Jesus mit seinen Jüngern Jesus mit seinen Jüngern 

Unser Sonntag: Worte des ewigen Lebens

Den Weggang der Jünger im Evangelium nimmt Peter Beer zum Anlass, zur Veränderungsbereitschaft aufzurufen: Ohne Bereitschaft, sich um ein angemessenes Verstehen der Worte Jesu bemühen zu wollen, geht es nicht, denn sonst wird die Verbindung zu Jesus schwach. Und auch durch uns muss die Kirche glaubwürdiger werden...

Prof. Dr. Dr. Peter Beer

21. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Joh 6,60-69

Das riecht nach massivem Ärger im heutigen Evangelium. Nicht wenige Jünger kündigen Jesus die Gefolgschaft auf und es bricht offensichtlich das aus, was sich schon länger angekündigt hat.

Hier zum Nachhören

Wir erinnern uns: In den Evangelien der vergangenen Sonntage, die der heutigen Textstelle vorausgehen, hat Jesus immer wieder von sich als dem Brot des Lebens gesprochen, als dem Brot, das Gott gibt, als dem lebendigen Brot, das ewiges Leben schenkt und das vom Himmel herabkommt. Schon damals haben die Jünger ihren Zweifel geäußert und gefragt, „ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen?

„Mein Fleisch ist das Brot für das Leben der Welt“

Wie kann er jetzt sagen, ich bin vom Himmel herabgekommen?”. Als Jesus jetzt dann im weiteren Verlauf auch noch sagt „Mein Fleisch ist das Brot für das Leben der Welt” und „wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben” scheint für viele von denen, die Jesus bis jetzt nachgefolgt sind, eine rote Linie überschritten. Sie fragen nicht nur „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?”, sie gehen jetzt einfach weg. Sie können und wollen das nicht mehr hören, was Jesus sagt. Es ist ihnen zu hart, zu provokativ, vielleicht auch zu unverständlich, die Auseinandersetzung damit zu anstrengend. Unter Umständen haben sie auch Angst, dass, wenn sie von anderen Leuten als Anhänger Jesu und seiner Worte identifiziert werden können, als Spinner dastehen. Nicht umsonst fragen sie sich, wer überhaupt die Worte Jesu hören kann, ohne sich aufzuregen.

Viele Jünger gehen

Was einen beträchtlichen Teil der Jünger Jesu da umtreibt und sie dazu bringt, ihre anfängliche Begeisterung abzulegen und ihre Anhängerschaft aufzugeben, dürfte uns nicht allzu unbekannt sein. Zu oft und zu viel haben wir in unseren Tagen einer oft unübersichtlichen Pluralisierung des Religiösen schon von wirren Gurus gehört und gelesen, die ihre Anhänger hinters Licht führen, finanziell ausnehmen oder psychisch abhängig machen. Esoterische Gesundbeter, astrologische Wahrsager, selbsternannte Hexenmeister und vieles andere mehr, was Menschen erheblich schaden kann, lassen einen instinktiv zurückschrecken, wenn in Sachen Religion Dinge zu abgefahren, zu ungewöhnlich klingen.

Beim Religiösen gibt es ein Mehr

Aber was heißt hier zu ungewöhnlich? Gehört es nicht auch irgendwie zum Religiösen, zum Glauben, Spirituellen, dass es nicht ganz in unserer Vorstellungswelt aufgeht, dass es da ein Mehr gibt, das nicht einfach nur im zähl-, wieg- und berechenbaren aufgeht? Ein schwieriges Feld tut sich da auf. Werfen wir nochmals einen Blick in das heutige Evangelium, vielleicht kann es uns weiterhelfen.
Im Grunde stehen sich darin zwei Gruppen gegenüber. Diejenigen, die glauben und diejenigen, die nicht glauben. Die, die nicht glauben, finden die Rede Jesu zu hart. Sie sind nicht bereit, ihre Vorstellung darüber, wie Gott sein muss, was und wie er sich äußert im Angesicht Jesu abzulegen.

„Ihr Gedankengebäude scheint festzustehen und es ist nicht dasjenige Jesu“

Sie wollen ihre diesbezüglichen Erwartungen nicht korrigieren. Es scheint fast so, als wüßten sie mehr und besser als Gott selbst, was Sache sein kann und was nicht. Sie lassen sich nicht auf die Herausforderung ein, in der Auseinandersetzung mit Anderen die Worte Jesu zu klären und zu erklären. Ihr Gedankengebäude scheint festzustehen und es ist nicht dasjenige Jesu. Veränderung ausgeschlossen. Bei denen, die glauben, die bei Jesus bleiben, scheint dies anders zu sein. Sie zeigen, was ihre bisherige Vorstellungswelt angeht, Veränderungsereitschaft.

Jesu Worte sind Geist und Leben

Nicht umsonst sagt Simon Petrus zu Jesus: „Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes”. Er steht exemplarisch für diejenigen, die bei Jesus bleiben und glauben. Dieses Glauben bedeutet eine Horizonterweiterung. Es bedeutet eine Annäherung an das Heilige bzw. den Heiligen, der das rein innerweltliche übersteigt, ein Mehr, ein Plus darstellt. Dieses Mehr, dieses Plus ist das, wovon Jesus spricht, wenn er sagt „meine Worte sind Geist und Leben”. Dieser Geist und dieses Leben verändern diejenigen, die glauben. Sie sind bereit, sich zu verändern, ihre Vorstellungen, ihre Erwartungen, ihre Lebensweise.

„Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt“

Diese Veränderung verläuft aber nicht willkürlich, blind, nicht ohne Sinn und Verstand. Deutlich wird dies an einem anderen Wort, das Simon Petrus benutzt, als er sich als Glaubender zeigt. Er spricht vom Erkennen: „Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt”. Erkennen setzt einen Prozeß des Nachdenkens, der Reflexion voraus, der dann in Erkenntnis mündet. Wichtige Voraussetzung dafür ist nach den Worten Jesu im heutigen Evangelium, dass niemand zu ihm kommen kann, „wenn es ihm nicht vom Vater gegeben wird”.

Logik der Liebe Gottes

Der Vater eröffnet die Möglichkeit, zu Jesus zu kommen, indem man die Spur des Vaters in seiner Geschichte mit den Menschen nachverfogt. Immer wieder hat sich Gott den Menschen gezeigt. Darin zeigt sich eine Logik der Liebe Gottes zu den Menschen, die in Jesus Christus und seinen Worten und Taten für die Menschen ihren Höhepunkt findet. Jesus als den Sohn Gottes zu identifizieren ist vor diesem Hintergrund keine Willkür, sondern eine Möglichkeit, die uns Gott selbst schenkt.
Diese Möglichkeit kann man ergreifen, muss es aber nicht. Das zeigen die Jünger, die die Gefolgschaft mit Jesus aufkündigen. Es zeigt sich aber auch in der Frage Jesu: „wollt auch ihr weggehen?” Die Nachfolge Jesu beruht nicht auf Zwang. Eine Abwendung von ihm ist jederzeit möglich. Das gilt auch in unserer Zeit; und viele nutzen dies.

Das Ende der Volkskirche

Die Austrittszahlen aus den Kirchen sind auf Rekordhöhen. Nicht wenigen wird angesichts der Zahlen Angst und Bange. Die Zukunft der Kirche scheint in Gefahr und keiner weiß so recht, wo sich das Ganze hinentwickeln wird. Nur eines scheint sicher. Die Zeit der Volkskirche scheint vorbei zu sein und wenn sich nicht viel ändert, werden die großen Kirchen bald zu Randphänomenen in unserer Gesellschaft. Wie damit umgehen, wie dagegensteuern? Den Glauben gefälliger machen? Schwierige, unverständliche Inhalte einfach streichen?

Alternativlos

Folgt man den Worten des Simon Petrus, dann dürfte das wohl ausscheiden. Er sagt: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.” Er sagt dies im Bewusstsein, dass die Worte Jesu hart wirken, aber er weiß auch, es gibt keine Alternative. Er drückt dies mit der rhetorischen Frage aus, „Wohin sollen wir gehen?”. Er kennt die Antwort. Die Worte Jesu mögen hart wirken, aber es sind Worte des ewigen Lebens. Sie lassen sich nicht vereinfachen, indem man sie gleichsam “einfriert” und sie ohne jede innere Beteiligung stur wiederholt, ohne Bemühen um deren Bedeutung für das jeweils heutige Leben einfach aufsagt. Und sie lassen sich auch nicht dadurch vereinfachen, indem man sich nur das Leichte, Heitere rosinenmäßig herauspickt und / oder beliebig durch das ergänzt, was an Literatur gerade “in” ist.

„Ohne Bereitschaft sich selbst verändern zu lassen, geht es nicht“

Ohne Bereitschaft sich selbst verändern zu lassen, ohne Bereitschaft sich um ein angemessenes Verstehen der Worte Jesu bemühen zu wollen, geht es nicht. Dann kommt es, wie es kommen muss. Die Verbindung zu Jesus wird schwach oder kommt gar nicht zustande. Man kann seine Worte weder für sich selbst annehmen, noch sie an andere weitergeben.
Damit kommt ein Problem zur Sprache, das in unseren Tagen ein besonders schweres Gewicht hat. Die Glaubensweitergabe, die Weitergabe der Worte Jesu leidet erheblich an der Glaubwürdigkeit der Kirche selbst. Es braucht hier jetzt nicht breit ausgefaltet werden und es mögen einige wenige Hinweise reichen. Durch den Missbrauchsskandal im Verantwortungsbereich der Kirche haben viele Menschen den Eindruck gewonnen, dass sich die Kirche selbst nicht an die Worte Jesu gebunden fühlt. Jesu Worte, die klar machen, wie sehr Jesus auf Seiten der Schwachen, der Kleinen und Hilflosen steht, scheinen innerhalb der Kirche auf taube Ohren gestoßen zu sein. Jesu Worte des Lebens sind offenbar wirkungslos verhallt, weil Glieder dieser Kirche ihr Herz hart gemacht haben.

Der Kirche vertrauen?

Wie soll man einer solchen Kirche zu- und vertrauen können, die Worte Jesu authentisch auszulegen, zu verkünden und vorzuleben? Viele Menschen sehen sich von der Kirche getäuscht, kehren ihr den Rücken, was nicht heißt, dass sie damit automatisch die Sehnsucht und das Interesse an den Worten Jesu verloren hätten. Im Gegenteil, sie fühlen sich in ihrer Suche nach der Nähe zu Jesus alleingelassen. Vor diesem Hintergrund gilt es nochmals zu wiederholen und weiter auszuformulieren, was vorhin schon einmal gesagt wurde.

Glaubwürdiger werden!

Es geht weniger darum, die Weitergabe und Verkündigung der Worte Jesu zu vereinfachen, sondern vielmehr darum, sie glaubwürdiger zu machen.
Wir alle, die wir gemeinsam Kirche sind, brauchen uns dazu nur immer wieder die Frage Jesu aus dem heutigen Evangelium vorlegen: “wollt auch ihr weggehen?” Wenn wir diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten können, weil wir bei ihm bleiben wollen, weil wir unser ganzes Leben wirklich an seinen Worten ausrichten, dann wird es uns gelingen, sein Wort an andere weiterzugeben, so dass auch sie sagen können: „Herr, Du hast Worte des ewigen Lebens“.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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24. August 2024, 09:12