„Christus vivit“: eine Zusammenfassung
Andrea Tornielli und Silvia Kritzenberger – Vatikanstadt
„Christus lebt. Er ist unsere Hoffnung, und er ist die schönste Jugend dieser Welt. Alles, was er berührt, verjüngt sich, wird neu, füllt sich mit Leben. Die ersten Worte, die ich also an jeden einzelnen von euch jungen Christen richten möchte, lauten: Er lebt und er will, dass du lebendig bist!“. So beginnt das Nachsynodale Apostolische Schreiben „Christus vivit“ „an die jungen Menschen und an das ganze Volk Gottes“, das Papst Franziskus am Montag, den 25. März, im Heiligen Haus von Loreto unterzeichnet hat. In dem aus neun Kapiteln und 299 Absätzen bestehenden Dokument erklärt der Papst auch, dass er sich dabei von „den reichhaltigen Überlegungen und Gesprächen der Jugendsynode anregen“ ließ, die im Oktober 2018 im Vatikan stattfand.
Erstes Kapitel: „Was sagt das Wort Gottes über die jungen Menschen?“
Franziskus erinnert daran, dass „in einer Epoche, in der die Jugendlichen wenig bedeuteten, einige Texte zeigen, dass Gott mit anderen Augen sieht“ (6), und stellt Beispiele junger Menschen aus dem Alten Testament vor: Josef, Gideon (7), Samuel (8), den König David (9), Salomon und Jeremias (10), die junge jüdische Dienerin des Naaman und die junge Rut (11). Danach geht er zum Neuen Testament über. Der Papst erinnert daran, dass Jesus „als der ewig Junge uns ein immer junges Herz schenken möchte“ (13), und fügt an: „Wir sehen, dass es Jesus nicht gefiel, wenn Erwachsene herablassend auf die Jüngsten blickten oder sie in despotischer Weise in Dienst nahmen. Im Gegenteil mahnte er: ‚Der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste‘ (Lk 22,26). Für Jesus war das Alter nicht an Privilegien geknüpft, und wenn jemand jünger war, bedeutete das nicht, dass er weniger wert war“. Franziskus bekräftigt: „Man braucht es nicht zu bereuen, die eigene Jugend damit zu verbringen, gut zu sein, dem Herrn das Herz zu öffnen und anders zu leben“ (17).
Zweites Kapitel: „Jesus Christus ist immer jung“
Jesus „schenkt euch jungen Menschen nicht von ferne oder von außen her Licht. Sein Licht geht von seiner eigenen Jugend aus, die er mit euch teilt “, und in ihm könnten sich die jungen Menschen in vielen Aspekten wiederfinden, so der Papst (31). „In seiner Nähe können wir aus der wahren Quelle trinken, die unsere Träume, unsere Pläne, unsere großen Ideale am Leben hält und uns drängt zu verkünden, was das Leben lebenswert macht“ (32); „Der Herr ruft uns, Sterne in der Nacht anderer junger Menschen anzuzünden“ (33).
Danach geht Franziskus auf die Jugend der Kirche ein: „Bitten wir den Herrn, er möge die Kirche von denen befreien, die die Kirche alt machen, sie auf die Vergangenheit festnageln, bremsen und unbeweglich machen wollen,“ schreibt er. „Bitten wir auch, dass er sie von einer anderen Versuchung befreie: zu glauben, dass sie jung ist, wenn sie auf alles eingeht, was die Welt ihr anbietet; zu glauben, dass sie sich erneuert, wenn sie ihre Botschaft verbirgt und sich den anderen anpasst. Nein. Sie ist jung, wenn sie sie selbst ist und wenn sie die immer neue Kraft des Wortes Gottes, der Eucharistie, der Gegenwart Christi und der Kraft seines Geistes jeden Tag empfängt“ (35). Zwar stimme es, dass „wir Mitglieder der Kirche keine seltsamen Gestalten sein dürfen“, aber zugleich „müssen wir den Mut haben, anders zu sein, andere Träume zu zeigen, die die Welt nicht geben kann, und Zeugnis zu geben für die Schönheit der Großherzigkeit, des Dienstes, der Reinheit, der Stärke, der Vergebung, der Treue zur eigenen Berufung, des Gebets, des Kampfes für die Gerechtigkeit und für das Gemeinwohl, der Liebe für die Armen und der sozialen Freundschaft“ (36). Die Kirche Christi könne immer in Versuchung geraten, den Enthusiasmus zu verlieren und „falsche weltliche Absicherungen zu suchen. Da sind es gerade die jungen Menschen, die ihr helfen können, jung zu bleiben“ (37).
Einen ihm besonders teuren Ansatz wieder aufgreifend, erklärt Papst Franziskus, dass die Gestalt Jesu „anziehend und wirkungsvoll präsentiert werden muss“. „Daher darf die Kirche nicht zu sehr auf sich selbst bezogen sein, sondern muss vor allem Jesus Christus widerspiegeln. Folglich muss sie demütig zugeben, dass sich einige Dinge ändern müssen“ (39).
In dem Schreiben wird auch festgehalten, dass es junge Menschen gibt, die die Präsenz der Kirche „als lästig und sogar irritierend empfinden.“ Eine Haltung , die oft „unter anderem auf ernsthafte, respektable Gründe zurückzuführen ist wie sexuelle und finanzielle Skandale, nicht richtig vorbereitete Priester, die junge Menschen mit ihren Befindlichkeiten nicht entsprechend abholen können;… die passive Rolle, die den Jugendlichen innerhalb der christlichen Gemeinschaft zugewiesen wird und die Mühe der Kirche, ihre Positionen in Lehre und Ethik gegenüber der heutigen Gesellschaft zu vermitteln“ (40).
