Papst Franziskus: Brandbrief für das Leben
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Die Freuden der familiären Beziehungen und des sozialen Zusammenlebens scheinen zutiefst beschädigt“, beobachtet der Papst weiter. Egoismus und übertriebenes Konkurrenzdenken führten zu „gegenseitigem Misstrauen unter Einzelnen und Völkern“.
Dem dürften Christen nicht tatenlos zuschauen – schließlich sei „die menschliche Gemeinschaft von jeher der Traum Gottes“ gewesen. „Menschliche Gemeinschaft“ ist auch der Titel des ungewöhnlich langen Briefes. Franziskus würdigt die Geschichte der Päpstlichen Akademie für das Leben, die von dem italienischen Erzbischof Vincenzo Paglia geleitet wird, und macht deutlich, dass sie sich – anders, als das in ihren Anfängen oft war – nicht nur auf den Kampf gegen Abtreibung, Genmanipulation und Euthanasie beschränken, sondern einen umfassenden, lebensfreundlichen Kurs fahren soll.
Gegen eine Kultur der Gleichgültigkeit
Ausdrücklich beklagt der Papst die „um sich greifende Erosion der Sensibilität für die große und entscheidende Frage der Einheit der Menschheitsfamilie und ihrer Zukunft“. Wo Johannes Paul II. einst in seiner Enzyklika Evangelium Vitae von 1995 von einer „Kultur des Todes“ gesprochen hatte, der es zu wehren gelte, wählt Franziskus eine andere Formulierung: „Kultur, oder besser Anti-Kultur der Gleichgültigkeit gegenüber der Gemeinschaft“.
Es sei schwer zu verstehen, dass ausgerechnet in einer Zeit, in der immer mehr wirtschaftliche und technische Ressourcen zur Verfügung stünden, zugleich „unsere Spaltungen aggressiver und unsere Alpträume schlimmer“ würden. Die Schuld daran trage eine „geistliche Vergiftung“. „Das System des Geldes und die Ideologie des Konsums entscheiden über unsere Bedürfnisse und manipulieren unsere Träume, ohne dass sie auf die Schönheit des Zusammenlebens und die Wohnlichkeit unseres gemeinsamen Hauses achten.“
Gottes Leidenschaft für den Menschen neu entdecken
Es sei Aufgabe der Christen, „dieser Leidenschaft Gottes für das Menschengeschöpf und seine Welt neu ins Licht zu setzen“, schreibt Franziskus. Die Kirche – und mit ihr die Päpstliche Akademie für das Leben – sollten „mit aller Kraft den Humanismus des Lebens, das sich aus dieser Leidenschaft Gottes für den Menschen ergibt, fördern“. Nächstenliebe sei etwas anderes als „die Anwendung von wirtschaftlichen oder politischen Nützlichkeitskriterien“. Unter den heutigen Herausforderungen an das Leben erwähnt Papst Franziskus Hungerkatastrophen, aber auch neue Technologien und Künstliche Intelligenz.
Die Christen sollten sich innerlich prüfen, ob sie „ernsthaft auf die Leidenschaft und die Freude, Gottes Liebe zum Menschen weiterzugeben, fokussiert“ seien. „Wir müssen uns fragen, ob wir genug getan haben, um unseren spezifisch christlichen Beitrag zu einer neuen Vision vom Menschen zu leisten.“
[ Der Mensch ist der Weg der Kirche ]
Der Papst beruft sich auf einen berühmten Satz aus der ersten Enzyklika seines heiligen Vorgängers Johannes Paul II., nämlich „Der Mensch ist der Weg der Kirche“. Das müsse „neu in den Mittelpunkt“ des Christlichen gestellt werden. Dabei solle man aber auch nicht allzu pessimistisch werden, schließlich fehle es auch nicht an „Zeichen der Hoffnung“. „Wir müssen wieder einen Platz finden in der Sprache und den Geschichten der Männer und Frauen unserer Zeit und die Verkündigung des Evangeliums in deren konkrete Erfahrung einfügen!“
(vatican news – sk)
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