese „jede Kontaktaufnahme, die einen mutmaßlichen sexuellen Übergriff betrifft oder in welcher ein solcher Verdacht mitgeteilt wird“. Als Meldungen zählten auch Kontaktaufnahmen, bei denen „weder das mutmaßliche Opfer noch die beschuldige Person namentlich benannt werden“, präzisierte die Pressestelle in Solothurn.

Bischof Felix Gmür
Bischof Felix Gmür

Die Mehrheit der beschuldigten Personen war zum Tatzeitpunkt als Weltpriester oder Diakon (39), Ordensmitglied (24) oder in anderer Funktion im kirchlichen Umfeld (22) tätig. 6 Personen hatten keinen Kirchenbezug oder waren nicht eruierbar. Mehrheitlich waren die Delikte nach staatlichem Strafrecht bereits verwirkt oder verjährt. 7 Meldungen wurden nach staatlichem Strafrecht angezeigt (5 durch Dritte, 2 durch den Bischof). 44 Meldungen betrafen kein Strafdelikt oder die Delikte waren nicht eruierbar. 9 Dossiers wurden an die damalige Glaubenskongregation nach Rom gesandt.

In personalrechtlicher Sicht gab es u.a. Maßnahmen wie Entzug der Missio canonica, Einschränkungen oder Verbot seelsorgerischer Tätigkeiten, Kontaktverbote oder Therapieauflagen, manchmal mehrere Maßnahmen gleichzeitig. Bei verjährten Delikten sowie bei verstorbenen beschuldigten Personen bestand damals wie auch heute die Möglichkeit, bei der „Kommission Genugtuung für Opfer von verjährten Übergriffen im kirchlichen Umfeld“ einen Antrag auf Zahlung einer Genugtuung zu stellen. Gestützt auf die eingereichten Anträge wurden 29 Genugtuungszahlungen an Betroffene ausbezahlt.

Austausch mit Betroffenen

Bischof Felix Gmür und Personalverantwortliche führten mit den Betroffenen, die es wünschten, persönliche Gespräche. So hatte sich der Bischofsrat des Bistums Basel am 28. Februar 2024 im Rahmen seiner Klausurtagung in Delsberg mit drei Personen der Interessengemeinschaft für missbrauchsbetroffene Menschen im kirchlichen Umfeld (IGM!kU) und der Groupe Soutien aux personnes abusées dans une relation d’autorité religieuse (Groupe SAPEC) getroffen. Der Austausch habe wichtige Impulse „für einen verbesserten Umgang mit Betroffenen und für Intervention und Prävention geliefert“. Vreni Peterer (Präsidentin IG-M!kU), Marie-Jo Aeby (Vizepräsidentin Groupe SAPEC) und Walter Holenstein (Mitglied IG-M!kU) hätten „eindringlich ihre Erfahrungen als Betroffene schwersten sexuellen Missbrauchs“ geschildert. Sie selbst würden von sich selbst teilweise bewusst als „Überlebende“ bezeichnen, „weil sie dieser Begriff stärkt“. Besonders erschüttert seien die Mitglieder des Bischofsrats von den Schilderungen gewesen, wie die Täter Vertrauen zunächst gezielt aufgebaut und dann brutal zerstört hätten. Die Betroffenen litten oft lebenslang „an mangelndem Selbstvertrauen, Vertrauen in Mitmenschen und auch in Gott“. Die Folge könnten schwere körperliche Beschwerden, psychische Erkrankungen und auch berufliche und wirtschaftliche Probleme sein.

Der Bischofsrat und die Vertreterinnen und Vertreter der IG-M!kU und Groupe SAPEC tauschten sich auch darüber aus, worauf bei Interventionen aus Sicht der Betroffenen zu achten sei. „Sie brauchen sichere Orte und professionell ausgebildete Ansprechpersonen, um ihre persönliche Geschichte erzählen und aufarbeiten zu können. Dabei ist es nicht mit einer einzigen, kirchenunabhängigen Anlaufstelle getan“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Mahnung aus Rom

In einem Fall von mutmaßlichen sexuellen Übergriffen eines Aushilfspriesters gegenüber einer minderjährigen Person hatte Bischof Felix Gmür in einer Stellungnahme am 18. August 2023 Verfahrensfehler eingeräumt. Diese haben der betroffenen Person zusätzlichen Schaden zugefügt. Damit die betroffene Person Gerechtigkeit erfährt, ließ Bischof Felix Gmür den Fall in Rom prüfen. Das Dikasterium für die Bischöfe stellte in seinem Brief vom 16. Februar 2024 zwei Verfahrensfehler fest. Bischof Felix Gmür habe erstens den Ortsordinarius des Beschuldigten pflichtgemäß über den angezeigten Fall informiert. Allerdings sei es nicht ratsam gewesen, die gesamte Dokumentation an diesen weiterzugeben, da Vorsorge angebracht gewesen wäre, dass diese nicht in den Besitz des Beschuldigten gelangte. Zweitens wurde die späte Benachrichtigung des Dikasteriums für die Glaubenslehre über die Anschuldigungen gegenüber dem Priester als formales Versäumnis beurteilt, nicht aber als den Versuch einer Vertuschung, wie die gesamte Chronologie der Angelegenheit gut belegen würde. Das Dikasterium kam zu folgendem Schluss: „In Anbetracht des vorher Gesagten spricht Ihnen dieses Dikasterium eine Mahnung aus wegen mangelnder Vorsicht im ersten und wegen Unachtsamkeit im zweiten Punkt. Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass sich kein Anhalt für Absicht von Vertuschung noch für mangelnden Respekt vor der mutmaßlichen Betroffenen findet.“

Im Blick auf die Zukunft sagt Bischof Felix Gmür: „Ich setze alles daran, dass sich Verfahrensfehler, die insbesondere den Betroffenen zusätzlichen Schaden zufügen, durch die heute geltenden Verfahrensbestimmungen und die standardisierten, unabhängigen Bearbeitungen der Meldungen nicht wiederholen.“

(pm – mg)

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05. März 2024, 11:35