Es gebe auch junge Menschen, die „eine Kirche wünschen, die mehr zuhört und nicht ständig die Welt verdammt. Sie wollen keine schweigende und schüchterne Kirche sehen, aber auch keine, die immer mit zwei oder drei Themen, auf die sie fixiert ist, auf Kriegsfuß steht. Um in den Augen der jungen Menschen glaubwürdig zu sein, muss sie zuweilen die Demut wieder zurückgewinnen und einfach zuhören; und in dem, was andere sagen, ein Licht erkennen, das ihr helfen kann, das Evangelium tiefer zu verstehen“ (41). So könne eine übertrieben ängstliche und starr strukturierte Kirche „ständig kritisch gegenüber allen Äußerungen zur Verteidigung der Frauenrechte eingestellt sein und dauernd die Risiken und möglichen Irrtümer solcher Forderungen aufzeigen“, wogegen eine „lebendige Kirche so reagieren kann, dass sie den berechtigten Ansprüchen von Frauen Aufmerksamkeit schenkt“, auch wenn sie „nicht mit allem einverstanden ist, was einige feministische Gruppen vorschlagen“ (42).
Danach stellt Franziskus „Maria, das Mädchen von Nazaret“ vor, und führt aus, dass ihr „Ja“ das Ja eines Menschen war, „der sich einbringen und Risiken eingehen will und alles auf eine Karte setzen will, mit keiner anderen Garantie als der Gewissheit, Trägerin einer Verheißung zu sein. Und ich frage einen jeden von euch: Fühlt ihr euch als Träger einer Verheißung?“ (44). Für Maria seien „die Schwierigkeiten kein Grund, „Nein“ zu sagen“ gewesen, und indem sie sich so mit eingebracht habe, sei sie „die Influencerin Gottes“ geworden. Das Herz der Kirche sei auch voll von jungen Heiligen, so Franziskus. Er erinnert an den heiligen Sebastian, den heiligen Franz von Assisi, die heilige Jeanne d`Arc, den seligen Märtyrer Andrew Phû Yên, die heilige Kateri Tekakwitha, den heiligen Domenico Savio, die heilige Theresia vom Kinde Jesus, den seligen Ceferino Namuncurá, den seligen Isidor Bakanja, den seligen Pier Giorgio Frassati, den seligen Marcel Callo und die junge Selige Chiara Badano.
Drittes Kapitel: „Ihr seid das Jetzt Gottes“
„Wir Erwachsene stehen heutzutage in der Gefahr, die Schwierigkeiten und Fehler der heutigen Jugend aufzulisten … Aber was wäre das Ergebnis einer solchen Haltung? Mehr und mehr Distanz“ (66). Wer gerufen sei, Vater, Hirte oder Führer junger Menschen zu sein, müsse die Fähigkeit haben, „Wege zu entdecken, wo andere nur Mauern sehen, und Möglichkeiten zu erkennen, wo andere nur Gefahr wittern. Solcherart ist der Blick Gottes des Vaters, der in der Lage ist, die Samen des Guten, die in die Herzen der jungen Menschen gesät wurden, zur Geltung zu bringen und zu nähren. Das Herz eines jeden jungen Menschen muss daher als ein ‚heiliger Boden‘ betrachtet werden“ (67). Franziskus warnt hier auch vor Verallgemeinerungen, weil es „eine Vielzahl von Jugend-Milieus gibt“ (68).
Die Lebenswelt der Jugendlichen beschreibend, erinnert der Papst an Jugendliche, die in Kriegsgebieten leben und zahllose Formen der Gewalt wie Entführung, Erpressung, organisiertes Verbrechen, Menschenhandel, Sklaverei und sexuelle Ausbeutung, Kriegsvergewaltigung usw. erleiden. Viele lebten in einer Umgebung von Verbrechen und Gewalt leben, so Franziskus (72). „Viele junge Menschen werden indoktriniert und instrumentalisiert und als Kanonenfutter oder Stoßtrupp eingesetzt, um andere zu zerstören, einzuschüchtern oder zu verspotten. Und das Schlimmste ist, dass viele zu Individualisten werden, die allen gegenüber feindlich und misstrauisch sind und so zur leichten Beute entmenschlichender Angebote und destruktiver Pläne werden, welche von politischen Gruppierungen oder Kräften der Wirtschaft entwickelt wurden“ (73).
Es gebe jedoch noch wesentlich mehr junge Menschen in der Welt, die unter sozialer Ausgrenzung in unterschiedlichster Form und Marginalisierung aus religiösen, ethnischen oder wirtschaftlichen Gründen litten. Hier führt Franziskus schwangere Mädchen und junge Frauen an sowie „die Geißel der Abtreibung und die Ausbreitung von HIV, unterschiedlichste Formen von Sucht (Drogen, Glücksspiel, Pornografie usw.) und die Situation von Kindern und Jugendlichen, die ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Familie und finanzielle Mittel auf der Straße leben“ (74). Situationen, die, wenn es sich dabei um Frauen handelt, doppelt schmerzhaft und schwierig seien. „Wir dürfen keine Kirche sein, die angesichts dieser Tragödien ihrer jungen Söhne und Töchter keinen Schmerz empfindet. Wir dürfen uns nie daran gewöhnen… Das Schlimmste, was wir tun können, ist, das Rezept einer verweltlichten Gesinnung anzuwenden, das darin besteht, junge Menschen mit anderen Nachrichten, mit anderen Ablenkungen, mit Banalitäten zu betäuben“ (75). Junge Menschen müssten lernen, um ihre Altersgenossen zu weinen, denen es schlechter geht als ihnen, schreibt Franziskus (76).
