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Bei einem Gottesdienst in Sankt Peter in Rom Bei einem Gottesdienst in Sankt Peter in Rom  (Foto: Padre Jozef Bartkovjak)

D: Liturgiker würdigt Bußakt zu Beginn der Synode

Die Weltsynode soll auf Wunsch des Papstes mit einem Bußakt beginnen. Der Bonner Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal begrüßt dies, warnt aber auch vor falschen Signalen.

Man dürfe Liturgie niemals „missbrauchen, um sich selber zu beruhigen“, sagte er im Interview mit dem Kölner Domradio. Odenthal leitet das Seminar für Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.

Interview

DOMRADIO.DE: Zum Beginn der letzten Phase der Weltsynode soll es nach dem Willen von Papst Franziskus einen öffentlichen Bußakt wegen Verfehlungen der Kirche geben, insbesondere im Umgang mit sexuellem Missbrauch. Was halten Sie von diesem Vorhaben?

Prof. Dr. Andreas Odenthal (Seminar für Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn): Es ist grundsätzlich positiv zu würdigen, eine Synode mit einem Bußakt zu beginnen: Die Kirche und ihre Mitglieder bringen darin Schuld zum Ausdruck, persönliche wie auch strukturelle, bekennen sich als bekehrungs- und vergebungsbedürftig und bitten um die Gnade Gottes. Dass dabei ausdrücklich die Verfehlungen bei sexualisierter Gewalt einbezogen werden, ist ebenfalls zu begrüßen. Wie schon seit der besonderen Karfreitagsfürbitte des Jahres 2010 ist damit zu beobachten, dass das Thema sexualisierter Gewalt auch im Gottesdienst der Kirche angekommen ist.

„Nicht die Zeichen stehen in Frage, sondern wir“

DOMRADIO.DE: Was beinhaltet so ein Bußakt nach liturgischen Gesichtspunkten?

Andreas Odenthal: Wie immer im katholischen Gottesdienst geht es auch beim Bußritus um ein Zusammenspiel von ritueller Geste und verkündigendem Wort, das zum Gebet wird. Die Kirche hat in ihrer langen Tradition ein reiches Repertoire von Bußformen entwickelt: grundlegend natürlich die Sündenvergebung in der Taufe selbst; dann weitere Formen, von der sakramentalen Beichte mit Handauflegung bis hin zur Auflegung der Asche am Beginn der Österlichen Bußzeit; vom Schuldbekenntnis in der täglichen Komplet, in jeder Messfeier bis hin zum Weihwasserritus im Sonntäglichen Taufgedächtnis, der von Sünden reinigenden Charakter hat.
Diese Formen an sich sind gut und wertvoll. Doch dürfen wir dabei nicht stehen bleiben. Im Film ‚Die große Stille‘ sagt einer der Kartäuser: ‚Nicht die Zeichen stehen in Frage, sondern wir‘. Das heißt: Es kann nicht um die Bußriten ‚an sich‘ gehen, sondern um die Frage, ob sie authentisch sind und in den konkreten Beziehungskontext passen. Das ist ein heikles Unterfangen: Liturgie muss zumindest teilweise gedeckt sein durch Beziehungsstrukturen und gelebte christliche Praxis. An diesem Punkt setzen die Fragen an.

„Liturgie muss zumindest teilweise gedeckt sein durch Beziehungsstrukturen und gelebte christliche Praxis“

DOMRADIO.DE: Kritiker solcher öffentlichen Bußakte sehen darin in erster Linie eine Symbolpolitik der Kirche, die sich sonst mit der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt schwertue. Also Buße tun gleich Schwamm drüber?

Andreas Odenthal: Das sind notwendige Fragen und Anfragen, die sich mir als Liturgiewissenschaftler immer stellen. Zunächst: Wer plant den Gottesdienst? Wer wirkt aktiv dabei mit? Dann: Ist ein solcher Bußakt wirklich hilfreich und heilsam? Was soll er bewirken? Denn wenn schlimmstenfalls nur eine Beruhigung des kirchlichen schlechten Gewissens erfolgt, setzt sich in gewisser Weise der Missbrauch fort. Hier zeigt sich: Auch die Liturgie kann man missbrauchen, um sich selber zu beruhigen und notwendige Veränderungen, etwa von Machtstrukturen, abzuwehren. Um Machtstrukturen geht es übrigens auch bei der Vorbereitung jedes Gottesdienstes.

Ich persönlich würde einen solchen Ritus nie ohne die Mitwirkung und Beteiligung von Betroffenen sexualisierter Gewalt planen. Denn um sie geht es und muss es in erster Linie gehen, nicht wieder nur um die Kirche und ihre eigene Schuld. Und hier ist vieles selbstkritisch und aufrichtig zu bedenken: Ist ein solches Ritual, sofern es – und mag es unbewusst geschehen – als Teil einer Abwehrstrategie begangen wird, nicht in seiner ursprünglich heilsamen Dimension gefährdet?

Des Weiteren darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Bitte an Gott um Vergebung zu einer impliziten moralischen Forderung auch an die Betroffenen werden kann. So finden diese sich schnell in der Rolle wieder, selber unbedingt vergeben zu sollen. Vergebung an dieser Stelle von oben einzufordern, wäre höchst fatal. Also ist schon in der Vorbereitung vieles zu bedenken: wer bittet hier in welcher Rolle und in welcher Absicht um Vergebung und: wer übernimmt Verantwortung für die Schuld, persönlich wie auch institutionell? Ein solcher Bußritus darf nicht dazu führen, dass die Verantwortung für sexualisierte Gewalt auf alle Mitglieder der Kirche gleichermaßen verteilt wird.

Die Fragen stellte Jan Hendrik Stens vom Kölner Domradio.

(domradio – sk)
 

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23. September 2024, 10:17