Papst in Luxemburg: Eine überraschend direkte Rede an die EU
Franziskus ist heute in Luxemburg unterwegs, wie lief das bis jetzt?
Gudrun Sailer: Seine erste Rede war eine ganz deutliche Mahnung an die Europäische Union, ihre Identität nicht zu vergessen, mehr für den Frieden zu tun, sich nicht abzuschotten und keine Extremismen zu dulden, die die Demokratie unterspülen. Das war für viele überraschend direkt. In freier Rede hat Franziskus auch gesagt, er finde den Gedanken sehr traurig, dass heute in einem Land in Europa die Investments, die am meisten Profit erzeugen, die der Waffenherstellung sind. Luxemburg ist einer der drei Sitze der EU und dort sitzt auch die europäische Investmentbank. Das war eine zielgerichtete Botschaft.
Aber hat der Papst solche Botschaften nicht schon oft so oder so ähnlich vorgelegt?
Gudrun Sailer: Offenbar ist aus seiner Sicht 2024 der Punkt erreicht, wo er seinen Friedensappell nochmal in einer der Herzmitten Europas sagen muss. In der Ukraine ist Krieg, in Gaza, im Libanon. Der dritte Weltkrieg in Stücken, wie Franziskus das nennt, ist in vollem Gang, und die EU hat dem zu wenig entgegenzusetzen, findet der Papst. Er ist einer der wenigen verbliebenen globalen Größen, die Waffenlieferungen äußerst kritisch sehen, von überall sonst kommt ja der Ruf an Europa, zum Beispiel der Ukraine mehr Waffen zu liefern.
Also, der erste Auftritt von Franziskus bei dieser Reise war ein politischer und galt Europa.
Gudrun Sailer: Und das war dem Papst, wie überaus deutlich wurde, ein großes Anliegen. Seine letzte EU-Reise ist genau zehn Jahre her, sie führte ihn 2014 nach Straßburg. Die Weltlage ist seither erkennbar schwieriger geworden. Es war also Zeit, den Ruf zu erneuern.
Wir wurde denn Papst Franziskus überhaupt aufgenommen in Luxemburg? Es war ja seit fast 40 Jahren kein Papst mehr hier.
Gudrun Sailer: Heute Vormittag bin ich durch ein fast gespenstisch leeres Stadtzentrum von Luxemburg flaniert. Überall Absperrungen, weitaus mehr Polizisten als andere Menschen auf der Straße. Aber als der Papst dann vorbeifuhr, war die Begeisterung dann doch da, bei Regen haben sie ihm zugejubelt, wie er da in seinem weißen Fiat 500 Sport durchkam und winkte. Franziskus war zunächst beim Großherzog und seiner Frau, das luxemburgische Staatsfernsehen hat das alles live übertragen mit Sondersendung mit vielen Gästen. Man konnte sehen, der Papst ist munter und guter Dinge in seinem Rollstuhl, er ist in seinem Element auch auf dieser Reise, trotz seines Alters und seines kaputten Knies.
Am späten Nachmittag geplant: die Begegnung mit dem katholischen Luxemburg.
Gudrun Sailer: In der Kathedrale wurde gestern Abend generalgeprobt, das war sehr schön mitanzusehen. Franziskus bleibt ja nicht über Nacht, sondern nur acht oder neun Stunden, zum Mittagessen war er zu Gast beim Luxemburger Erzbischof Kardinal Hollerich, hat sich dann dort auch ausgeruht. Und er hat dort auch die Mitbewohner des Kardinals kennengelernt: eine Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine und einen Studenten aus Äthiopien, die hat Hollerich in seinem Bischofshaus aufgenommen. Franziskus hat ja ganz zu Beginn seines Pontifikats öffentlich bei einem Angelusgebet alle Pfarreien, alle Klöster, alle Bischofshäuser gebeten: Nehmt eine Flüchtlingsfamilie auf. Hollerich hat das wortwörtlich befolgt. Das ist ein Zeichen, wie die kleine und kleiner werdende katholische Gemeinschaft in Luxemburg handelt, nämlich als barmherziger Samariter, wo die Verkündigung Hand in Hand geht mit der Tat und so glaubwürdig wird.
(vatican news – gs)
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