D: „Unterschiede aushalten statt Scheinlösungen“
Rechtsextreme Parteien präsentierten sich als traditionsbewusste Konservative, um ihre menschenfeindlichen Ideen zu normalisieren, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kommission „Justitia et Pax“ am Montag in einer digitalen Pressekonferenz. „Justitia et Pax“ (Gerechtigkeit und Frieden) beschäftigt sich mit Friedens- und Menschenrechtsfragen.
Wenn etwa Rechtsextreme von Religionsfreiheit sprächen, gehe es ihnen nicht um das universelle Menschenrecht, sondern „um eine exklusive Privilegierung des eigenen Klientels“, sagte Wilmer. Unter „christlichen Werten“ verstünden sie nicht Nächstenliebe und Barmherzigkeit. „Nein, es verbergen sich dahinter Hass, autoritäres, bevormundendes Denken und diskriminierende Menschenverachtung.“
Bischof Wilmer äußerte sich bei der Vorstellung des Sammelbandes „Religious Freedom and Populism“, den „Justitia et Pax“ und das internationale katholische Hilfswerk missio herausgegeben haben. Darin zeigen die Autorinnen und Autoren, mit welchen Mustern Rechtspopulisten und -extremisten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit für sich vereinnahmen.
Unterschiede aushalten
„Wir müssen lernen, Unterschiede auszuhalten, statt Gesellschaften im Sinne extremistischer Scheinlösungen nach Religion, Hautfarbe und Herkunft segregieren zu lassen“, sagte Wilmer. In einer pluraler gewordenen Gesellschaft seien die Menschen auf der Suche nach Sinn und Gemeinschaft. „Entsprechend brauchen wir den schützenden und befähigenden Raum, den die Religions- und Weltanschauungsfreiheit für diese Suche bietet, mehr denn je.“
Der Präsident von missio Aachen, Dirk Bingener, kritisierte, dass rechtspopulistische und -extremistische Akteure das Menschenrecht auf Religionsfreiheit vereinnahmten, verengten und umdeuteten. In Ungarn etwa berufe sich Ministerpräsident Viktor Orban auf die Religionsfreiheit, um diskriminierende Maßnahmen durchzusetzen. Und Russland rechtfertige den Angriffskrieg gegen die Ukraine mit dem Argument, die Religionsfreiheit zu verteidigen. Bei der Europawahl sollten jene Parteien gewählt werden, die klar für eine offene Gesellschaft, eine rechtsstaatliche Demokratie und den interreligiösen Dialog einstünden.
Bernd Hirschberger von „Justitia et Pax“ und Mitherausgeber des Buches kritisierte die Gruppe der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR). Die ursprünglich von den britischen Tories initiierte Gruppe habe sich immer mehr für rechtsextreme und postfaschistische Parteien geöffnet und sei nicht die etwas konservativere Variante der Europäischen Volkspartei EVP. Die EKR-Vorsitzende Giorgia Meloni unterscheide sich sprachlich und inhaltlich kaum mehr von der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie (ID), der auch AfD-Abgeordnete angehören.
(kna – pr)
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