EU-Abtreibungs-Votum: „Deutschen Kompromiss beibehalten“
„Wir werben dafür, dass dieser mühsam errungene Kompromiss bleibt“, sagte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, am Freitag in Berlin. Insgesamt habe man damit eine „befriedete Situation“ erreicht. Alle Rechtsgüter seien gut abgewogen. Jüsten äußerte sich bei einer Veranstaltung der „Christen in der SPD“.
Auch der katholische Theologe und Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl warnte vor einem Aufschnüren des geltenden deutschen Abtreibungsrechts. „Wenn mühsam gefundene politische und gesellschaftliche Kompromisse in dieser Frage aufgekündigt werden, wird darunter nicht nur das ungeborene Leben zu leiden haben, sondern am Ende auch Frauen selbst“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Freitag.
Rollenzuweisungen... und brüchige Grundannahmen
Fragen der menschlichen Fortpflanzung seien in der Geschichte immer wieder dazu missbraucht worden, Frauen bestimmte Rollen zuzuweisen, so das Mitglied des Deutschen Ethikrats. Die bisherige Regelung in Deutschland, dass Schwangerschaftsabbrüche innerhalb der ersten zwölf Wochen zwar illegal, aber straffrei sind, sei ein „sinnvoller Ausgleich zwischen dem Lebensrecht des Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau“, der nicht zunichtegemacht werden sollte.
„In der Gesellschaft sind die Grundannahmen der bisherigen Kompromissregelung brüchig geworden“, so Lob-Hüdepohl. „Wer Embryonen nur für einen Zellverband hält, der kann kein Verständnis dafür haben, dass das Recht des Embryos auf Schutz moralisch genauso schwer wiegen könnte wie das Recht der Frau auf Selbstbestimmung. Der kann kein moralisches Dilemma sehen.“
Auch in den modernen Humanwissenschaften gebe es immer lautere Stimmen, die den Beginn menschlichen Lebens nicht bereits für die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ansetzten, sondern erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt. „Selbst in den großen Weltreligionen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Und auch die UN-Kinderrechtskonvention kennt keine pränatalen Kinderrechte“, gab der Theologe zu bedenken.
Stellungnahme einer Expertenkommission in Berlin erwartet
Nach Paragraf 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland rechtswidrig. Er bleibt aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, wenn es zuvor eine Beratung gab und ein Beratungsschein ausgestellt wurde. Zwischen Beratung und Abtreibung müssen mindestens drei Tage vergehen. Eine Expertenkommission der Regierung in Berlin soll am Montag eine Stellungnahme zu der Thematik vorlegen. Laut Medienberichten wird das Gremium eine Liberalisierung der Gesetzeslage empfehlen.
(kna/kap – pr)
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