Chile: Missbrauchsskandal macht nach wie vor zu schaffen
Christine Seuss - Vatikanstadt und Luca Collodi - Santiago de Chile
Chile, betont der Nuntius, sei ein vielschichtiges und ressourcenreiches Land, das jedoch vor zahlreichen Problemen stehe. Mit großer Hoffnung erwarte es den Besuch des Papstes „von nebenan“, der nach eigener Aussage Chile sehr gut kennt – Franziskus hatte während des Studiums ein Jahr dort verbracht.
„Es ist ein Land, das enorme Ressourcen vorweisen kann, spirituelle und moralische, die es verdienen, in den Vordergrund gerückt zu werden“, so der Nuntius am Mikrofon von Vatican News. „Oftmals wird der dominante Aspekt auf die Probleme gelegt, die bisweilen das Leben des Landes beeinträchtigt haben, und manchmal auch das der Kirche. Es ist wichtig, das Gute nicht zu vergessen, das jeden Tag in den einzelnen Gemeinschaften geschieht, in den Pfarreien, den Bewegungen, von Seiten der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien.Es ist wirklich eine sehr schöne und sehr reiche Gemeinschaft.“
Überschattet wurde der bevorstehende Papstbesuch durch gewalttätige Anschläge auf Kirchen, sogar die Nuntiatur, in der der Papst während seines Aufenthaltes im Land wohnen wird, war ein paar Stunden lang – mehr plakativ als ernsthaft - von Aktivisten besetzt worden. Insgesamt fällt jedoch auf: die katholische Kirche hat derzeit einen schweren Stand, wie uns der Nuntius im Gespräch bestätigt.
„Ja, in diesen letzten Jahren gab es leider verschiedene Fälle von Anzeigen wegen Missbrauchs durch Geistliche. Das schafft Leid, ist aber auch Grund für eine Bestandsaufnahme, eine Reinigung im Inneren der Kirche und auch für einen verstärkten Einsatz beim Schutz insbesondere der jungen Generationen. Das alles hat die Einstellung der Menschen gegenüber der Kirche beeinflusst. Es ist jedoch auch wahr, dass man oftmals wegen dieser schmerzlichen und tragischen Ereignisse das Risiko läuft, die andere Wirklichkeit zu vergessen, die aus der Mehrzahl der Menschen besteht, der Bischöfe, Priester und Laien, die jeden Tag für das Reich Gottes wirken.“
Den Bischöfen des Landes wird vorgeworfen, bei der Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen trotz des Bebens, das die Kirche mit dem Bekanntwerden von Missbrauch durch Kleriker im Jahr 2002 erschüttert hatte, und der erklärten Null-Toleranz-Politik von Papst Franziskus und Papst Benedikt nach wie vor nicht angemessen zu reagieren. Bewusst kurz vor dem Papstbesuch wurde durch eine Opfervereinigung auch eine Datenbank freigeschaltet, auf der namentlich Geistliche aufgeführt werden, die mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert sind - eine trotz des hehren Anliegens der Initiatoren hoch problematische Angelegenheit, wird doch der vermeintliche Täter, oftmals ohne eine rechtskräftige Verurteilung durch die Justiz, ohne die Möglichkeit auf Richtigstellung öffentlich vorgeführt.
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.