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Schweiz: Bischof kritisiert Kürzungen in der Entwicklungshilfe

Der Bischof von Chur, Josef Maria Bonnemain, reagiert mit scharfer Kritik auf die Entscheidung des Schweizer Parlaments, 250 Millionen Franken (ca. 266 Millionen Euro) bei der internationalen Zusammenarbeit einzusparen. Er warnt vor den moralischen und humanitären Folgen dieser Kürzungen und fordert eine Rückbesinnung auf christliche Werte und die humanitäre Tradition der Schweiz.

Die Entscheidung des Schweizer Parlaments, im kommenden Jahr 250 Millionen Franken bei der internationalen Zusammenarbeit einzusparen, hat scharfe Kritik ausgelöst. Der Bischof von Chur, Josef Maria Bonnemain, zeigt sich tief enttäuscht und besorgt über die geplanten Kürzungen und das Signal, das die Schweiz damit in die Welt sende. „Als Christ, Katholik und Bischof von Chur kann ich nicht mehr schweigen: Ich bin schockiert“, erklärt Bonnemain in einer Pressemitteilung von diesem Donnerstag. Der Betrag sei nicht nur ein erheblicher Einschnitt für internationale Projekte, sondern auch ein Widerspruch zu den Werten, die die Schweiz traditionell vertreten habe.

Die Schweiz, das Geburtsland des Roten Kreuzes und ein Land, das weltweit für seine „guten Dienste“ bekannt sei, laufe Gefahr, ihre Rolle als humanitärer Akteur zu verlieren, so Bonnemain. Die Kürzung der Mittel für die Entwicklungshilfe könnte das Ansehen der Schweiz als Friedensstifter und Förderer der globalen Stabilität beschädigen. „Wie will die Schweiz in Zukunft noch die Etikette der humanitären Tradition, der Förderung von Frieden und Stabilität, der Vermittlerin in Konfliktsituationen auf ihre Fahne schreiben?“ fragt der Bischof. Bonnemain stellt in den Raum, ob internationale Institutionen wie die UNO ihre Standorte in der teuren Schweiz behalten sollten, wenn das Land sich zunehmend von seinen humanitären Verpflichtungen zurückziehe.

Humanitäre Tradition und christliche Werte in Gefahr

Für Bonnemain sind die geplanten Einsparungen nicht nur ein finanzielles, sondern vor allem ein moralisches Problem. Er betont die historisch gewachsene Identität und die christlichen Werte der Schweiz, die in Zeiten der größten globalen Krisen der Gesellschaft Stabilität gegeben haben. Im Jahr 2023 habe die Schweiz lediglich 0,43 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe ausgegeben – weit entfernt vom internationalen Ziel von 0,7 Prozent. Bonnemain nennt diese Zahl ein „Armutszeugnis“ für eines der reichsten Länder der Welt, das sogar hinter zahlreichen europäischen Nachbarn liege.

„Diese Herausforderungen sind der Nährboden für Extremismus und Radikalisierung...“

„Und davon will man nun nochmals 250 Millionen Franken abziehen? Im Ernst?“ fragt Bonnemain und appelliert an das Gewissen der Schweizer Politik. „Wachsende Armut, Kriege, Krisen und der Klimawandel nehmen Menschen weltweit ihre Lebensgrundlagen. Diese Herausforderungen sind der Nährboden für Extremismus und Radikalisierung – sind das die Samen, die wir säen wollen?“

Entwicklungsförderung als Grundlage des Friedens

Bonnemain verweist auf wissenschaftliche Studien und Erfolge der internationalen Entwicklungsarbeit. Trotz des globalen Bevölkerungswachstums sei die Zahl der Menschen in extremer Armut um mehr als die Hälfte zurückgegangen, und auch die Unterernährung sowie Analphabetismus und Kindersterblichkeit seien deutlich gesunken. Diese positiven Entwicklungen seien das Ergebnis jahrelanger Investitionen in die Entwicklungshilfe. Doch diese Erfolge könnten gefährdet sein, wenn die Unterstützung aus den reichen Ländern zurückgehe.

Auch Papst Franziskus und die Diplomatie des Vatikans würden sich weiterhin für eine gerechtere und friedliche Welt einsetzen, erinnert Bischof Bonnemain in seiner Mitteilung. Der vatikanische Außenminister Erzbischof Paul Richard Gallagher habe jüngst die Friedensmission des Heiligen Stuhls und die moralische Verpflichtung zur Menschlichkeit betont. Der Papst habe immer wieder die immensen Militärausgaben vieler Staaten angeprangert und stattdessen einen internationalen Fonds für Frieden, Ernährungssicherheit und Entwicklung vorgeschlagen. Bonnemain sieht in diesen Vorschlägen Vorbilder für die Schweiz, sich aktiv für Frieden und Stabilität einzusetzen.

„Wo setzen wir ein Zeichen der Hoffnung in dieser immer düster werdenden Weltperspektive?“

Ein Appell an die Menschlichkeit

„Wo setzen wir ein Zeichen der Hoffnung in dieser immer düster werdenden Weltperspektive?“ fragt Bonnemain eindringlich und fordert, dass die Schweiz ihrer Verantwortung nachkommt. Als Bischof von Chur sei es ihm ein tiefes, christliches Anliegen, sich für den Weltfrieden und die Armutsbekämpfung einzusetzen. Die Förderung von Bildung und die Bekämpfung von Armut seien für ihn die Grundpfeiler einer friedlichen Welt.

Im Namen der Menschen, die unter Armut und Krisen leiden, richtet Bonnemain seinen Appell an die Schweizer Politik: „Wir alle sind Schwestern und Brüder, eine weltumspannende Familie. Entwicklungsförderung und Bildung sind das unersetzliche Fundament des Friedens.“

(pm - mg)

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15. November 2024, 11:15