Rabbiner: Jüdisch-Christlicher Dialog vor großen Veränderungen
„Wir leben wirklich in historischen Zeiten: Niemals zuvor waren sich Juden und Christen so nahe wie heute, nie zuvor haben sie enger zusammengearbeitet und nie zvuor gab es eine größere Chance, gemeinsam, partnerschaftlich, als Geschwister im Glauben an den einen Gott, die Welt zu einem besseren Ort zu machen", so Ahrens. Gleichzeitig sei die Dialogarbeit damit aber „nicht getan", sondern „fängt gerade erst an", da ein Generationenwechsel der Dialogpartner anstehe.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe sich der Dialog gerade in Deutschland vor dem Hintergrund der NS-Judenvernichtung und der daraus resultierenden Gedenk- und Versöhnungsarbeit entwickelt. Diese Seite des Dialogs sei nach wie vor eine wichtige Triebfeder, unterstrich Ahrens, zugleich aber seien durch das Sterben der Zeitzeugen und das Hineinwachsen jüngerer Generationen auf beiden Seiten neue Themen und Herausforderungen hinzugekommen. „Während der Dialog oft sehr christlich geprägt war und ist, muss es nun Aufgabe sein, die jüdische Seite mehr in den Dialog zu nehmen. Das gelingt aber nur, wenn die jüdische Seite verstanden und ernstgenommen wird".
Auch gebe es einen Mangel bei der Repräsentanz der ganzen Breite des Judentums in Dialog-Initiativen und bei der thematischen Breite: eine säkularer, ja, religionskritischer werdende Gesellschaft gehöre ebenso thematisch im Dialog bedacht wie Fragen einer zeitgemäßen Christologie, der Bedeutung des Landes Israel oder auch die Frage nach einer "jüdischen Theologie des Christentums".
Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs
In seinem Vortrag, der unter dem Titel „Die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs. Chancen, Risiken und notwendige Schritte" stand, skizzierte Ahrens eingangs die wechselhafte Geschichte von Judentum und Christentum. Neben Phasen grassierender Antijudaismen und eskalierenden Judenhasses auf christlicher Seite habe es auch auf jüdischer Seite immer wieder unterschiedliche Phasen der Annäherung an das Christentum gegeben. Letztlich seien jedoch alle Dialogbemühungen durch die Geschichte hindurch immer wieder „enttäuscht" worden.
Mit der Machtübernahme der Nazis in Deutschland habe sich die Situation nochmal zugespitzt. Zugleich seien aber schon während des Krieges und kurz danach erste christlich-jüdische Gesellschaften in Europa entstanden - und auch auf den drei christlich-jüdischen Konferenzen 1946 in Oxford, 1947 in Seelisberg und 1948 in Fribourg seien dann „die inhaltlichen und organisatorischen Weichen für den Dialog gestellt worden, wie wir ihn heute haben".
Eine „geradezu revolutionäre" Wende habe dann die Erklärung „Nostra Aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) gebracht, erinnerte Ahrens. Ähnliche Fortschritte gab es auch auf evangelischer Seite. „Diese Erklärungen und die jahrelange Begegnung und Zusammenarbeit führten langsam zu Vertrauen und einer echten Partnerschaft zwischen Christen und Juden" - eine Partnerschaft, die es heute weiterzuentwickeln gelte.
(kap – gs)
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