Hoffnung und Zuversicht in der heutigen Zeit Hoffnung und Zuversicht in der heutigen Zeit  (Erzdiözese Wien/ Wolfgang Seper)

Buchtipps: Freiheit, Verantwortung und Ehrfurcht

Die Bücher „Freiheit und Verantwortung“ von Timothy Radcliffe und „Ehrfurcht vor Gott“ von Klaus Zierer und Thomas Gottfried liefern wichtige Impulse zur gegenwärtigen Weltsynode im Vatikan. Während Radcliffe für eine synodale und demokratische Kirche plädiert, stellen Zierer und Gottfried Ehrfurcht als zentrale Haltung in den Mittelpunkt. Beide Werke bieten wertvolle Anregungen für die Diskussion über die Zukunft der Kirche und ihre gesellschaftliche Rolle.

Die gegenwärtige Weltsynode im Vatikan, die den gegenseitigen Hörprozess der katholischen Kirche voranbringen will, ist ein kirchenhistorischer Moment, der viele Fragen zur Zukunft der Kirche aufwirft. Die Bücher „Freiheit und Verantwortung“ von Timothy Radcliffe sowie „Ehrfurcht vor Gott“ von Klaus Zierer und Thomas Gottfried sind zwei Werke, die im Licht dieser Synode besondere Beachtung verdienen, da sie entscheidende Themen wie Synodalität, Demokratie, Spiritualität und gesellschaftliche Verantwortung aufgreifen.

„Freiheit und Verantwortung“ – Ein Plädoyer für eine synodale Kirche

Dominikanerpater Timothy Radcliffe, einer der einflussreichsten Theologen der Gegenwart, setzt sich in seinem Buch „Freiheit und Verantwortung“ für eine synodale und demokratische Kirche ein. Die versammelten Texte, die im Rahmen der ersten Sitzung der Weltsynode 2023 entstanden sind, bieten tiefgehende spirituelle und kirchenpolitische Reflexionen. Radcliffe argumentiert, dass die Kirche von den Prinzipien der Dominikaner, deren Verfassung seit über 800 Jahren eine synodale Struktur etabliert hat, viel lernen könne. Diese Perspektive ist für die gegenwärtige Weltsynode von besonderer Bedeutung, die versucht, der Kirche einen neuen Weg der partizipativen Entscheidungsfindung zu eröffnen.

P. Timothy Radcliffe
P. Timothy Radcliffe

Ein zentrales Anliegen Radcliffes ist die Spannung zwischen den Hoffnungen, die Menschen in die Kirche setzen, und den widersprüchlichen Erwartungen. Er beschreibt diesen Widerspruch als ähnlich der Erfahrung der Jünger beim letzten Abendmahl, bei dem sie eine Hoffnung empfingen, die alle menschlichen Erwartungen überstieg. Diese „Hoffnung gegen alle Hoffnung“ könnte, so Radcliffe, auch heute ein Wegweiser für die Kirche sein, die sich in einem tiefgreifenden Wandel befindet. Diese Betrachtung ist besonders relevant für die aktuelle Synode, die versucht, eine Balance zwischen Tradition und Erneuerung zu finden.

Die Beiträge Radcliffes sind nicht nur kirchenpolitisch von Bedeutung, sondern bieten auch einen spirituellen Rahmen für den Reformprozess. In der Einführung von Kardinal Michael Czerny, einem der Teilnehmer der Weltsynode, wird betont, dass Radcliffes Gedanken eine wichtige Ressource für das Verständnis der Synodalität und ihrer möglichen Umsetzung sind.

„Ehrfurcht vor Gott“ – Bildung als Grundlage einer nachhaltigen Gesellschaft

Das Buch „Ehrfurcht vor Gott“ von Klaus Zierer und Thomas Gottfried liefert eine andere, aber nicht weniger relevante Perspektive. Die Autoren setzen sich dafür ein, dass Ehrfurcht vor Gott als wichtiges Bildungsziel in einer modernen Gesellschaft verankert wird. Diese Ehrfurcht verstehen sie nicht als dogmatische Pflicht, sondern als eine demütige Haltung, die den Menschen in seiner Endlichkeit und Fehlbarkeit erkennt. Angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Kriegen und sozialer Ungleichheit sei diese Haltung wichtiger denn je, da sie zu einer verantwortungsvollen Lebensweise und einer kritischen Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen führe.

