Teilnehmende der Diskussion Missio@TheSynod im Campo Santo Teilnehmende der Diskussion Missio@TheSynod im Campo Santo 

Missio@TheSynod: Wahrheit und Identität finden und zulassen

Das Motto „Truth and Identity. A Theological Debate on Plurality within the Church" (Wahrheit und Identität. Eine theologische Debatte über Pluralität in der Kirche) war der thematische Rahmen des zweiten Gesprächskreises von missio Aachen während der Weltsynode im Vatikan.

Marina Olshagen - Vatikanstadt

Missio hatte vergangenen Donnerstag zum Gesprächskreis mit sechs Theologen geladen. Die Teilnehmer diskutierten Chancen und Herausforderungen, eine gemeinsame und zugleich vielfältige Identität in Christus zu finden, das Gebet für die Glaubensbrüder und Schwestern als synodalen Akt und Perspektivwechsel zu entdecken bis zu Ideen hinsichtlich einer Pluralisierung des Kirchenrechts.

Paul Béré, burkinischer Jesuit,  begründete exegetisch anhand der vier Evangelien, dass Diversität zum christlichen Glauben gehöre. Es gäbe schlichtweg keine universale Kirche, es brauche local churches, also einen Fokus auf die örtliche christliche Gemeinschaft. „Wir sind zu fokussiert auf das Format einer universal church, einer Weltkirche." Der Aspekt des Dialoges liege für ihn in dem Gedanken: „Was passiert in meiner lokalen Kirche aus der Perspektive des anderen?“ Bérés Meinung nach sei Synodalität der Schlüssel dazu, die Identitätskrise der Kirche zu überkommmen. Dies könne nur durch Zuwendung im Geiste geschehen: „We should make their problems ours and vice verca” („Wir sollten ihre Probleme auch zu unseren machen und umgekehrt.")

Pluralität wiedergewinnen

Katholizität habe laut dem Dogmatiker Dirk Ansorge (Sankt Georgen College, Frankfurt) in der Vergangenheit bereits eine große Vielfalt überwölbt: „Die Historiker sagen uns ja, die Uniformität der katholischen Kirche ist ein Resultat des 19.Jahrhunderts, wo man sich dann gegen die Französische Revolution und den Liberalismus uniformiert hat, um die Identität der Kirche zu wahren. Das heißt, wenn wir diese Pluralität wiedergewinnen, dann ist es eben ein Wiedergewinnen, dann ist das eine katholische Tradition, die es gab, die in den letzten 200 nicht mehr dominiert hat, aber die wir jetzt in gutem Gewissen wiedergewinnen können, weil das eigentlich katholisch ist."

Pluralisierung im Kirchenrecht?  

Ansorge stellte vor diesem Hintergrund insbesondere Überlegungen zum Spielraum für eine Diversifizierung und Pluralisierung im Kirchenrecht in den Raum: „Zu schauen, ist es denkbar - ohne die Einheit der katholischen Kirche zu gefährden -, dass es da unterschiedliche Einschätzungen und unterschiedliche Regelungen gibt? Die Einschätzung bezieht sich etwa auf die Einschätzung von Sexualität. Und die Regelung betreffe dann das Kirchenrecht. Ist es vorstellbar, dass es in Teilen der katholischen Kirche die Weihe von Frauen zum Diakonat beispielsweise gibt, in anderen Teilen aber nicht?" Exemplarisch begründete er: „Wir haben in den orientalischen, in den katholischen Ostkirchen, verheiratete Priester. Warum sollte man nicht analog unterschiedliche Kirchenrechts-Konstruktionen für unterschiedliche kulturelle Bereiche zulassen, ohne damit befürchten zu müssen, dass das, was wir mit katholischer Kirche, katholischer Identität verbinden, dadurch aufgeweicht wird?“, so Ansorge.

„Ist es vorstellbar, dass es in Teilen der katholischen Kirche die Weihe von Frauen zum Diakonat beispielsweise gibt, in anderen Teilen aber nicht?“

Die Synode müsse seiner Meinung nach diese Fragen debattieren, „also welchen Grad an Pluralität in konkreten Regelungen oder Wertungen sie eigentlich bereit ist, für die Gesamtkirche zuzulassen." Er wünscht sich, dass die Synode diesen Fragen einen Raum gibt, „dass sie sagt, das können wir positiv integrieren, und dann kommen wir eben auch zur Entscheidung in der einen oder anderen Richtung, weil man dann regional mit den verschiedenen Vorschlägen der Theologen umgehen könnte und legitimiert wäre, ganz konkret zu unterschiedlichen Positionen zu kommen."

