Pfarrer Schwartz zur Weltsynode: „Nickeligkeiten überwunden"
Radio Vatikan: Pfarrer Schwarz, was sind Ihre Eindrücke von der Synode bislang?
Pfarrer Thomas Schwartz: Mittlerweile können wir sagen, dass wir die Methode verinnerlicht haben. Das war im vorigen Jahr noch ganz anders, da musste man das erst lernen. Und das hat auch für manche Nickeligkeiten gesorgt, die jetzt überwunden sind. Von daher ist das, was wir dort tun, schon eingeübt. Und man merkt das auch in den Beiträgen, die die jeweiligen Synoden Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann auch wirklich im Plenum oder auch an den runden Tischen von sich geben. Es ist nicht mehr konfrontativ in der Form, durchaus unterschiedlich in der Positionierung, aber das ist ja auch gut so! - Eine synodale Kirche ist ja keine Einheitssuppe, in der es nur noch eine Meinung gäbe, ganz im Gegenteil: Sie soll ja gerade dazu dienen, die Vielfalt der Vorstellungen, wie Kirche sich in die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte vielleicht sogar hineinbegibt, offen zu legen und daraus das Beste zum gemeinsamen Tun herauszufiltern.
Radio Vatikan: Viele fordern konkrete Ergebnisse – welchen konkreten Output kann es Ihrer Einschätzung nach am Ende geben?
Schwartz: Wenn wir am 27.-28. Oktober die Synode abschließen würden mit dem feierlichen Gottesdienst und sagen würden: Gut, dass wir mal übereinander und miteinander und aufeinander zu uns bewegt und geredet haben, dann wäre das zu wenig, das wäre ein Misserfolg. Das ist auch nicht das, was der Heilige Vater uns allen, die wir dort beteiligt sind, aufgetragen hat. Er hat ganz bewusst uns aufgetragen, hier zu zeigen auf weltkirchlicher Ebene, dass das, was er für die ganze Kirche insgesamt als der Weg in die Zukunft erkannt hat, möglich ist! Und ich glaube, allein, dass das so geschehen ist, dass sich da wirklich Fronten auch friedlich und freundlich zeigen können, die natürlich bestehen, ist schon ein Erfolg! Aber der Erfolg wird erst dann zu einem Wesenszug der Kirche werden, wenn wir das umzusetzen lernen bis in die kleinsten Kapillaren unserer gemeindlichen diözesanen Gliederungen.
Radio Vatikan: Was bedeutet das?
Schwartz: Das bedeutet wirklich, das, was wir auf dieser Synode besprochen haben, beispielsweise Dezentralisierung im Sinne von Zutrauen, dass Bischöfe, dass Ortskirchen, dass Bischofskonferenzen oder auch Plenarkonzilien von Kontinenten, Kontinentalversammlungen, wirklich etwas für sich Wichtiges entscheiden können – dass das Erfolg hat, dass das das Leben erleichtert der Christinnen und Christen, dass das hilft, eine missionarische Kirche zu sein. Und das ist ja unser Auftrag. Wir sind ja nicht Christen, damit wir sagen: Wie schön, dass wir Christen sind, sondern damit wir weitererzählen können, dass Christus die Welt erlösen will. Und dazu sind wir eingeladen, das ist die Aufgabe auch der Synode, und das müssen wir bis in die Pfarreien hinein lernen. Und wenn dort partizipative, das heißt Elemente der Teilhabe von allen Beteiligten im Inneren der Kirche, aber auch von denen, die getauft sind und uns als ökumenische Geschwister begleiten, aufgenommen werden, dann ist das eine Bereicherung, die wir wirklich auch brauchen.
