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P. Mauritius Wilde OSB: Der Mönch in dir P. Mauritius Wilde OSB: Der Mönch in dir 

Buchtipp: Der Mönch in dir

In jedem Menschen, der geistlich auf der Suche ist, steckt ein „Mönch“, und wenn der die rechte Nahrung erhält, kann er gedeihen und seinem Menschen von innen beim Wachsen helfen. Sogar ohne Kloster, Kreuzgang und Chorgebet. Das ist die Überlegung, die dem neuen Buch des Benediktiners Mauritius Wilde zugrunde liegt.

Doch das Besondere an „Der Mönch in dir“ ist die Quelle, die der Autor anzapft: eine Lebenserzählung über den Mönchsvater Benedikt von Nursia, 1.400 Jahre alt, geschrieben vom heiligen Papst Gregor dem Großen, seinerseits Benediktiner. Diese Benediktsvita kennen heute nur noch Fachleute, aber im frühen Mittelalter war sie das meistgelesene Buch nach der Bibel. Sie ist eine Heiligenerzählung voller Legenden und fantastischen Zügen, ein für heutige Lesende und Suchende fast unbrauchbarer Text.

Mauritius Wilde nimmt ihn sich Abschnitt für Abschnitt vor. Dabei bleibt er nicht auf der vordergründigen, bunten, erzählenden und bewundernden Ebene, die diese Heiligenvita für mittelalterliche Leser so attraktiv machte, sondern taucht ab in die tieferliegenden, die zeitlosen Schichten, in das Gewissen, die Seele. Es geht um das ehrliche Nachdenken über sich selbst, das Ausbrechen aus alten Mustern, um Kämpfe, die man nicht gewinnen kann, um das Treubleiben und immer wieder um das Freiwerden. Sich zu lösen von der Vaterfigur, von der Mutterfigur, von kulturellen Vorstellungen auch über die Kirche. Sich freimachen, nicht um irgendwie losgelöst von allem zu sein, sondern um anzukommen.

Der kleine schwarze Dämon, der sein Opfer fortzieht

Beispiel: Da gibt es diesen Mönch im Kloster, der es nicht aushält im Gebet. Wenn die anderen beten, geht er hinaus, schweift ab, beschäftigt sich mit nichtigen Dingen. Den Mitbrüdern ist das ein Rätsel, dem Mönch irgendwie auch. Benedikt wird gerufen, und er sieht, dass „ein kleiner schwarzer Knabe“ den Mönch jedes Mal am Saum seines Gewandes hinauszieht. Da schlägt der heilige Benedikt den Mönch mit einer Rute. Daraufhin lässt der Dämon von ihm ab, und der Mönch kann wieder andächtig beten.

Was macht Wilde aus dieser merkwürdigen Erzählung? Er transportiert sie, wie alle diese Episoden der Heiligenvita, ins Heute und arbeitet die Kernfrage heraus. Auch wir haben es mitunter, schreibt er, mit schwierigen Situationen und auffälligen Menschen zu tun und wissen nicht, was der Grund für all das ist und wie wir helfen können. Benedikt von Nursia, der Jahre seines Lebens als Einsiedler in einer tiefen Höhle verbrachte, hat „im Dunkeln zu sehen gelernt“, er kennt seine eigenen Schatten und identifiziert die Schatten anderer.

„Der eigene Schatten hindert Menschen daran, »ganz« zu sein, das zu tun, was sie eigentlich tun wollen“

„Der eigene Schatten hindert Menschen daran, »ganz« zu sein, das zu tun, was sie eigentlich tun wollen. Der Mönch, von dem hier erzählt wird, ist nicht bei sei. Er wohnt nicht bei sich. Dass der Dämon als Knabe beschrieben wird, könnte darauf hindeuten, dass es etwas aus der Kindheit des Mönchs ist, das ihn fortzieht, etwas aus seiner Vergangenheit, sein »dunkles Kind«.“ Das Unbewusste hat mehr Macht, als uns lieb ist. Gute Vorsätze helfen nicht weiter: Da ist etwas, das den Mönch – und manchmal uns - „wegzieht“. Was dann sichtbar wird, ist eine Form von zwanghaftem Verhalten, eine Abhängigkeit. Und auch wenn im Mittelpunkt der Episode die Heilung durch Benedikt, der „Befreiungsschlag“, steht und wir nicht erfahren, an welchem Kindheitstrauma der Mönch litt: „Der »Mönch in uns« macht uns immer hellsichtiger für die eigentlichen Probleme und damit auch für mögliche Lösungen.“

Mit einigen Episoden der alten Benediktsvita hat der Autor lange gerungen, wie er selbst bekennt. Aber er wollte sie alle erschließen, nicht nur die gefälligen. Das hat dem Buch gutgetan und steht für eine gewisse Diszipliniertheit. Dabei schöpft Wilde, ein erfahrener geistlicher Autor und Blogger, unangestrengt aus vielen Quellen, aus der Schrift, der Benediktsregel, aus theologischer Literatur, Lebenserfahrung, Beobachtung, Gesprächen (die Benediktsvita selbst ist formal ein solches). Niemals wird es akademisch oder abgehoben. Und viele der übrigens sprachlich schönen und nicht zu langen Kapitel schließt Wilde mit Fragen für ein ehrliches Gespräch mit sich selbst.

Mauritius Wilde: Der Mönch in dir. Ein Weg zu Gelassenheit und Loslassen. Vier-Türme-Verlag, 2024.

(vatican news - gs)

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03. Juni 2024, 14:43