Die Idee der Ehrfurcht als grundlegender ethischer Wert hat für die gegenwärtige Weltsynode eine tiefere Bedeutung, da sie das Verhältnis der Kirche zur Welt und zu ihrer eigenen Tradition hinterfragt. Der synodale Weg erfordert eine Haltung der Offenheit und des Zuhörens – Tugenden, die durch eine ehrfürchtige Einstellung gefördert werden. Die Autoren argumentieren, dass eine Rückkehr zur Ehrfurcht auch das Potenzial habe, die Kirche wieder stärker in der Gesellschaft zu verankern und ihren Beitrag zur Werteerziehung in Schulen und Familien zu erneuern.

Verbindungspunkte zwischen beiden Werken und zur Weltsynode

Beide Bücher setzen sich auf unterschiedliche Weise mit den Themen auseinander, die die Weltsynode prägen: Radcliffe plädiert für eine synodale Struktur, die eine Beteiligung aller Gläubigen ermöglicht, während Zierer und Gottfried die moralische und spirituelle Bildung als Grundlage für eine gerechtere und nachhaltigere Welt betrachten. Die Weltsynode kann aus diesen Ansätzen lernen, indem sie den Mut aufbringt, Reformen nicht nur kirchenintern, sondern auch in der Verbindung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit zu denken.

Radcliffes Perspektive auf Synodalität als ein Weg, widersprüchliche Hoffnungen zu integrieren, findet eine Ergänzung in der Betonung von Zierer und Gottfried auf Ehrfurcht als notwendige Grundhaltung. Diese Verbindung könnte der Weltsynode helfen, eine Brücke zwischen innerkirchlichen Reformanliegen und den Herausforderungen der heutigen Welt zu schlagen. Synodalität ist nicht nur eine Frage der Struktur, sondern auch eine Frage der inneren Haltung. Die Kirche kann nur dann wirklich synodal sein, wenn sie eine Haltung der Demut und Ehrfurcht gegenüber den Menschen und der Schöpfung einnimmt.

Schulpädagogen Klaus Zierer und sein Mitarbeiter Thomas Gottfried dozieren in Augsburg
Schulpädagogen Klaus Zierer und sein Mitarbeiter Thomas Gottfried dozieren in Augsburg

Schlussfolgerung: Synodalität als Weg in eine erneuerte Kirche

Die gegenwärtige Weltsynode ist ein historischer Versuch, die Kirche auf einen neuen Kurs zu bringen. Die Bücher „Freiheit und Verantwortung“ und „Ehrfurcht vor Gott“ bieten wertvolle Einsichten, die dazu beitragen können, diesen Prozess zu gestalten. Radcliffe fordert dazu auf, die widersprüchlichen Hoffnungen der Gläubigen in einem spirituellen Rahmen zu integrieren, während Zierer und Gottfried die Notwendigkeit einer demütigen Haltung betonen, um der komplexen Welt gerecht zu werden.

Die Weltsynode steht vor der Aufgabe, diese Ansätze in konkrete Reformen zu übersetzen. Beide Werke sind als Diskussionsgrundlagen dafür geeignet, da sie unterschiedliche, aber sich ergänzende Wege aufzeigen, wie die Kirche ihre Rolle in der Welt neu definieren kann. Sie ermutigen dazu, eine Kirche zu gestalten, die synodal, demütig und gleichzeitig in ihrer Verantwortung für die Gesellschaft gestärkt ist.

Die Bücher
Die Bücher

Zum Mitschreiben

- Freiheit und Verantwortung (Gebundene Ausgabe), Plädoyer für eine synodale und demokratische Kirche von Timothy Radcliffe (Autor), Thomas Eggensperger (Herausgeber), Ulrich Engel (Herausgeber) erschienen in: Dominikanische Quellen und Zeugnisse Band 30, Herder-Verlag 2024.

- Ehrfurcht vor Gott: Über das wichtigste Bildungsziel einer modernen Gesellschaft von Klaus Zierer (Autor), Thomas Gottfried (Autor), erschienen im Verlag Waxmann 2024.

Eine Rezension von Mario Galgano.

(vatican news)

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14. Oktober 2024, 10:26