...das Licht mehr lieben als die Finsternis ...das Licht mehr lieben als die Finsternis 

Unser Sonntag: Nikodemus in der Dunkelheit

Für Pfarrer Christian Böck macht es betroffen, dass ausgerechnet die angeblich „Frommen“ – Pharisäer und Schriftgelehrte - Jesus vollkommen missverstanden haben. Aber Nikodemus ist in der Dunkelheit ein Suchender.

Pfarrer Christian Böck 

Direktor des Pilgerzentrums in Rom 

4. Fastensonntag, Joh 3, 14-21  Lj B


Liebe Schwestern und Brüder!
Licht und Wärme sind entscheidend für das Leben auf unserer Erde. Unser Plantet hat genau den richtigen Abstand von der Sonne, dass er ein bewohnbarer Planet ist, dass sich Leben in so großer Fülle entwickeln konnte, dass die Oberfläche kein Glutofen oder eine Kältewüste ist.

Hier zum Nachhören

Eine völlige Sonnenfinsternis, die über Wochen und gar Jahre die Welt in Finsternis hält, würde auch das Leben auf der Erde auslöschen. So führen viele Wissenschaftler das plötzliche Aussterben der Saurier auf eine Naturkatastrophe vor 65 Millionen Jahren zurück, als ein Komet die Erde traf und eine gigantische Staub- und Rauchwolke verursachte und über Jahre die Erdatmosphäre in Dunkelheit und Nacht hielt und damit fast das ganze Leben auf der Welt auslöschte.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Wir brauchen Licht! 

Licht tut uns allen gut – wie sind wir nach der langen und dunklen Jahreszeit froh, wenn wir jetzt im beginnenden Frühjahr wieder Sonne und Wärme tanken können – eine Wohltat für Körper und besonders unsere Seele. Jeder Mensch sucht von Natur aus das Licht und scheut die völlige Finsternis. Jeder kennt die Situation: Man schreckt in der Nacht auf aus einem bösen Traum und sofort führt der erste Griff zum Lichtschalter. Und wehe, wenn jetzt das Licht nicht angehen würde, wenn es finster um uns bliebe – Panik. Der Evangelist Johannes spricht in seinem Evangelium oft vom Licht im Gegensatz zur Finsternis, von Gut im Gegensatz zum Bösen und er zeigt uns Jesus als einen, der zur Entscheidung führen will, für oder gegen ihn.

„Licht bedeutet bei Johannes die Welt Gottes, mit „Licht“ meint Johannes den Glauben an die Liebe Gottes“

Licht bedeutet bei Johannes die Welt Gottes, mit „Licht“ meint Johannes den Glauben an die Liebe Gottes, die in Jesus erschienen ist. Ohne diese Liebe Gottes wäre kein Mensch, kein Geschöpf am Dasein – so wie ohne das Licht der Sonne nichts Lebendiges auf der Erde bestehen könnte. Nikodemus, Mitglied des Hohen Rates, er will sich von Jesus selbst ein Bild machen. Die führenden Leute des Judentums waren ja Gegner Jesu, ja, fassten am Ende den Beschluss, ihn beseitigen zu lassen, weil er in ihren Augen eine Gefahr für den jüdischen Glauben war, im letzten und eigentlichen, eine Gefahr für ihren eigenen Machtanspruch.

Die Sünder erkennen Jesus

Und es muss uns betroffen und auch selbst zum Nachdenken über unser Christsein führen, dass ausgerechnet die, die sich für die „frommen und gerechten“ hielten, die Pharisäer, Schriftgelehrten und auch der Hohe Rat, Jesus vollkommen missverstanden und ihn in seiner Bedeutung nicht erkannten, wohl aber diejenigen, die mit ihren Sünden, Krankheiten und Zweifeln zu Jesus kamen und ihn ehrlichen Herzens aufsuchten – sie erkennen Jesu Sendung und Bedeutung und erfahren in ihrer Umkehr Heil. Nikodemus aber ist auch ein suchender Mensch, und nicht nur, weil er nicht gesehen werden wollte kam er nachts zu Jesus; die Nacht ist vielmehr ein Bild dafür, dass er selbst in einer Dunkelheit lebte, die er aufbrechen wollte.

Nikodemus in der Dunkelheit

Johannes will mit der Nacht erklären, dass Jesus für Suchende und Zweifelnde das Licht für ihre Seele, für ihr Leben ist. Vieles von dem, was Jesus zu ihm sagt, kann er nicht verstehen, die Worte Jesu über die „himmlischen Dinge“ sind ihm zu hoch um sie wirklich zu begreifen. Doch er spürte, dass er mitten in der Nacht die Begegnung mit jenem „göttlichen Licht“ hat, das die Welt gekommen ist. Verändert wird er aus diesem Gespräch gehen, wie es sich im Verlauf des Johannesevangeliums zeigen wird; nach der Kreuzigung Jesu hat Nikodemus Mut und geht im Tageslicht an das Kreuz Jesu
und bringt eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund, mit der der Leichnam Jesu vor der Grablegung eingesalbt wird.