Es sei wahr, unterstreicht der Papst, „dass die Mächtigen einiges an Hilfe leisten, oft aber zu einem hohen Preis. In vielen armen Ländern ist die wirtschaftliche Unterstützung einiger reicherer Länder oder internationaler Organisationen mit der Annahme westlicher Vorstellungen bezüglich Sexualität, Ehe, Leben oder sozialer Gerechtigkeit verbunden. Diese ideologische Kolonisation schadet vor allem jungen Menschen“ (78). Der Papst warnt auch vor der heutigen Kultur, die ein Menschenbild präsentiere, das sich stark am Idealbild der Jugendlichkeit orientiert, junge Körper in der Werbung gewinnorientiert einsetze: „ Das ist kein Lob für junge Menschen. Es bedeutet nur, dass Erwachsene diese Jugendlichkeit für sich selbst wollen“ (79).
Auf „Wünsche, Wunden und Versuche“ eingehend, äußert sich Franziskus zum Thema Sexualität: „In einer Welt, die die Sexualität übermäßig betont, ist es schwierig, eine positive Beziehung zum eigenen Körper zu wahren und die affektiven Beziehungen ausgeglichen zu leben.“ Wegen dieser und anderer Ursachen sei die Sexualität oft „Grund für Unverständnis und Entfernung von der Kirche, da sie als Raum des Urteils und der Strafe empfunden wird“, obwohl junge Menschen den Wunsch äußerten, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen (81). Zu den jüngsten Entwicklungen in biomedizinischen Wissenschaften und Neurowissenschaften gibt Franziskus zu bedenken: „Sie lassen manchmal in Vergessenheit geraten, dass das Leben ein Geschenk ist, dass wir geschaffene und begrenzte Wesen sind, dass wir leicht von denen instrumentalisiert werden können, die über technologische Macht verfügen“ (82).
Das Apostolische Schreiben geht dann auf das Thema der „digitalen Umwelt“ ein, die „eine neue Art der Kommunikation geschaffen hat“, durch die „unabhängige Informationen leichter in Umlauf gebracht werden können.“ In vielen Ländern seien das Internet und soziale Netzwerke heute „als Medium unverzichtbar, um junge Menschen zu erreichen“ (87). Aber „es ist auch ein Ort der Einsamkeit, Manipulation, Ausbeutung und Gewalt, die sich im Extremfall im Dark Web manifestieren. Durch digitale Medien besteht die Gefahr, dass Nutzer abhängig werden, sich isolieren und immer stärker den Kontakt zur konkreten Wirklichkeit verlieren... Neue Formen der Gewalt breiten sich über die Social Media aus, wie z. B. Cybermobbing; das Internet dient auch als Kanal zur Verbreitung von Pornografie und der Ausbeutung von Menschen für sexuelle Zwecke oder durch Glücksspiel“ (88). Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass in der digitalen Welt „gigantische wirtschaftliche Interessen am Werke sind“, die „Mechanismen schaffen, mit denen das Gewissen und demokratische Prozesse manipuliert werden.“ Diese geschlossenen Kreise „erleichtern die Verbreitung von falschen Informationen und Nachrichten und schüren Vorurteile und Hass... Der Ruf von Menschen wird durch oberflächliche Online-Verfahren gefährdet. Ein Phänomen, das auch die Kirche und ihre Hirten betrifft“ (89). In einem Dokument, das von 300 jungen Menschen aus aller Welt vor der Synode erstellt wurde, werde darauf hingewiesen, dass „Online-Beziehungen unmenschlich werden können“ und das Eintauchen in die virtuelle Welt „eine Art „digitaler Migration“, d.h. eine Distanzierung von der Familie, von kulturellen und religiösen Werten begünstigt, was viele Menschen in eine Welt der Einsamkeit und Selbsterfindung führt“ (90).
Danach geht der Papst auf das Thema „Migranten als Paradigma unserer Zeit“ ein, und erinnert an die vielen jungen Menschen, die von Migration betroffen sind. „Die Sorge der Kirche betrifft insbesondere Menschen, die vor Krieg, Gewalt, politischer oder religiöser Verfolgung, vor Naturkatastrophen, die auch durch den Klimawandel bedingt sind, und vor extremer Armut fliehen“ (91): Sie suchten in der Regel nach Chancen und träumten von einer besseren Zukunft. Andere Migranten „fühlen sich von der Kultur des Westens angezogen und brechen mit teils unrealistischen Erwartungen auf, die schwer enttäuscht werden können. Skrupellose Menschenhändler, die oft mit Drogen- und Waffenkartellen in Verbindung stehen, nutzen die Schwäche von Migranten aus... Hervorzuheben sind hier die besondere Schutzlosigkeit unbegleiteter minderjähriger Migranten... In einigen Ankunftsländern lösen Migrationsphänomene Alarm und Ängste aus, die oft für politische Zwecke angeheizt und missbraucht werden. Auf diese Weise verbreitet sich eine fremdenfeindliche Mentalität, man verschließt sich und zieht sich in sich selbst zurück. Darauf müssen wir entschlossen reagieren“ (92) Junge Migranten erlebten oft auch eine kulturelle und religiöse Entwurzelung (93). Franziskus bittet „vor allem die Jugendlichen, nicht auf diejenigen hereinzufallen, die versuchen, gegen junge Migranten zu hetzen, indem sie so beschrieben werden, als seien sie gefährlich“ (94).
