Österreich: „Wir sind nicht mehr so viele“
„Wir sind nicht mehr so viele religiöse Menschen, die sich politisch engagieren“, erklärte die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak am Freitag bei der Österreichischen Pastoraltagung 2025 in Salzburg. In ihrem Vortrag ortete sie dringenden Handlungsbedarf für Religion und Gesellschaft. Dazu gehörte die Förderung von Bildung im Bereich politischer und religiöser Ethik, die Reflexion autoritärer Gottesbilder und die Schaffung von partizipativen Strukturen innerhalb religiöser Organisationen. Denn: „Eine Demokratie braucht politisch wie spirituell gebildete Christinnen und Christen.“
Als problematisch betrachtete die Pastoraltheologin die ambivalente Wirkung religiöser Zugehörigkeit auf die Demokratie. Polak stützte sich auf die Studie „Was glaubt Österreich?“, die von der Universität Wien und dem ORF durchgeführt wurde. Demnach kann die konfessionelle Zugehörigkeit sowohl demokratische Werte stärken als auch autoritäre Tendenzen begünstigen.
Die autoritäre Versuchung
Während religiöse Menschen tendenziell mehr Vertrauen in Institutionen zeigen, offenbart die Analyse auch eine erhöhte Präferenz für autoritäre Führungsstrukturen. Besonders problematisch seien religiöse Praktiken, die Exklusivität und Abgrenzung fördern, wie die Ablehnung von Asylsuchenden oder bestimmten religiösen Minderheiten, so Polak.
Die Analyse zeige, dass religiöse Menschen, die aktiv an Kirchenleben teilnehmen, tendenziell eine stärkere Zustimmung zu autoritären Führungspersönlichkeiten zeigten, erläuterte die Theologin. Religiöse Praktiken wie regelmäßige Gottesdienstbesuche und Gebete korrelieren folglich mit einer höheren Präferenz für autoritäre Regierungsformen. Dies könne auch zu einer problematischen Haltung gegenüber demokratischen Strukturen führen.
So bevorzugen 19 Prozent der religiösen Befragten einen „starken Führer“ - deutlich mehr als der Durchschnitt von 15 Prozent. Besonders aktive Mitglieder religiöser Organisationen neigen dazu, die Demokratie skeptischer zu sehen. Dies könne in Folge zu einer problematischen Haltung gegenüber demokratischen Strukturen führen, mahnte die Religionssoziologin.
Ethische Grundbildung als Schlüssel
„Die liberale Stimme innerhalb religiöser Gemeinschaften ist kaum noch sichtbar, und viele dieser Gemeinschaften sind intern wenig pluralistisch“, merkte Polak an. Religion könne folglich ein Risikofaktor für eine funktionierende Demokratie sein. Das mache eine verstärkte ethische Grundbildung notwendig - nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Polak argumentierte dies mit der Überlegung, dass die demokratisch begründete Freiheit für Gläubige nicht nur die Freiheit mitbringe, sich Gott anzunähern, sondern auch eine „Verantwortung für die Demokratie, die von allen getragen werden muss - auch von Christinnen und Christen“.
Mit Blick auf die Gesamtgesellschaft führte Polak aus, dass es laut Studie zwar eine hohe gesellschaftliche Bereitschaft gebe, Religion als Ressource zu nutzen, „allerdings nur dann, wenn es um individuelle Funktionen und Werte geht - wie Hilfe und Halt im Leben“. Wenn es um politische Fragen geht, verringere sich die Unterstützung für religiöse Institutionen - wie für den Religionsunterricht oder die finanziellen Zuschüsse für die Kirche.
(kap – sk)
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