Papst sieht Populismus und Nationalismus mit Sorge
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Über die Diplomaten richtete Franziskus einen Appell an die Nationen, Freundschaft und Zusammenarbeit untereinander zu erneuern und bewusst auf das multilaterale System zu setzen, das heute vor Schwierigkeiten steht. Populismus und Nationalismus, sagte der Papst, schwächten das Miteinander der Völker und führten „zu einem allgemeinen Vertrauensmangel, zu einer Glaubwürdigkeitskrise der internationalen Politik und einer fortschreitenden Marginalisierung der schwächsten Mitglieder der Völkerfamilie“. Franziskus kritisierte das Überhandnehmen einseitiger, nur auf die jeweilige Nation bezogener Antworten auf komplexe Fragen zu Lasten der internationalen Organisationen.
Als Voraussetzungen für den Erfolg der multilateralen Diplomatie nannte er guten Willen, Treue und Glauben der Gesprächspartner, Bereitschaft zu einer ehrlichen und aufrichtigen Auseinandersetzung und den Willen, Kompromisse anzunehmen. „Wo auch nur eines dieser Elemente fehlt“, sagte der Papst, überwiege die Suche nach einseitigen Lösungen „und letztlich die Unterdrückung des Stärkeren über den Schwächeren“.
Emotionelle politische Antworten lösen keine Probleme
Über weite Strecken seiner diesjährigen Diplomatenrede orientierte sich Franziskus an seinem Vorgänger Papst Paul VI., den er im Oktober heiliggesprochen hatte. Paul VI. hatte 1965 als erster Papst vor der UNO eine Rede gehalten, und Franziskus griff diese Rede in ihren Eckpunkten auf. Mit Paul VI. sprach er über den Vorrang von Gerechtigkeit und Recht, über die Verteidigung der Schwächsten, das Bauen von Frieden, und das Neubedenken unseres gemeinsamen Schicksals.
Regierende hätten sehr wohl auf die Stimmen ihrer Völker zu hören, sagte der Papst, dies verlange aber „die Einhaltung des Rechts und der Gerechtigkeit sowohl innerhalb der nationalen Gemeinschaften wie auch auf internationaler Ebene“. Staatenlenker, die auf „reaktive, emotionelle und übereilte Lösungen“ setzten, könnten damit kurzlebige Erfolge erzielen, „aber gewiss nicht zur Lösung der grundsätzlichen Probleme beitragen“, im Gegenteil. Politik müsse immer Weitblick haben, und Politiker sollten „keine Räume besetzen, sondern Prozesse in Gang bringen“, so zitiert Franziskus aus seinem eigenen Schreiben „Evangelii Gaudium“. Den Menschenrechten komme eine zentrale Rolle zu, und der Papst empfahl, „ihren universalen, objektiven und vernünftigen Charakter wieder neu zu entdecken“.
Im Punkt Verteidigung der Schwächsten benannte Franziskus zunächst Kriegsopfer, vor allem jene aus Syrien, und Flüchtlinge. Hier dankte er Jordanien, dem Libanon und verschiedenen Ländern Europas, die „großzügige Gastfreundschaft gewährt“ hätten. Abermals warb der Papst für die Aufnahme von Migranten. „Jeder Mensch sehnt sich nach einem besseren und glücklicheren Leben, und die Herausforderung der Migration kann weder durch die Logik der Gewalt und der Aussonderung gelöst werden noch durch Teillösungen.“
Das Wort „Mauer“ vermied der Papst an dieser Stelle, doch schwang es mit, als er von den „Migrationswellen dieser Jahre“ sprach, die „vor allem in Europa und Nordamerika Misstrauen und Sorge hervorgerufen“ hätten. Da bestehe heute die Tendenz, die ankommenden Ströme „stark zu begrenzen“. Auf eine so universelle Frage wie Migration könnten aber „keine Teillösungen gegeben werden“, unterstrich Franziskus. Nötig sei eine gemeinsame Antwort aller Länder, die alle berechtigten Ansprüche respektiere, „sowohl der Staaten als auch der Migranten und Flüchtlinge“. Ausdrücklich lobte der Papst die Anliegen der beiden jüngst verabschiedeten UNO-Vereinbarungen, den „Globalen Pakt für Flüchtlinge“ und den „Migrationspakt“. Gerade letzterer sei „ein wichtiger Bezugspunkt“ für den politischen Einsatz und das Handeln internationaler Organisationen. Etliche Länder wie die USA, Australien, Österreich, Ungarn, Polen und Israel hatten den Migrationspakt nicht unterzeichnet.
Schutz für Kinder, Frauen und Arbeiter
Als weitere Personengruppen, die besonderen politischen Schutz brauchten, nannte der Papst Jugendliche, Kinder, Frauen und Arbeiter. Der Passus über die Kinder enthielt ein deutliches Schuldbekenntnis über Missbrauch durch Kleriker. Um Gewalt gegen Frauen zu vermeiden, seien „Formen rechter und ausgewogener Beziehungen wieder neu zu entdecken“. Weniger hilfreich seien dagegen Versuche, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verwischen, sagte Franziskus mit Blick auf Auswüchse der Gender-Theorie.
In Sachen Frieden ließ der Papst einige Fortschritte auf der Welt Revue passieren: Die Aussöhnung zwischen Äthiopien und Eritrea, der Südsudan, überhaupt fand Franziskus lobende Worte für Afrika; der Kontinent weise „eine positive Dynamik auf“, die „in seiner alten Kultur und traditionellen Aufnahmebereitschaft wurzelt“. „Mit Gefallen“ schaue der Heilige Stuhl auch auf den Dialog zwischen Nord- und Südkorea.
Vatikan und China
Franziskus erinnerte auch an das vorläufige Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China über die Ernennung von Bischöfen und sagte, er hoffe, das Abkommen werde dazu beitragen, offene Fragen zu lösen und den notwendigen Raum für einen effektiven Genuss der Religionsfreiheit zu schaffen. Er sprach von der schwierigen Lage in der Ukraine und erinnerte an die humanitäre Initiative der katholischen Kirche zugunsten der Zivilbevölkerung, den Krieg in Syrien und im Jemen, die Situation im Irak und die Krise im Nahen Osten, in der Hoffnung auf die Lösung der beiden israelischen und palästinensischen Staaten und die Verteidigung der Christen in der Region, im Kampf gegen die Versuche, „die Feindschaft zwischen Muslimen und Christen zu beenden". Er erinnert auch an den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, ein Symbol für den Beginn einer Reise der Freundschaft und Annäherung zwischen den Völkern.
Für Abrüstung und gemeinsamen Klimaschutz
Neuerlich lancierte der Papst einen Appell zur nuklearen Abrüstung und zeigte sich besorgt über Waffenhandel im großen Stil sowie den zunehmenden Kauf von Kleinwaffen auch auf individueller Ebene. Franziskus rief auch zu mehr internationaler Zusammenarbeit in der Klimafrage auf. „Die Erde gehört allen, und die Folgen ihrer Ausbeutung fallen auf die gesamte Weltbevölkerung zurück“, so der Papst vor den Diplomaten aus allen Erdteilen.
Der Heilige Stuhlt unterhält diplomatische Beziehungen zu 183 Staaten. Er wird auf vielen Seiten als überparteilicher Gesprächspartner geschätzt.
(vatican news )
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