Zum Thema Missbrauch von Minderjährigen betont der Papst, dass die Synode bekräftigt habe, dass sie sich entschlossen für die Umsetzung rigoroser Präventionsmaßnahmen einsetzt, die verhindern, dass sich dies wiederholt. Der Papst dankt allen, die „den Mut haben, das Schlimme, das sie erlitten haben, öffentlich anzuklagen“ (99), und erinnert daran, dass die Priester, die „in diese schrecklichen Verbrechen verstrickt sind, Gott sei Dank nicht die Mehrheit sind. Die meisten leisten einen treuen und großherzigen Dienst“. Er fordert die jungen Menschen auf, immer dann, wenn sie einen Priester sähen, der gefährdet ist, weil er vom Kurs abgekommen ist, den Mut zu haben, ihn an seine Verpflichtung gegenüber Gott und seinem Volk zu erinnern (100).
Die Missbräuche seien jedoch nicht die einzig Sünde in der Kirche. „Unsere Sünden sind für alle sichtbar; sie spiegeln sich gnadenlos in den Falten des tausendjährigen Gesichts unserer Mutter und Lehrerin wider.“ Aber die Kirche unterziehe sich keiner Schönheitsoperation: „Sie hat keine Angst, die Sünden ihrer Glieder zu zeigen.“ „Aber denken wir daran, dass man die Mutter nicht im Stich lässt, wenn sie verwundet ist“ (101). Dieser dunkle Moment könne mit Hilfe der jungen Menschen „tatsächlich eine Chance für eine Reform von epochaler Tragweite sein“ (102).
Franziskus erinnert die jungen Menschen daran, dass es in all den dunklen oder schmerzhaften Situationen „einen Ausweg gibt“ . Er erinnert an die gute Nachricht, die uns am Morgen der Auferstehung zuteilwurde. Und betont, dass auch wenn man in der digitalen Welt der Gefahr der Selbstverschlossenheit, Isolation oder des leeren Vergnügens ausgesetzt sein könne, es doch junge Menschen gebe, die auch in diesen Bereichen kreativ und manchmal brillant sind. Wie der junge ehrwürdige Diener Gottes Carlos, der „es verstand, die neuen Kommunikationstechniken zu nutzen, um das Evangelium zu verbreiten“ (105), und sich nicht täuschen ließ. „Alle werden als Originale geboren, aber viele sterben als Fotokopien“, hat er gesagt. „Lass nicht zu, dass das dir geschieht“, (106) warnt der Papst. „Lass nicht zu, dass sie dir die Hoffnung und Freude rauben, lass dich von ihnen nicht betäuben, um dich zum Sklaven ihrer Interessen zu machen“ (107), suche das große Ziel der Heiligkeit. „Jung zu sein erschöpft sich nicht einfach in der Suche nach flüchtigen Freuden und oberflächlichen Erfolgen. Damit das Jugendalter den Sinn erfüllt, den es für deinen Lebenslauf hat, muss es eine Zeit großzügigen Geben, aufrichtiger Hingabe und der Opfer sein“ (108). „Wenn du jung bist, dich jedoch schwach, müde oder enttäuscht fühlst, bitte Jesus, dich zu erneuern“ (109). Und dabei dürfe man nie vergessen, dass es „sehr schwierig ist, gegen die ...Versuchungen des Bösen und der egoistischen Welt zu kämpfen, wenn wir uns absondern“ (110): was wir bräuchten, sei nämlich ein gemeinschaftliches Leben.
Viertes Kapitel: „Die große Botschaft für alle jungen Menschen“
Allen jungen Menschen verkündet der Papst drei große Wahrheiten. Einen „Gott, der Liebe ist“: „Gott liebt dich. Zweifle nie daran“ (112). Du kannst dich deinem göttlichen Vater ganz unbeschwert überlassen“ (113). Franziskus bekräftigt, dass das Gedenken Gottes „keine ‚Festplatte‘ ist, die alle unsere Daten registriert, sein Gedächtnis ist ein Herz, das weich ist vor Mitgefühl, das Freude daran hat, jede Spur des Bösen in uns auszulöschen ... Weil er dich liebt. Versuche, einen Moment in Stille zu bleiben und dich von ihm lieben zu lassen“ (115). Seine Liebe „kennt sich eher mit dem Wiederaufstieg als mit dem Fall aus, mehr mit der Versöhnung als mit Verboten, mehr mit dem Gewähren neuer Möglichkeiten als mit der Verdammnis, mehr mit der Zukunft als mit der Vergangenheit“ (116).
Die zweite Wahrheit sei, dass „Christus dich rettet“. „Vergiss nie: er vergibt siebenundsiebzigmal. Ein ums andere Mal lädt er uns wieder auf seine Schultern“ (119). Jesus liebe und rette uns, denn „nur was man liebt, kann gerettet werden. Nur was man annimmt, kann verwandelt werden. Die Liebe des Herrn ist größer als all unsere Widersprüche, als all unsere Schwächen und als all unsere Begrenztheiten“ (120). Und „seine Vergebung und Erlösung sind nicht etwas, das wir gekauft haben, oder was wir durch unsere Werke oder unsere Bemühungen erwerben müssen. Er vergibt und befreit uns unentgeltlich“ (121). Die dritte Wahrheit sei, dass „Er lebt!“. „Man sollte sich oft daran erinnern, denn wir laufen Gefahr, Jesus Christus nur als gutes Beispiel aus der Vergangenheit, als eine Erinnerung zu sehen, als jemanden, der uns vor zweitausend Jahren gerettet hat. Das würde uns nichts nützen, das würde uns nicht befreien“ (124). Denn „wenn er lebt, so ist dies eine Garantie dafür, dass das Gute sich seinen Weg in unserem Leben bahnt …. Dann können wir aufhören zu klagen und nach vorne schauen, denn mit ihm kann man immer nach vorne schauen“ (127).