„In geistlichen Nächten leuchtet das Licht Jesus auf“

Die Begegnung mit Jesus verändert, und sicher ist dem Nikodemus und vielen anderen in ihren geistlichen Nächten das Licht Jesus aufgeleuchtet, seine Lehre und seine Botschaft über Gott, die Botschaft vom Leben, die stärker ist als der Tod. Schwestern und Brüder, wir feiern Jesus Christus, das Licht der Welt, weil sicherlich jeder von uns schon die Erfahrung dieses Lichtes Jesus gemacht hat in so manchen Dunkelheiten und Finsternissen des Lebens, weil wir erkannt haben, dass das Licht Christi eine Leuchte ist für unsere Schritte, weil wir spüren, dass das Leben reicher wird in Verbindung mit Gott, weil wir gerne bei ihm sind, weil wir das Licht mehr lieben als die Finsternis, wie es Johannes formulieren kann. Ich denke, es geht ihnen so wie mir, dass ich öfters denke, warum nicht mehr dieses Licht für ihr Leben suchen, gerade auch von Menschen, die sicher leichter leben würden, hätten sie diese Hoffnung und diese Zuversicht aus dem Glauben an Gott und seine Welt.

Sog nach unten...

Und auch der Gedanke, dass manches leichter wäre, wenn wir mehr wären. – Wenn eine oder einer über Jahre in der eigenen Familie der einzige ist, der noch betet, in die Kirche geht, gläubig ist, dann ist es kein Wunder, wenn man manchmal aufgeben möchte, dem eigenen Glauben nicht mehr traut, sich vom Sog der anderen mitziehen lässt. Wenn wir sehen, dass kirchliche, ja christlichen Strukturen in unserem Land in einer gewaltigen Erosion wegbrechen und wir uns auf ein gewandeltes christliches und kirchliches Leben einstellen müssen, weil die Redensart: „Die Kirche im Dorfe lassen“ überflüssig werden wird, weil es keine Gemeinde Jesu und damit keine Kirche mehr vor Ort gibt, die sich zum Gottesdienst und zum gemeinsamen Austausch und zur gegenseitigen Stärkung trifft und zusammenkommt.

...schwimmen gegen den Strom

Es kostet einiges an innerer Kraft, in unserer entchristlichen Gesellschaft konstant und unbeirrt gegen den Strom zu schwimmen. Zumal es kein Lob einbringt, sondern nicht selten giftige Bemerkungen und Sticheleien: „Ihr seid doch von gestern, ihr Super-Frommen mit eurer „Kirchenrennerei und Scheinheiligkeit“…“ Trotzdem, lassen wir uns nicht irre machen.

„Schwarzsehen ist keine christliche Tugend, Realität annehmen und sie im Lichte Gottes sehen, schon“

Schwarzsehen ist keine christliche Tugend, Realität annehmen und sie im Lichte Gottes sehen, schon. Ein Christ der frühen Kirche, als die Christen die absolute Minderheit waren, dieser Christ hieß Theophil von Antiochien, bringt es auf den Punkt: „Wenn die Blinden nicht sehen, heißt es nicht, dass die Sonne nicht scheint.“ Das Licht der Liebe Gottes scheint uns allen, ob wir es merken oder nicht. Gott liebt alle seine Kinder. Und Gottes Versprechen gilt allen: „Wer an seinen einzigen Sohn glaubt, wird nicht Zugrundegehen, sondern das ewige Leben haben.“ Joh 3,16

Die Stunde des Nikodemus

Die Stunde des Nikodemus, der in der Nacht zu Jesus kam, ist auch die Stunde für alle, sich in geistlichen Leeren und Ödnissen, in der Gottvergessenheit sind aber fragen, was der tiefere Sinn des Dasein hier auf der Welt ist, die Licht brauchen für den Plan des Lebens, die den Plan überhaupt entdecken wollen, die sich nicht länger betäuben lassen wollen mit der pausenlosen Betriebsamkeit, dass sie endlich merken, was Saint-Exupery – der Autor des „kleinen Prinzen“ – so ausgedrückt hat:

„Man kann nicht leben von Kühlschränken, von Politik, von Bilanzen...“

„Man kann nicht leben von Kühlschränken, von Politik, von Bilanzen und Kreuzworträtseln“. Möge das Licht Gottes durchdringen durch den Panzer um die Herzen, auch unseres Herzens. Mögen die Blinden und Tauben den Umkehrruf hören, den Paulus den Ephesern sagte: „Wach auf die Schläfer, steh auf von den Toten und Christus wird dein Licht sein!“ Eph 5,14. AMEN

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski) 

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09. März 2024, 12:05