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Vatikan maßregelt Schweizer Kirchenvertreter

Einige Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) haben eine förmliche Zurechtweisung aus dem Vatikan erhalten: Hintergrund ist Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch.

Im Juni 2023 hatte das Dikasterium für die Bischöfe den Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain beauftragt, eine kanonische Voruntersuchung durchzuführen, um „verschiedenen Vorwürfen gegen einige Schweizer Bischöfe nachzugehen", heißt es in einer Stellungnahme der SBK. Grundlage war ein Dossier, das der Priester Nicolas Betticher eingereicht hatte. 

In Zusammenarbeit mit dem Neuenburger Kantonsrichter Pierre Cornu und der Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich Brigitte Tag seien persönliche Gespräche, Befragungen und Analysen verschiedener Dokumente aus den Archiven durchgeführt worden, so die Stellungnahme weiter. Die Ergebnisse seien Anfang 2024 an das Dikasterium für die Bischöfe in Rom weitergeleitet worden, erinnert das SBK-Statement.

Das Dikasterium für die Bischöfe unter der Leitung von Kardinal Robert Francis Prevost habe nun in seiner Prüfung das Verhalten als „nicht korrekt erachtet“, es habe sich herausgestellt, „dass die im kanonischen Recht vorgesehenen Verfahren nicht ordnungsgemäß befolgt wurden“.

Die festgestellten Unregelmäßigkeiten sind offenbar schwerwiegend genug, dass der Vatikan eine klare Rüge ausgesprochen hat: „Aufgrund dieser formalen Irregularitäten erteilte das Dikasterium für die Bischöfe kanonische Rügen“, schreibt die SBK. Das Dikasterium fordere „die gesamte Schweizer Bischofskonferenz auf, künftig aufmerksamer zu agieren, die gemeldeten Missbrauchsfälle mit größter Sorgfalt und Fachkenntnis zu behandeln und dabei alle geltenden Normen des Ermittlungsverfahrens strikt einzuhalten.“

Kein formelles Verfahren eingeleitet

Es hätten sich hingegen „keine Hinweise auf strafbare Vergehen, Vertuschung, Nachlässigkeit oder Fehler, welche die Einleitung eines kanonischen Strafverfahrens erforderlich machen würden“ gefunden, schreibt die SBK nun. Dies bedeutet, dass die betroffenen Schweizer SBK-Mitglieder sich keinem weiteren formellen Verfahren unterziehen müssen.

Bei den Bischöfen, in deren Zuständigkeitsbereich die beanstandeten Tatbestände fallen, handelt es sich um die amtierenden Bischöfe Jean-Marie Lovey vom Bistum Sitten und Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg sowie Weihbischof Alain de Raemy, der als Apostolischer Administrator im Tessin wirkt, ebenso betrifft die Maßregelung Territorialabt Jean Scarcella von der Abtei Saint-Maurice. Dazu kommen der pensionierte Weihbischof Peter Bürcher und der pensionierte Erzbischof Jean-Claude Périsset.

Bischöfliches mea culpa

Die Mitteilung der Bischofskonferenz liest sich reumütig und bußfertig. Die Mitglieder der Bischofskonferenz „bedauern zutiefst die Fehler, Versäumnisse und die Unterlassungen in der Anwendung der kanonischen Normen, welche das Dikasterium für die Bischöfe festgestellt hat“. Sie befänden sich „in einem Lernprozess und möchten ihren Willen erneut zum Ausdruck bringen, durch ihre Aufmerksamkeit, ihre Sorgfalt, eine bessere Kenntnis der kirchenrechtlichen Verfahren sowie die Fortsetzung der bereits eingeleiteten nationalen Maßnahmen gegen die Missbräuche in der Kirche entschiedener vorzugehen. Dies soll nicht zuletzt durch eine professionelle Präventionsarbeit erreicht werden.“

Natürlich trügen die Bischöfe „eine schwerwiegende Verantwortung bei der Behandlung von Berichten bezüglich mutmaßlicher Missbräuche oder Vertuschungen“. Gleichzeitig müssten sie ebenfalls „die grundlegenden Rechtsprinzipien beachten, wie die Unschuldsvermutung bis zum endgültigen Urteil, den vollen Schutz aller Beteiligten, insbesondere der betroffenen Personen“. Daher seien sie verpflichtet, mit der Berichterstattung über Fälle sorgfältig umzugehen und müssten die Anwendung von Vorsichtsmaßnahmen bei Vorliegen plausibler Tatsachen gewissenhaft abwägen.

In seinen Schreiben habe Kardinal Prevost die von den Mitgliedern der SBK in den letzten schwierigen Jahren gemachten deutlichen Fortschritte anerkannt, schreibt die SBK. Dabei sei man in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen effizienter geworden, indem in der Schweiz zunehmend qualifiziertes Personal angestellt, sowie mit unabhängigen Institutionen intensiver zusammengearbeitet werde.

Weitere Briefe folgen

Die betroffenen Schweizer Bischöfe dürften mit einer Rüge aus Rom gerechnet haben. Dessen ungeachtet haben sie sich jedoch dafür eingesetzt, dass eine möglichst klare und zeitnahe Stellungnahme aus Rom erfolgt. Noch im Juni 2024 hatte die SBK eigener Aussage nach schriftlich auf die Antwort gedrängt, die jetzt, weitere vier Monate später, eingetroffen ist.

Einige der betroffenen Bischöfe haben laut der SBK bereits persönliche Antworten aus Rom erhalten. Sie würden diese ebenfalls direkt kommunizieren, heißt es von der SBK. Drei persönliche Schreiben sollten noch folgen.

(kath.ch/pm - cs)

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18. Oktober 2024, 13:06