In diesen Wahrheiten erscheine der Vater und erscheine Jesus. Und dort wo sie seien, da sei auch der Heilige Geist. „Ruf jeden Tag den Heiligen Geist an… Du verpasst nichts, und er kann dein Leben verändern, es erleuchten und ihm eine bessere Ausrichtung geben. Es verstümmelt dich nicht, es nimmt dir nichts weg, im Gegenteil, er hilft dir, alles zu finden, so wie du es nötig hast“ (131).
Fünftes Kapitel: „Wege der Jugend“
„Du wirst nicht die wirkliche Fülle des Jungseins erkennen, … wenn du nicht in Freundschaft mit Jesus lebst“ (150). Die Freundschaft mit Jesus sei unverbrüchlich, weil er uns nie verlasse, schreibt Franziskus (154). Mit einem Freund „reden wir, teilen wir die geheimsten Dinge. Auch mit Jesus sprechen wir“: „Wenn wir beten, bringen wir Gott ‚ins Spiel‘, damit er wirken und dabei sein und siegen kann“ (155). „Nimm deiner Jugend nicht diese Freundschaft“, „du wirst die schöne Erfahrung machen, dich immer begleitet zu wissen“ wie die Jünger von Emmaus (156): der heilige Oscar Romero habe gesagt: „Das Christentum ist nicht eine Ansammlung von Wahrheiten, die zu glauben sind, und von Geboten und Verboten, die zu beachten sind. Auf diese Weise erscheint es sehr abstoßend. Das Christentum ist eine Person, die mich so sehr geliebt hat, dass sie meine Liebe verlangt. Das Christentum ist Christus.“
Zum Thema Wachstum und Reifung verweist Papst Franziskus auf die Bedeutung der Suche nach „geistlichem Wachstum“. Wichtig sei es, „den Herrn zu suchen, sein Wort zu hüten“, und „die Verbindung mit Jesus aufrechterhalten… da du mit deinen Kräften und deinem Geist allein nicht im Glück und in der Heiligkeit wachsen wirst“ (158). Auch ein Erwachsener müsse reifen, ohne dabei die Werte der Jugend aufzugeben: „In jedem Augenblick des Lebens werden wir unsere Jugend erneuern und vermehren können. Als ich meinen Dienst als Papst begann, hat der Herr mir die Horizonte geweitet und mir eine erneuerte Jugend geschenkt. Dasselbe kann einer langjährigen Ehe passieren oder einem Mönch in seinem Kloster“ (160). Wachsen „bedeutet die wertvollsten Dinge, die dir die Jugend schenkt, zu bewahren und zu nähren, aber zugleich offen dafür zu sein, das zu reinigen, was nicht gut ist“ (161). „Ich erinnere dich aber daran, dass du nicht heilig und erfüllt sein wirst, wenn du andere kopierst“. Du „musst entdecken, wer du bist und deine eigene Weise des Heiligseins entfalten“ (162). Franziskus schlägt „Wege der Brüderlichkeit“ vor, „um den Glauben gemeinsam zu leben“, und erinnert daran, dass „der Heilige Geist uns dazu bewegen will, aus uns selbst herauszugehen, die anderen liebevoll zu umarmen... Daher ist es immer besser, den Glauben gemeinsam zu leben und unsere Liebe in einem gemeinschaftlichen Leben zum Ausdruck zu bringen“ (164). Und dazu müssten wir der Versuchung widerstehen, „uns in uns selbst zu verschließen, in unsere Probleme, unsere verletzten Gefühle, Klagen und Bequemlichkeiten“ (166). Gott „liebt die Fröhlichkeit der jungen Menschen und lädt sie besonders zu dieser Fröhlichkeit ein, die man in brüderlicher Gemeinschaft lebt“ (167).
Danach geht der Papst auf das Thema „engagierte junge Menschen“ ein und betont, dass junge Menschen manchmal „Gefahr laufen, sich in kleinen Gruppen abzuschotten… Sie meinen, dass sie die geschwisterliche Liebe leben, aber vielleicht hat sich ihre Gruppe in eine bloße Verlängerung ihres eigenen Egos verwandelt. Dies ist umso schlimmer, wenn die Berufung des Laien nur als Dienst innerhalb der Kirche begriffen wird …, und vergessen wird, dass die laikale Berufung vor allem die der Liebe in der Familie, der sozialen und politisch wirksamen Nächstenliebe ist“ (168). Franziskus schlägt „den jungen Menschen vor, weit über die Freundesgruppen hinauszugehen und die soziale Freundschaft, das Gemeinwohl zu suchen. Die soziale Feindschaft zerstört. Und durch die Feindschaft wird eine Familie zerstört. Durch die Feindschaft wird ein Land zerstört. Durch die Feindschaft wird die Welt zerstört. Und die größte Feindschaft ist der Krieg. Und heute sehen wir, dass die Welt dabei ist, sich durch den Krieg zu zerstören. Denn sie sind unfähig, sich an einen Tisch zu setzen und miteinander zu sprechen“ (169).