Der Dogmatiker Gaby Alfred Hachem ist überzeugt, die Kirche sei noch nicht bereit für derartige Fragen von Pluralität im Bereich von Toleranz gegenüber Verschiedenheiten der Kirche, auch, weil es sich in Afrika in großen Teilen noch um koloniale oder postkoloniale Theologie handele. Er findet den Weg der Synodalität, der seinen Ursprung ohnehin im Mittleren Osten gefunden habe, gut und richtig und befürwortet, diesen weiter zu gehen. Allerdings kritisierte er, dass im Westen „immer nur darüber geredet würde, ob Frauen nun ordiniert würden oder nicht“ und hinterfragt, wie sich Diverstiät händeln ließe. Dabei zeigte er bezüglich des theologischen Selbstverständnisses insbesondere Paul Béré die Unterschiede zu seiner Glaubenspraxis auf. Er hob für die Identität seiner Christen hervor, dass sie viel mehr inkarnatorisch und eschatologisch begründet sei und positionierte sich eindeutig: „We prefer theological devisions over uniform“ („Wir bevorzugen theologische Abweichungen gegenüber Uniformität."

Unterschiedliche Priesterausbildung  

Die Fundamentaltheologin Margit Eckolt hinterfragte Hachems Aussage: „Wer ist noch nicht bereit?“ Viele seien bereit für Veränderungen. Sie hob im Gespräch im Anschluss zudem hervor, dass die Unterschiede im Denken auch in der unterschiedlichen Priesterausbildung begründet lägen. Der Wunsch nach Veränderungen sei nicht nur wenigen Ländern des Westens gemein, sondern einer großen Menge von Katholiken weltweit. Dazu betonte Jurist Stephan Rohn, Gründer von „Frauenweihe.Jetzt“, dass bei der wenige Stunden zuvor stattfindenden Weihe von Frauen auf dem Tiber keine Partikularinteressen hervorstachen, sondern, dass die Frauen, die sich weihen ließen, aus den verschiedensten Ländern stammten.

Eine gemeinsame Identität in Christus finden

In diesem Zusammenhang hob die christliche Sozialethikerin Michelle Becka die Rolle der christlichen Identität im Westen hervor und betonte die Problematik der Kirchenaustritte aufgrund der „closed identity“ der katholischen Kirche. Gerade Europäer und Nordamerikaner verlangten eine stabile, nicht exklusive christliche Identität. Zur Identitätsfrage betonte der Moraltheologe Vimal Tirimanna (Accademia Alfonsia), dass es beispielsweise in Asien nicht darum gehe, Identität zu finden, sondern dass sich in Asien, besonders in Indien, die Menschen aufgrund ihrer starken und alten kulturellen Traditionen dem Christentum widersetzen können und dies zu ihrer Identitätsfindung nicht brauchen. Im Bereich Identität und Christentum wurden zwar starke kontinentale Verschiedenheiten festgestellt, Becka aber betonte, dass sich ihrer Meinung nach das Selbstbild der Christen nicht auf Grundlage der Institution bilden solle. „We shouldn´t need strong identity markers as our identiy is in Christ”. („Wir sollten keine identitätsstiftenden Momente benötigen, denn unsere Identität stützt und eint sich in Christus")

Synodalität als urchristlicher Aspekt

Tirimanna beschrieb Diversität als genuin christlichen Aspekt. Er betonte wie auch Becka den Fokus auf Jesus als Schlüssel zur Offenbarung und verwies auf unterschiedliche Schulen und Orden wie die Franziskaner und Dominikaner. Er hob hervor „Each case is different, one doctrine is not acceptable” (Jeder Fall ist ein Einzelfall, nur eine Lehre anzuwenden, ist inakzeptabel) sowie „Plurality perceived as diversity is healthy, plurality perceived as uniformity is dangerous.”  („Pluralität, die als Vielfalt wahrgenommen wird, ist gesund, eine Pluralität aber, die als Uniformität wahrgenommen wird, ist gefährlich.“ Die ernsthafte Beschäftigung mit den Inhalten des Zweiten Vaticanums sei selbst nach 60 Jahren in vielen Gemeinden nicht geschehen.  

Das Gesprächsformat wurde von den Teilnehmenden als bereichernd herausgestellt. Es sei hilfreich gewesen, sich in einen kurzen und intensiven Austausch zu begeben und das Gegenüber als Menschen persönlich kennenzulernen und ansprechen zu können. Die Gesprächsteilnehmer des Treffens waren Dogmatiker Dirk Ansorge (Sankt Georgen College, Frankfurt) und Gaby Alfred Hachem aus dem Libanon, die Fundamentaltheologin Margit Eckolt, der Moraltheologe Vimal Tirimanna (Accademia Alfonsia) sowie die christliche Sozialethikerin Michelle Becka. Neben den fünf Professoren aus dem Bereich der systematischen Theologie war auch ein biblischer Theologe, Paul Beré zu Gast, der am Päpstlichen Bibelinstitut lehrt.

(vatican news)

 

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18. Oktober 2024, 15:06