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 Archivbild: Kardinal Reinhard Marx und der Trierer Bischof Stephan Ackermann bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema Missbrauch Archivbild: Kardinal Reinhard Marx und der Trierer Bischof Stephan Ackermann bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema Missbrauch  (AFP or licensors)

D: Bericht zum Fall Dillinger klagt Bistum Trier an

Der Missbrauchskomplex um den Priester Edmund Dillinger (1935-2022) aus dem Bistum Trier hat ein größeres Ausmaß als bislang bekannt. Das geht aus einem Bericht hervor, der am Dienstag in Trier vorgestellt wurde.

Nach Erkenntnissen von Sonderermittlern hat Dillinger mindestens 19 Personen sexuell missbraucht. Die Missbrauchstaten in „verschiedenen Schweregraden“ habe er von 1961 bis 2018 begangen, heißt es in dem am Dienstag in Trier vorgestellten vorläufigen Abschlussbericht des ehemaligen Koblenzer Generalstaatsanwalts Jürgen Brauer und des früheren stellvertretenden Leiters der Staatsanwaltschaft Trier, Ingo Hromada. Elf Opfer seien namentlich bekannt.

Zudem seien „sehr viele Personen“, deren Zahl nicht annähernd zu beziffern sei, Opfer von sexuell motiviertem Verhalten Dillingers geworden, „indem sie in sexualisierten Posen fotografiert wurden, Berührungen in allen Körperregionen ausgesetzt waren oder Annäherungsversuche abwehren mussten“. Die 96-seitige Studie kommt zu dem Schluss, „dass Dillinger über Jahrzehnte das Gegenteil dessen vorlebte“, was er predigte.

Unangemessen reagiert

„Die Verantwortlichen im Bistum Trier“ hätten insbesondere 1964 und 1970 unangemessen auf bekanntgewordene Missbrauchsfälle reagiert und „diese vertuscht“, heißt es in dem Bericht weiter. Bischöfe im Bistum Trier seit den 1960er Jahren waren Matthias Wehr (1951-1966), Bernhard Stein (1967-1980), Hermann Josef Spital (1981-2001), Reinhard Marx (2002-2008) und Stephan Ackermann (seit 2009).

Brauer und Hromada untersuchen den Komplex im Auftrag der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Trier (UAK). Der UAK-Vorsitzende Gerhard Robbers kritisierte vor Journalisten, das Bistum sei „über so viele Jahre hinweg untätig“ gewesen. „Erst ab 2012 hat man angefangen, die Dinge, soweit es ging, richtigzustellen.“ 2012 verbot das Bistum Dillinger, Messen zu feiern und Kontakt zu Jugendlichen zu haben.

Nicht um Betroffene gekümmert

Auf Marx, dem heutigen Erzbischof von München und Freising, angesprochen, sagte Robbers: „Kardinal Marx hat öffentlich selbst gesagt, dass auch er zu wenig auf die Opfer, die Betroffenen geachtet hat und zu viel auf die Täter.“ Das könne er bestätigen. Der Betroffenvertreter und Mediziner Karl Horst Wirz (83) kritisierte, in der Amtszeit von Spital und Marx habe sich „die Kirche überhaupt nicht um die Betroffenen gekümmert“. Der Trierer Historiker Lutz Raphael führte aus: „Für das Bistum Trier ist die Zäsur nach meiner Auffassung erkennbar im Jahre 2010.“ Eine Studie zu Missbrauch in der Amtszeit von Spital soll am 24. Juli vorgestellt werden.

Das Bistum erklärte, der Missbrauch sei möglich gewesen, weil Verantwortliche früherer Zeiten „unangemessen reagiert haben“. Vor allem in den Jahren vor dem Jahr 2000 hätten viele von Dillingers Doppelleben gewusst oder etwas geahnt, aber nichts unternommen oder weggeschaut.

Akten vernichtet

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, kritisierte, dass auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken zahlreiche Akten zum Fall Dillinger vernichtet wurden. Das dürfe sich nicht wiederholen, sagte sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Dillinger (1935-2022) war Priester in Kirchengemeinden im Saarland und in Rheinland-Pfalz. In seinem Besitz wurden nach seinem Tod tausende Fotos gefunden, darunter strafrechtlich relevante jugendpornografische Aufnahmen. In den Pfarreien, in denen Dillinger als Seelsorger tätig war oder wohnte, sowie in Vereinen, Verbänden und Verbindungen seien „Vorfälle totgeschwiegen“ und Hinweisen oder „offenen Geheimnissen“ nicht nachgegangen worden, so der Bericht. Zudem habe die frühere Schulleitung des Max-Planck-Gymnasiums in Saarlouis Dillinger „nicht ausreichend überwacht“; dort war er von 1979 bis 1999 Religionslehrer.

In vielen afrikanischen Ländern unterwegs

Brauer und Hromada haben nach eigenen Angaben ihre Recherchen in Deutschland abgeschlossen. Sie befragten mehr als 50 Zeitzeugen und betroffene Personen und werteten Akten des Bistums Triers und beteiligter Staatsanwaltschaften aus. Brauer und Hromada verlängern ihre Tätigkeit aber um ein weiteres Jahr, da wichtige Fragen offengeblieben seien.

Dillinger, der die Hilfsorganisation CV-Afrika-Hilfe gegründet hatte, war auch in vielen afrikanischen Ländern unterwegs. „Mögliche Erkenntnisse aus noch laufenden Erkundigungen in afrikanischen Ländern sollen zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden“, so die Studienautoren.

(kna – pr)

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08. Mai 2024, 09:55