„Soziales Engagement und der direkte Kontakt zu den Armen sind weiterhin eine maßgebliche Gelegenheit zur Entdeckung oder Vertiefung des Glaubens und Erkennung der eigenen Berufung“ (170). Als positives Beispiel führt der Papst junge Menschen an, die in Pfarreien, Gruppen und Bewegungen aktiv sind, die „die gute Angewohnheit haben, … zu älteren Menschen und Kranken zu gehen, um ihnen beizustehen oder die Armenviertel besuchen“ (171). Weitere Jugendliche „nehmen an sozialen Projekten teil, wie dem Bau von Häusern für Obdachlose, Umweltschutzaktionen oder Hilfssammlungen für Notleidende. Es wäre gut, wenn sich dieses gemeinschaftliche Engagement nicht nur auf einige sporadische Aktionen beschränken würde, sondern stabil… zugunsten einer effizienteren Arbeit“. Studenten „können sich interdisziplinär zusammentun, um ihr Wissen auf die Lösung sozialer Probleme anzuwenden, und dabei können sie Seite an Seite mit den jungen Menschen anderer Kirchen oder anderer Religionen arbeiten“ (172). Franziskus ermutigt die jungen Menschen zu diesem Engagement: „Ich sehe, dass viele Jugendlichen in vielen Teilen der Welt auf die Straßen hinausgegangen sind, um ihrem Wunsch nach einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft Ausdruck zu verleihen... Es sind junge Menschen, welche die Protagonisten, die Hauptdarsteller der Veränderung sein wollen. … Lasst nicht zu, dass andere die Hauptdarsteller der Veränderung sind! Ihr seid die, denen die Zukunft gehört!“ (174).
Die jungen Menschen seien gerufen, „mutige Missionare“ zu sein, die das Evangelium überall mit dem eigenen Leben zu bezeugen. Und das bedeute nicht „über die Wahrheit zu sprechen, sondern sie zu leben“ (175). Das Wort dürfe nie zum Schweigen gebracht werden: „Seid fähig, gegen den Strom zu schwimmen und teilt Jesus, teilt den Glauben mit, den er euch geschenkt hat“ (176). Wohin sendet Jesus uns? „Da gibt es keine Grenzen, keine Beschränkungen: Er sendet uns zu allen. Das Evangelium ist für alle und nicht für einige. Es ist nicht nur für die, die uns näher, aufnahmefähiger, empfänglicher erscheinen. Es ist für alle“ (177). Und man könne nicht erwarten, „dass die Mission einfach und bequem ist“ (178).
Sechstes Kapitel: „Junge Menschen mit Wurzeln“
Franziskus schreibt, dass es ihm weh tue zu sehen, „dass einige den jungen Menschen vorschlagen, eine Zukunft ohne Wurzeln aufzubauen, als ob die Welt jetzt anfangen würde“ (179). Wenn jemand „euch ein Angebot macht und euch sagt, die Geschichte nicht zu beachten, den Erfahrungsschatz der Alten nicht zu beherzigen und all das zu verachten, was Vergangenheit ist, und nur auf die Zukunft zu schauen, die er euch anbietet, ist dies nicht vielleicht eine einfache Art, euch mit seinem Angebot anzuziehen, um euch nur das tun zu lassen, was er euch sagt? Dieser Jemand benötigt euch leer, entwurzelt, gegenüber allem misstrauisch, damit ihr nur seinen Versprechen vertraut und euch seinen Plänen unterwerft. So funktionieren die Ideologien verschiedener Couleur, die all das zerstören (oder ab-bauen), was anders ist; auf diese Weise können sie ohne Widerstände herrschen“ (181). Und diese Manipulanten würden auch die Anbetung der Jugend für ihre Zwecke nutzen, warnt Franziskus: „ Der junge Körper wird zum Symbol eines neuen Kultes und so wird alles, was mit diesem Körper zu tun hat, vergöttert und grenzenlos begehrt, und das, was nicht jung ist, wird mit Verachtung angeschaut. Dies ist aber eine Waffe, die dazu führt, zuallererst die jungen Menschen herabzusetzen“ (182). „Liebe junge Menschen, lasst nicht zu, dass man eure Jugend benutzt, um ein oberflächliches Leben zu fördern, das die Schönheit mit dem Schein verwechselt“ (183). Vielmehr müsse man die Schönheit entdecken, die sich im Arbeiter finde, der nach der Arbeit schmutzig nach Hause kommt; in der älteren Ehefrau, die sich um ihren kranken Mann kümmert; in der Treue der Ehepaare, die sich auch im Herbst des Lebens noch lieben.
Heute dagegen werde „eine Spiritualität ohne Gott vorangetrieben, eine Affektivität ohne Gemeinschaft und ohne Einsatz für die Leidenden, eine Angst vor den Armen, die als gefährliche Individuen betrachtet werden, eine Reihe von Angeboten, die vorgeben, euch an eine paradiesische Zukunft glauben zu lassen, die immer hinausgeschoben wird“(184): der Papst lädt die jungen Menschen ein, sich nicht von dieser Ideologie beherrschen zu lassen, die „ zu einer regelrechten Form der kulturellen Kolonisierung führt“ (185), die junge Menschen entwurzle, aus dem kulturellen und religiösen Umfeld herausreiße, dem sie angehören und sie in „manipulierbare serienmäßig hergestellte Individuen“ verwandeln wolle (186).
Von grundlegender Bedeutung sei die „Beziehung zu den älteren Menschen“, die den jungen Menschen helfen, den lebendigen Reichtum der Vergangenheit zu entdecken. „Das Wort Gottes legt uns ans Herz, den Kontakt zu den älteren Menschen nicht zu verlieren, um ihre Erfahrung aufnehmen zu können“ (188). Dies „bedeutet nicht, dass du mit all dem, was sie sagen, einverstanden sein musst, und auch nicht, dass du alle ihre Handlungen gutheißen musst“, es ginge „einfach darum, offen dafür zu sein, eine Weisheit aufzunehmen, die von Generation zu Generation mitgeteilt wird“ (190). „Der Welt hat der Bruch zwischen den Generationen niemals gedient und er wird ihr niemals dienen … Es ist die Lüge, die dich glauben machen will, dass nur das, was neu ist, gut und schön ist“ (191).
