Missionar der Barmherzigkeit Austen: „Wir sind nicht allein unterwegs“
Mario Galgano - Vatikanstadt
„Als ich von Papst Franziskus zum Missionar der Barmherzigkeit überraschenderweise ernannt wurde, habe ich mich einerseits sehr gefreut, aber gleichzeitig gefragt: Wie kann ich diesen besonderen Auftrag umsetzen?“ erinnert sich Monsignore Austen. Die Missionare der Barmherzigkeit wurden während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit 2016 eingeführt. Ihre Aufgabe ist es, besonders in der Beichte und der Seelsorge Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit zu setzen.
Doch Austen beobachtet, dass die ursprüngliche Dynamik dieser Initiative nachgelassen hat. „Heute hat es im Alltag nicht mehr die Bedeutung, die es zu Beginn hatte“, gibt er zu. Umso wichtiger sei das jährliche Treffen der Missionare in Rom, bei dem sie sich über ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig stärken. „Es tut gut zu wissen, dass wir nicht allein unterwegs sind mit unserem Anliegen, sondern gemeinsam mit dem Papst die Botschaft der Barmherzigkeit in die Welt tragen.“
Das Heilige Jahr 2025: Pilger der Hoffnung
Das derzeitige Heilige Jahr 2025 steht unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“. In diesem Zusammenhang betont Austen die Bedeutung der Pilgerschaft – sowohl im geistlichen als auch im persönlichen Sinne:
„Ich finde es sehr schön, mir bewusst zu machen, dass mein ganzes Leben eine Pilgerreise ist. Pilgern bedeutet, immer wieder aufzubrechen – mit den Herausforderungen, den Sehnsüchten und den Fragen der Welt und des eigenen Lebens.“ Gleichzeitig sei es wichtig zu erkennen, dass diese Reise nicht ziellos ist: „Wir haben ein Ziel. Und ich glaube, wir brauchen heute nichts dringender, als uns daran zu erinnern: Wir sind nicht grundlos unterwegs.“
Ein zentrales Symbol für diese Pilgerreise sei die Heilige Pforte, die zu Beginn des Heiligen Jahres in Rom geöffnet wurde. „Christus öffnet Türen – aber wir müssen uns fragen: Wo können wir selbst Türen in die Welt öffnen? Wo können wir Hoffnung schenken? Wie können wir Türöffner für andere werden?“
Gerade für die katholische Diaspora sei das Heilige Jahr eine wichtige Gelegenheit zur Vergewisserung und Stärkung. „Es gibt vielen Menschen den Anstoß, sich neu mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen und zu spüren: Ich bin nicht allein unterwegs.“ Das zeigte sich bereits im Februar dieses Jahres, als über 1.000 Gläubige aus den nordischen Ländern nach Rom pilgerten. „Der Papst hat ihnen gesagt: Ihr könnt mit Hoffnung gestärkt an eure Orte zurückkehren. Denn Glaube braucht eine Verortung und eine Bestätigung.“
Herausforderungen für die Kirche in Deutschland
Doch während das Heilige Jahr Gläubige weltweit inspiriert, steht die Kirche in Deutschland vor großen Herausforderungen. Die neuesten Kirchenaustrittszahlen sind alarmierend: Über 300.000 Menschen haben die katholische Kirche allein im vergangenen Jahr verlassen. „Das ist eine Großstadt“, stellt Austen bedrückt fest. „Hinter jeder dieser Zahlen steckt ein Mensch mit seiner eigenen Geschichte und Entscheidung.“
Doch einfach nur die Zahlen zu beklagen, sei nicht genug. „Wir wollen uns nicht damit abfinden“, betont er. Es gehe darum, die Gründe für die Austritte ernst zu nehmen und in einen Dialog mit den Menschen zu treten. „Viele von ihnen sind nicht von heute auf morgen ungläubig geworden. Es geht darum, Berührungspunkte zu finden: Wo sind die Menschen in ihrem Glauben? Wie können wir mit ihnen ins Gespräch kommen?“
Das Bonifatiuswerk widmet sich genau dieser Herausforderung. Mit der Initiative „Drinnen, draußen, nirgendwo“ versucht das Hilfswerk, eine Brücke zu jenen Menschen zu bauen, die sich von der Kirche entfernt haben. „Wir wollen mit Seelsorgern und Theologen gemeinsam überlegen, wie wir Menschen ansprechen und ihnen Räume bieten können, in denen sie sich mit ihrem Glauben auseinandersetzen können.“
Austen verweist auf neue Formen der Glaubensvermittlung, die sich an veränderte Lebensrealitäten anpassen müssen. „Es geht um die Frage: Wo erleben Menschen Glaubensgemeinschaft? Wo fühlen sie sich aufgehoben? Und wie können wir die Frohe Botschaft so vermitteln, dass sie in einer sich wandelnden Welt Relevanz hat?“
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle der Frauen in der Kirche. „Welche Bedeutung haben Frauen für die Zukunft der Kirche? Das ist eine Frage, die wir nicht ignorieren können“, betont er.
Diaspora-Kirche: Zwischen Herausforderung und Hoffnung
Als Generalsekretär des Bonifatiuswerks ist Austen mit der Situation der Diaspora-Kirche in Nordeuropa und anderen Regionen bestens vertraut. Besonders beeindruckt hat ihn der Besuch in Island, wo die katholische Kirche nur etwa drei Prozent der Bevölkerung ausmacht. „Dort wird nach Jahren der Genehmigungen endlich eine neue Kirche gebaut. In einer solch kleinen, aber wachsenden Gemeinschaft ist das ein starkes Zeichen der Hoffnung.“
Ein weiteres Beispiel ist ein Karmelitinnenkloster im isländischen Hafnarfjördur, das Menschen in der Diaspora einen Ort des Gebets und der Begegnung bietet. „Die Schwestern öffnen ihre Türen für alle, die mit ihren Fragen, Sorgen und Hoffnungen kommen. Das ist gelebte Barmherzigkeit.“
Trotz der Herausforderungen blickt Austen mit Hoffnung in die Zukunft. „Die Kirche verändert sich, ja – aber das bedeutet auch eine Chance. Es geht darum, neue Wege zu finden, um den Glauben lebendig zu halten. Und das Heilige Jahr ist eine wunderbare Gelegenheit, uns daran zu erinnern: Wir sind nicht allein unterwegs.“
(vatican news)
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