Österreich: Im Gefängnis wird „so viel gebetet wie in Kirchen“
„Man hat unendlich viel Zeit. Da kommt man ins Denken, und dann kommen ganz grundsätzliche Fragen auf", beschreibt Marte den Alltag im Gefängnis. Er ist neben seinen Aufgaben im Orden als Gefängnisseelsorger der Justizanstalt Innsbruck tätig und berichtet in dem Podcast über die Grenzsituation der Inhaftierten und den Wert der Gefängnisseelsorge. „Wir Seelsorgerinnen und Seelsorger nehmen Druck und Hass heraus und verbreiten eine positive Grundstimmung. Das ist ,Detox'."
Die Kirche hat als eine der wenigen Institutionen Zugang zu Gefängnissen, zudem haben Insassen einer Justizanstalt das Recht auf religiöse Betreuung. In ganz Österreich sind 8.000 Menschen inhaftiert, davon insgesamt sechs Prozent Frauen und 94 Prozent Männer. Österreichweit gibt es rund 4.000 Gefängnisbeamte. In der Justizanstalt in Innsbruck sind es laut Aussendung der heimischen Ordensgemeinschaften aktuell 480 Gefangene.
„Es ist gar nicht so klar, dass der eine auf der einen Seite sitzt und ich auf der anderen Seite. Es könnte auch umgekehrt sein", erklärte der Jesuit den pragmatischen Zugang zu seinen Klientinnen und Klienten - unter denen sich teils auch Mörder, Pädophile und Räuber befinden. „Diese Menschen haben unter bestimmten Lebensbedingungen ein paar falsche Abzweigungen genommen. Es könnte auch anders sein."
Willkommene Abwechslung
„Wenn ich ins Gefängnis komme, erhalte ich eine ganze Liste von Personen, die mit mir sprechen wollen", berichtete P. Marte über den Alltag im Gefängnis. Mit dem Seelsorger sprechen zu können, sei für viele Inhaftierte eine willkommene Abwechslung, da die Seelsorger sich als „wohlwollende, freundliche Zuhörer" verstehen. Viele Insassen würden zudem keinen Besuch erhalten oder hätten keine Kontakte zur Außenwelt, „da ist ein Gespräch mit dem Seelsorger eine willkommene Abwechslung". Die Gespräche selbst unterliegen der Schweigepflicht.
Bei den Gesprächen selbst gehe es oft um Ängste - Angst vor der Verhandlung oder vor dem Richterspruch -, aber auch um Schlaflosigkeit oder um zwischenmenschliche Dinge, wie den Kontakt zur Familie, Probleme mit Mitgefangenen oder Zellenkollegen. „Im Gefängnis ist man sehr allein, man hat keine Freunde. Niemanden kann man wünschen, dass er dort hinkommt", fasste P. Marte die Situation zusammen. Das Ziel als Gefängnisseelsorger sei daher, dass die Gefangenen nach dem Gespräch gestärkt, getröstet und aufgerichtet wieder zurück in die Zelle gehen können. „Ich schaue in jedem Gespräch, wo die Spielräume zum Guten hin sind".
Auch Papst Franziskus hat viel Sympathie für Gefangene und trifft häufig auf Reisen Menschen in Haft. Zuletzt besuchte er im Abstand weniger Wochen das Frauengefängnis in Venedig, wo der Vatikan-Pavillon der Biennale untergebracht ist, und eine Haftanstalt in Verona.
(kap/vatican news – gs)
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