Schwartz: Ich bemerke schon in der Aula immer wieder bei Einzelnen oder bei vielen Wortbeiträgen, die die Bischöfe und andere dann machen, eine gewisse Angst, nicht zu wissen, ob man wirklich so nach vorne gehen kann, dass man dabei die Einheit der Kirche nicht explodieren lässt. Ich glaube, das ist die größte Sorge, die viele umtreibt. Wie schützen wir denn eigentlich unsere Identität in der Katholizität, in der großen Gemeinschaft von 1,4 Milliarden Katholiken? Dass man, wenn man einzelne Wege geht, die vielleicht andere nicht mitgehen, das haben wir ja bei verschiedenen Bereichen gesehen – ich erinnere nur an das Dokument Fiducia supplicans, das ja bei einer kontinentalen Bischofskonferenz, nämlich in Afrika, wirklich ausgebremst worden ist. Das darf sein. Das ist in Ordnung. Andere haben das begrüßt. Diese Vielfalt ist doch eher ein Zeichen dafür, dass es schon mal anfängt mit Synodalität. Aber diese Angst bei vielen Wortbeiträgen ist immer noch da, dass man nicht weiß, wo geht das hin und wie können wir das steuern. Das ist aber nicht die Haltung, die eigentlich einen Christen auszeichnen muss.
Habt keine Angst!
Radio Vatikan: Nämlich?
Schwartz: Mich erinnert das immer an das Wort, das 1978 der heilige Johannes Paul II bei seiner Einführungsmesse der Welt zugerufen hat, den Christen zugerufen hat: ,Non abbiate paura, habt keine Angst!‘ Das war für mich einer der Gründe, warum ich Priester geworden bin. Ich habe gesagt: Wenn der mir sagt, ich brauche keine Angst zu haben, dann lässt du dich mal darauf ein. Und in dieser Analogie keine Angst zu haben - neue Wege zu gehen, auch Veränderungen im Blick auf Zugang von vielen anderen, von denen wir das im Moment noch nicht glauben, dass das möglich sein könnte, zu Diensten in der Kirche, Frauen oder die Bereitschaft, anderen Menschen, die sich marginalisiert von uns fühlen, wiederverheiratete Geschiedene, LGBTQ plus, polygam lebende Menschen… Das sind ja viele Gruppen, die sich ausgegrenzt fühlen. Denen zu zeigen: Ihr werdet gehört, ihr seid auf dem Schirm einer synodalen Kirche, ihr seid mit in der Mission beinhaltet. Darauf sollen wir uns eigentlich mutig zubewegen. Und da brauchen wir einfach eine große Begeisterung im wahrsten Sinne des Wortes, die uns die Angst nimmt.
Radio Vatikan: Geht die Tendenz jetzt in Richtung Kontinentalversammlungen, Partikularkonzilien auch für Europa?
Schwartz: Das weiß ich nicht genau. Aber ich glaube schon, dass das als eine wichtige Möglichkeit angesehen wird von vielen in der Synodenaula, die Synodalität wirklich griffiger und vor Ort umsetzbarer zu machen. Es kann ja nicht sein, dass wir uns jetzt alle paar Jahre zur Synodalität weltkirchlich treffen, sondern das muss jetzt wirklich dort, wo die Menschen in ihren Umfeldern, in ihren Kontexten, wie es ja auch immer in dem Instrumentum laboris, also dem Arbeitsdokument, auch heißt, verortet sind, tatsächlich die Antworten zu suchen, die Synodalität dort dann auch erfordert. Es gibt sicherlich Antworten, die in dem einen Kontinent oder in dem einen Umfeld – es können auch neue Kontinente gefunden werden, man denke nur an Amazonien oder an das Mittelmeerische, wo Glaubensvielfalt, kulturelle Vielfalt, aber auch staatliche Vielfalt auch zusammenkommen und die sichtbar werden in einer Menge von Flüchtlingen – dass das wirklich gelebt werden kann. Ich bin der Meinung, dass da auch was im Schlussdokument zu stehen wird.
Das Interview führte Stefan von Kempis für Vatican News/Radio Vatikan
(vatican news – sk/pr)
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