Zum Thema „Träume und Visionen“ hält Franziskus fest: „Wenn die jungen Menschen und die älteren sich dem Heiligen Geist öffnen, so bringen sie gemeinsam eine wunderbare Verbindung hervor. Die älteren Menschen träumen und die jungen haben Visionen“ (192); wenn „die jungen Menschen sich in den Träumen der älteren festmachen, wird es ihnen gelingen, die Zukunft zu sehen“ (193). Man müsse also „gemeinsam wagen“, gemeinsam gehen, junge und ältere Menschen: die Wurzeln „sind nicht Anker, die uns an andere Epochen binden“, sondern „ein Bezugspunkt, der uns erlaubt, zu wachsen und auf die neuen Herausforderungen zu antworten“ (200).
Siebtes Kapitel: „Die Pastoral der jungen Menschen“
Der Papst erläutert, dass die Jugendpastoral die Welle der gesellschaftlichen und kulturellen Änderungen erlebt hat und dass „junge Menschen in den üblichen Strukturen oft keine Antworten auf das finden, was sie bewegt, auf ihre Bedürfnisse, Probleme und Verwundungen“ (202). Die jungen Menschen selbst „sind die in der Jugendpastoral Tätigen, begleitet und angeleitet, doch frei, um voll Kreativität und Kühnheit immer neue Wege zu suchen.“. Es ginge also darum, „dass die jungen Menschen die Pfiffigkeit, den Einfallsreichtum und die Kenntnis einbringen, die sie im Hinblick auf die Sensibilität, die Sprache und die Fragen der anderen Jugendlichen haben“ (203).
Die Jugendpastoral müsse flexibler sein und „die jungen Menschen zu Events und Veranstaltungen einladen, wo sie dann nicht nur eine Unterweisung erhalten, sondern ihnen ebenso die Gelegenheit geben wird, sich über das Leben auszutauschen, zu feiern, zu singen, konkrete Zeugnisse zu hören und als Gemeinschaft die Begegnung mit dem lebendigen Gott zu erfahren“ (204).
Die Jugendpastoral könne nur synodal sein, das heißt, einem „gemeinsamen Vorangehen“ Gestalt geben. Das erfordere zwei große Handlungslinien: die erste sie die Suche, die zweite das Wachstum. Was das erste betrifft, die Suche, vertraut der Papst auf die Fähigkeit der jungen Menschen selbst, „attraktive Wege zu finden, um einzuladen“: „Man muss die jungen Menschen nur ermutigen und ihnen die Freiheit geben, zu handeln.“ Doch am wichtigsten sei es, dass „jeder junge Mensch sich traut, den Samen der ersten Verkündigung in die fruchtbare Erde des Herzen eines anderen Jugendlichen zu säen“ (210). Man müsse „der Sprache der Nähe den Vorzug geben, der Sprache der uneigennützigen, personalen und lebensnotwendigen Liebe, die das Herz berührt“, indem man sich den jungen Menschen „mit der Grammatik der Liebe nähert, nicht durch Proselytenmacherei“ (211). Hinsichtlich des Wachstums warnt Franziskus davor, jungen Menschen, in denen eine intensive Gotteserfahrung ausgelöst wurde , „ dann lediglich Treffen zur ‚Unterweisung‘ anzubieten, bei denen nur Fragen der Lehre und Moral angesprochen werden... Das Ergebnis ist, dass viele junge Menschen sich langweilen, das Feuer der Begegnung mit Christus und die Freude an der Nachfolge verlieren“ (212). Jedes Bildungsprojekt, jedes Entwicklungsprogramm für junge Menschen „muss sicherlich eine Ausbildung in Lehre und Moral miteinschließen“. Ebenso wichtig sei dabei „die Vertiefung“ des Kerygmas, also „die grundlegende Erfahrung der Gottesbegegnung im gekreuzigten und auferstandenen Christus“ und das Wachstum „in der geschwisterlichen Liebe, im gemeinschaftlichen Leben, im Dienst“ (213). Daher „muss die Jugendpastoral immer Momente einschließen, die helfen, die persönliche Erfahrung der Liebe Gottes und des lebendigen Jesus Christus zu erneuern und zu vertiefen“ (214). Und sie müsse den jungen Menschen helfen, „in der Solidarität zu wachsen, als Brüder und Schwestern zu leben, sich gegenseitig zu helfen, eine Gemeinschaft zu bilden, den anderen zu dienen und den Armen nahe zu sein.“ (215).
Die Einrichtungen der Kirche müssten daher „angemessene Bereiche“ sein, die „unsere Fähigkeit zu herzlicher Aufnahme fördern“: „In diesem Rahmen müssen wir in unseren Einrichtungen den jungen Menschen geeignete Orte zur Verfügung stellen, die sie nach Belieben gestalten können und wo sie frei ein- und ausgehen können; es sollen Orte sein, wo sie sich willkommen fühlen und wo sie spontan hingehen können in der Zuversicht, andere Jugendliche anzutreffen – sowohl in Momenten des Leids oder der Langeweile, als auch wenn sie Freude haben und feiern wollen“ (218).
