Häftlinge an den Papst: „Wie Kinder zu einem Vater“
Christine Seuss - Vatikanstadt
Es sei eine große Familie im Gefängnis, so der Häftling in seiner kleinen Ansprache, und in dieser Familiarität sei es nur natürlich, auch den Papst selbst mit „Du“ anzusprechen, „wie es die Kinder mit ihrem Vater tun.“ Er danke dem Papst zunächst im Namen aller Inhaftierten des antiken römischen Gefängnisses, die zu einem Großteil aus anderen Ländern stammen, für seinen Besuch. Doch gleichzeitig wolle er ihm im Namen der Häftlinge auf der ganzen Welt danken, für die Aufmerksamkeit, die er auf diejenigen lege, die ein Leben im Gefängnis verbrächten. „Wir können das Jubiläum der Barmherzigkeit nicht vergessen: die Besuche im Gefängnis, die Hinweise auf Häftlinge in den überall gehaltenen Reden, vom Fenster des Apostolischen Palastes wie an den verschiedenen Orten der Apostolischen Reisen. Der Hinweis auf die Gefangenen fehlt nie: im Namen aller: danke, danke, danke.“
Sie wollten die Aufforderung des Papstes annehmen, die er bei seiner Generalaudienz am Mittwoch ausgesprochen habe, so der Häftling, der Alessandro heißt. Dort hatte der Papst gesagt, man müsse „die Augen der Seele waschen“, um die schönen Dinge wahrzunehmen. Genau dies sei in der Umgebung eines Gefängnisses dringend nötig, stimmte Alessandro dem Papst zu, um daraufhin zu bitten: „Papst Franziskus, der Herr gebe dir die Gesundheit und die Kraft, um damit weiterzumachen, Menschen wie uns und die ganze Menschheit die evangelische Botschaft von Freude und Hoffnung wahrnehmen zu lassen.“
Eine Augenoperation für den Papst
In seiner spontanen Antwort auf die Grüße ging der Papst auf die Ansprache des Häftlings ein und gab ein persönliches Bekenntnis ab:
„Du hast von einem neuen Blick gesprochen: den Blick erneuern… Das tut gut, denn in meinem Alter beispielsweise kommt der Graue Star, und man sieht die Wirklichkeit nicht mehr so gut: nächstes Jahr müssen wir eine Operation vornehmen. Aber so geht es auch mit der Seele: Die Arbeit des Lebens, die Müdigkeit, die Irrtümer, die Enttäuschungen verdunkeln den Blick, den Blick der Seele.“
Deshalb sei es nötig, die Gelegenheit zu ergreifen, um den Blick zu erneuern, stimmte der Papst den Worten Alessandros zu. „Ihr alle kennt das Bild von der halb gefüllten Weinflasche: wenn ich die leere Hälfte anschaue, ist das Leben hässlich, aber wenn ich die volle Hälfte ansehe, habe ich noch etwas zu trinken. Der Blick, der zur Hoffnung öffnet.“
Ohne diese Hoffnung sei ein Gefängnis wie dieses nicht vorstellbar, betonte Franziskus. „Hier sind die Insassen, um zu lernen oder das „Säen der Hoffnung“ wachsen zu lassen: es gibt keine richtige Strafe – richtige! – ohne dass sie Hoffnung zulässt.“ Aus diesem Grund sei auch die Todesstrafe weder christlich noch gerecht, so der Papst, der erst kürzlich angekündigt hatte, dass er die ausdrückliche Verurteilung dieser härtesten Form aller Strafen in den Katechismus der katholischen Kirche aufnehmen lassen wolle.
Man dürfe sich niemals hängen lassen, forderte der Papst die Menschen auf, deren tägliches Leben sich hinter den Mauern des Zuchthauses abspielt, fern der Familie und von ihren Lieben. Doch die Arbeit der Menschen hinter Gittern, Häftlinge wie Betreuer, sei: „Dabei zu helfen, die Hoffnung auf Wiedereingliederung zu säen, und das wird allen gut tun. Immer."
Auch die Direktorin des Gefängnisses dankte dem Papst in ihrer Ansprache herzlich für seinen Besuch, der die Dunkelheit der Haftanstalt erhelle und mit Hoffnung erfülle. „Oft sehen wir es – sehen die Gefangenen es – dunkel, oft sehen sie es voller Leiden, voller Zorn, voller Groll. Doch Sie, mit Ihrer Anwesenheit, haben all dies gemildert. Und ich bin sicher, dass unsere Seelen, die Seelen aller Gäste hier, alle in Ihrem Gebet sind.“
Die Gefängnismauern hätten sie gelehrt, dass die Schuld aufhöre, wenn die Strafe beginne, fuhr die Direktorin fort. Was bleibe, sei die Hoffnung, dass man sich mit kleinen Schritten auf die Gnade zubewege: „Die Gnade ist glaube ich diejenige, wenn es einem gelingt, auf ein besseres Lebensprojekt zu hoffen. Doch Ihr Besuch, Heiliger Vater, hilft vor allem uns Angestellten, denn wir müssen die Fähigkeit haben, einen Lebensweg aufzuzeigen, der sich von dem unterscheidet, der die Häftlinge hierher geführt hat. Und wenn wir nicht dazu in der Lage wären, diese Hoffnung zu vermitteln, so glaube ich, wäre unsere Arbeit wirklich nicht zu ertragen.“
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