Österreich: „Es ist ihr Land, genauso wie es unser Land ist“
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Viele Menschen würden die Religionen als Ursache für Konflikte ansehen, sagte Schönborn gegenüber der Agentur kathpress. Dem müsse man sich stellen. „Und wir sind gemeinsam überzeugt davon, dass Religionen nicht das Problem, sondern zumindest ein wichtiger Teil der Lösung des Problems sind", so der Kardinal. Ihm sei es nach 30 Jahren als Erzbischof von Wien ein großes Anliegen, das Engagement für ein friedliches Miteinander der Religionen in Wien „und hoffentlich darüber hinaus" ein weiteres Mal zu bekräftigen.
In den vergangenen Jahrzehnten hätten die Religionen engagiert daran gearbeitet, „die Wunden der Vergangenheit zu benennen“ und Wege der Versöhnung zu gehen. Er denke daran, was in Österreich den Jüdinnen und Juden angetan wurde, so der bald 80 Jahre alte Kardinal.
Mit dem Islam habe Österreich eine lange, kontroverse und auch kriegerische Geschichte. Inzwischen gebe es im Land eine starke muslimische Präsenz. „Und es ist für uns als Christen sehr wichtig, dies anzuerkennen und zu sagen: 'Diese Menschen sind Österreicherinnen und Österreicher. Es ist ihr Land, genauso wie es unser Land ist.'" Schönborn fügte einen Wunsch hinzu: „Seien wir dankbar, dass sie an Gott glauben und versuchen, ihr Leben an den Geboten Gottes zu orientieren. Das ist eine gemeinsame Basis, die für unser Zusammenleben wichtig ist."
Kardinal Schönborn würdigte auf Nachfrage auch die guten gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Religionen. Deren staatliche Mitverantwortung für das Gemeinwohl werde gesehen, anerkannt und auch gefördert. „Das ist eine besondere Situation in Österreich, für die wir sehr dankbar sind."
Am Donnerstag unterzeichnete der Kardinal mit Oberrabbiner Jaron Engelmayer und dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ümit Vural, die „Wiener Erklärung“ zur Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften für den Frieden und für ein gutes Miteinander in der Gesellschaft. Man verurteile entschieden jeglichen Missbrauch von Religion zur Anstiftung oder Rechtfertigung von Terror und Gewalt und trete gegen jede Form von Diskriminierung und Bedrohung religiösen Lebens auf. Jede und jeder sei gefordert, sich für ein friedliches und respektvolles Miteinander in Wien einzusetzen, heißt es in der „Wiener Erklärung", die die drei Religionsvertreter im Wiener Erzbischöflichen Palais unterfertigten.
IGGÖ-Präsident Vural dankte Schönborn für die Einladung zur gemeinsamen Erklärung wie auch für die vielen früheren Begegnungen und Initiativen. Der interreligiöse Dialog sei eine wichtige Säule, um den Frieden und Zusammenhalt im Land sicherzustellen. „Wir dürfen dankbar sein, dass wir in einem Land leben, wo wir als Religionsgemeinschaften einen ehrlichen und wertschätzenden Austausch pflegen können“, sagte Vural gegenüber kathpress. Österreich möge in dieser Hinsicht Vorbild sein, auch über die eigenen Grenzen hinweg. „Der Islam ist Teil dieses Landes“, so Vural weiter. „Wir gehören zu diesem Land und gemeinsam wollen wir die Zukunft dieses Landes gestalten. Wir wollen eine Gesellschaft haben, in der Respekt und Wertschätzung, Mitgefühl und Menschlichkeit bestimmend sind."
Lob für Schönborn-Initiative
Oberrabbiner Engelmayer würdigte ebenfalls die Initiative von Kardinal Schönborn zur Erklärung und betonte, dass es kein Selbstläufer sei, dass die Religionsgemeinschaften sich in Österreich so gut verstehen, den Austausch pflegen und auch ein gemeinsames Zeichen wie das heutige setzen können. „Wir zeigen hiermit, dass Religionen miteinander friedlich und respektvoll umgehen können, dass man sich gegenseitig als Bereicherung erfährt und miteinander in diesem Land friedlich leben möchte und kann“, so Engelmayer.
Die „Wiener Erklärung" im Wortlaut:
„In Wien gibt es eine gute, tragfähige und konstruktive Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften. Sie ist auch Frucht eines langjährigen Dialogs in unserer Stadt. Aus dieser Erfahrung und aus unserer gemeinsamen Verantwortung setzen wir uns für den Frieden ein - in der Überzeugung, dass der Glaube eine kraftvolle Basis für ein friedliches Zusammenleben sein kann.
Entschieden verurteilen wir jeglichen Missbrauch von Religion zur Anstiftung oder Rechtfertigung von Terror und Gewalt. Zugleich treten wir gegen jede Form von Diskriminierung und Bedrohung religiösen Lebens auf. Wir verpflichten uns, das gegenseitige Verständnis und den Zusammenhalt in unseren Religionsgemeinschaften mit aller Kraft zu stärken.
Wir appellieren an unsere Gemeinden und an alle Menschen, die in Wien leben, sich unermüdlich für den Erhalt des friedlichen und respektvollen Miteinanders in unserer Stadt einzusetzen."
(vatican news – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.