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Papst Johannes Paul II. (1978-2005) Papst Johannes Paul II. (1978-2005) 

Mea Culpa: Franziskus und die große Geste Johannes Pauls

Papst Franziskus hat der zweiten Vollversammlung seiner Weltsynode vom Oktober ein öffentliches „Mea Culpa“ vorgeschaltet. Der Plan wurde an diesem Montag bekannt.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Für das Sündenbekenntnis, wie Franziskus es plant, gibt es einen berühmten Präzedenzfall aus dem Jahr 2000. Johannes Paul II. war davon überzeugt, dass die katholische Kirche beim Eintritt ins neue Jahrtausend historischen Ballast abwerfen, ihr „Gedächtnis reinigen“ sollte. Viele in der Kurie versuchten, ihn von einem großen Mea Culpa für die Sünden von Katholiken im Lauf der Geschichte abzubringen. Doch der Papst setzte sich durch – und wählte die große Bühne, nämlich das Heilige Jahr 2000, für den Bußakt.

12. März 2000, im Petersdom: Mit dem Kyrie und der Allerheiligenlitanei startet der Gottesdienst zum ersten Fastensonntag. Es ist der „Sonntag der Vergebung“: Die Teilnehmenden ziehen durch die Heilige Pforte und halten an der Pietà des Michelangelo einen Moment im Gebet inne. Der 79-jährige Papst wird auf einer rollenden Plattform geschoben.

Papst Johannes Paul II. bei der Messe
Papst Johannes Paul II. bei der Messe

„Erbarme dich deiner sündigen Kinder…“

Höhepunkt der Bußliturgie sind sieben Fürbitten, die von Kurienkardinälen vor einem hölzernen Kruzifix vorgetragen werden. Lichter werden entzündet, während die Bitten um Vergebung für Judenhass, Gewalt oder Intoleranz laut werden. Auf Bitten des Papstes ist es Kardinal Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, der in St. Peter einen der sieben Fürbitten-Texte verliest.

Kardinal Ratzinger konzelebrierte bei der Feier
Kardinal Ratzinger konzelebrierte bei der Feier

„Lass jeden von uns zur Einsicht gelangen, dass auch Menschen der Kirche im Namen des Glaubens und der Moral … mitunter auf Methoden zurückgegriffen haben, die dem Evangelium nicht entsprechen.“ – Johannes Paul: „Herr, du bist der Gott aller Menschen. In manchen Zeiten der Geschichte haben die Christen bisweilen Methoden der Intoleranz zugelassen. Indem sie dem großen Gebot der Liebe nicht folgten, haben sie das Antlitz der Kirche, deiner Braut, entstellt. Erbarme dich deiner sündigen Kinder…“ Nach den Fürbitten umarmt der Papst das Kruzifix – eine Szene, die viele Menschen in aller Welt beeindruckt.

Papst Johannes Paul II. umarmt das Kruzifix
Papst Johannes Paul II. umarmt das Kruzifix

Reinigung des Gedächtnisses

In seiner Predigt geht Johannes Paul II. ausführlich darauf ein, warum er dieses große „Mea Culpa“ der Kirche wollte. „Vor Christus, der aus Liebe die Schuld unserer bösen Taten auf sich geladen hat, sind wir alle zu einer gründlichen Gewissenserforschung eingeladen. Ein charakteristisches Element des Großen Jubiläums besteht in dem, was ich als ‚Reinigung des Gedächtnisses‘ bezeichnet habe. Als Nachfolger Petri geht es mir darum, dass die Kirche, gestärkt durch die Heiligkeit, die sie von ihrem Herrn empfängt, in diesem Jahr der Barmherzigkeit vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht.“

Aus dem Radio-Vatikan-Tonarchiv: Das historische Mea Culpa Johannes Pauls II.' im Heiligen Jahr 2000

Dann greift der polnische Papst eine berühmte Formulierung auf, mit der nach dem Zweiten Weltkrieg auf Initiative von Bischöfen beider Seiten die deutsch-polnische Versöhnung in Gang gekommen ist: „Wir vergeben und bitten um Vergebung!“

Johannes Paul II. öffnet die Heilige Pforte an Weihnachten 1999
Johannes Paul II. öffnet die Heilige Pforte an Weihnachten 1999

„Wir vergeben und bitten um Vergebung“

„Während wir Gott loben, der in seiner barmherzigen Liebe einen wunderbaren Reichtum an Heiligkeit, missionarischem Eifer, vollkommener Hingabe an Christus und den Nächsten in der Kirche hervorgerufen hat, können wir nicht umhin, die Untreue gegenüber dem Evangelium anzuerkennen, deren sich einige unserer Brüder besonders während des zweiten Jahrtausends schuldig gemacht haben. Wir bitten um Vergebung für die Spaltungen, die unter den Christen entstanden sind, für den Gebrauch der Gewalt, zu dem einige von ihnen im Dienst an der Wahrheit geschritten sind, und für die bisweilen eingenommenen Haltungen des Misstrauens und der Feindseligkeit gegenüber den Anhängern anderer Religionen.“

Christen trügen ein gerüttelt Maß an Verantwortung dafür, dass es in der Welt heute viel Böses gebe. „Für den Anteil, den jeder von uns mit seinem Verhalten an diesen Bösartigkeiten hat und damit beiträgt, das Antlitz der Kirche zu entstellen, bitten wir demütig um Vergebung.“ Zugleich vergebe die Kirche auch selbst ihren Gegnern die „Belästigungen, Gewalttaten und Verfolgungen“, die viele Katholiken im Lauf der Jahrhunderte erlitten hätten.

Bei der Vergebungs-Messe
Bei der Vergebungs-Messe

Umkehr zum Evangelium

„Die Kirche von heute wie zu allen Zeiten fühlt sich in die Pflicht genommen, die Erinnerung an diese traurigen Vorfälle von jedem Gefühl der Bitterkeit und Rache zu reinigen. Das Jubiläum wird so für alle zu einer günstigen Gelegenheit für eine tiefe Umkehr zum Evangelium. Aus der Annahme der Vergebung Gottes entspringt das Bemühen um die Vergebung der Brüder und die Versöhnung untereinander.“

Johannes Paul II. beruft sich auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Darin werde Gott „treffend“ im Vater porträtiert, der „jeden verlorenen Sohn aufnimmt, der zu ihm zurückkehrt“. Dieser Abschnitt seiner Predigt vom „Sonntag der Vergebung“ könnte fast von seinem Nach-Nachfolger Franziskus stammen; der hat bei seiner ersten Predigt in der Lateranbasilika 2013 bekannt, es mache ihm immer „einen tiefen Eindruck“, wenn er „das Gleichnis vom barmherzigen Vater“ lese. „Gott wartet immer auf uns, er wird nicht müde.“ Jetzt wird also der Papst aus Argentinien an die große Geste Johannes Pauls aus dem Heiligen Jahr 2000 anknüpfen, fast ein Vierteljahrhundert später.

(vatican news)
 

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17. September 2024, 10:17