Danach beschreibt Franziskus „die Pastoral der Bildungseinrichtungen“ und unterstreicht, dass die Schule „eine dringende Selbstkritik nötig hat.“ Er erinnert daran, dass „es manche katholische Schulen gibt, die scheinbar nur daraufhin organisiert sind, den Bestand zu wahren... Die Schule, die zu einem ‚Bunker‘ geworden ist und vor den Irrtümern ‚von außen‘ schützt, ist karikaturesker Ausdruck dieser Tendenz“. Beim Austritt aus den Bildungseinrichtungen würden die jungen Menschen „eine unüberwindliche Diskrepanz zwischen dem, was ihnen beigebracht wurde, und der Welt erleben, in der sie leben werden“. Wo doch in Wirklichkeit „eine der größten Freuden für einen Erzieher darin besteht, wenn er sehen kann, wie ein Schüler sich zu einer starken, ganzheitlichen Persönlichkeit entwickelt, die ihr Leben selbst gestaltet und fähig ist zu geben“ (221). Man dürfe die spirituelle Bildung nicht von der kulturellen trennen: „Das also ist eure große Aufgabe: auf die lähmenden Kehrreime des kulturellen Konsumdenkens mit dynamischen und starken Entscheidungen zu antworten, mit der Forschung, der Erkenntnis und dem gemeinsamen Teilen“ (223). Zu den „Ebenen pastoraler Aktivität“ zählt der Papst die „künstlerischen Ausdrucksformen“ (226), das „Treiben von Sport“ (227), und den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung (228).
Man müsse einer „volksnahen Jugendpastoral“ Raum geben, „einer breiter und flexibler angelegten Pastoral, mit einem anderen Stil, anderen Zeiten, einem anderen Rhythmus, die an den verschiedenen Orten, wo junge Menschen konkret anzutreffen sind, jene natürlichen Führungsqualitäten und Charismen fördert, die der Heilige Geist unter ihnen schon hervorgerufen hat. Es geht vor allem darum, den gläubigen jungen Menschen, die in ihren Vierteln und verschiedenen Umfeldern natürliche Führungsgestalten sind, nicht viele Hindernisse, Vorschriften, Kontrollen und verpflichtende Rahmenvorgaben aufzustellen. Wir müssen uns darauf beschränken, sie zu begleiten und ihnen Anregungen zu geben“ (230). Im Verlangen nach „ einer reinen, vollkommenen Jugendpastoral, die von abstrakten Ideen gekennzeichnet, weltfern und makellos ist, reduzieren wir manchmal das Evangelium auf ein schales, unverständliches, uninteressantes Angebot; dieses ist von den Jugendkulturen losgelöst und nur für eine Elite einer christlichen Jugend geeignet, die sich als etwas anderes fühlt, aber in Wirklichkeit in einer leblosen und unfruchtbaren Isolierung dahintreibt“ (232).
Franziskus lädt dazu ein, „dass wir eine Kirche mit offenen Türen sind“, und verweist darauf, dass „es auch nicht notwendig ist, dass jemand alle Lehren der Kirche vollständig annimmt, um an einigen unserer Räume für junge Menschen teilnehmen zu dürfen“ (234): Ebenso müsse es auch Raum geben für „all jene, die andere Lebensvisionen haben, sich zu anderen Konfessionen bekennen oder die erklären, Religion sei ihnen fremd“ (235). Ein Beispiel für diesen Ansatz seien die Emmausjünger: Jesus befragt sie und hört sich geduldig ihre Sicht der Dinge an, um ihnen dabei zu helfen wahrzunehmen, was sie gerade erleben. Er leitet sie an, die erlebten Ereignisse im Lichte der Heiligen Schrift zu interpretieren. Er nimmt ihre Einladung, bei Einbruch der Dunkelheit bei ihnen zu bleiben, an. Sie selbst wählen, noch in derselben Stunde auf dem Weg umzukehren. (237).
„Stets Missionare sein“. Damit junge Menschen Missionare werden, sei es nicht notwendig, dass sie „einen langen Weg zurücklegen“: „Ein Jugendlicher, der auf Wallfahrt geht, um die Mutter Gottes um Hilfe zu bitten, und einen Freund oder Gefährten einlädt, ihn zu begleiten, vollbringt mit dieser einfachen Handlung eine wertvolle missionarische Tat“ (239). Die Jugendpastoral „muss immer eine missionarische Pastoral sein“ (240). Die jungen Menschen müssten in ihrer Freiheit respektiert werden, „es ist aber auch notwendig, dass sie begleitet werden“ von Erwachsenen, angefangen bei der Familie (242), und dann von der Gemeinschaft: „Dazu gehört, den jungen Menschen mit Verständnis, Wertschätzung und Zuneigung zu begegnen, und nicht, sie ständig zu beurteilen oder von ihnen zu verlangen, auf eine Weise perfekt zu sein, die ihrem Alter nicht entspricht“ (243). Es sei darauf hingewiesen worden, dass es an erfahrenen Menschen fehlt, die sich um Begleitung kümmern (244) und „einige junge Frauen spüren, dass es in der Kirche keine weiblichen Bezugspersonen in Leitungspositionen“ gebe (245). Die jungen Menschen selbst „haben uns die Eigenschaften beschrieben“, die sie in ihren Begleitern anzutreffen hofften, schreibt Franziskus: „ein gläubiger Christ zu sein, der sich der Kirche und der Welt widmet; jemand, der beständig die Heiligkeit sucht; ein Vertrauter, der einen nicht verurteilt; einer, der den Bedürfnissen von jungen Menschen zuhört und mit Liebenswürdigkeit antwortet; einer, der Selbstbewusstsein hat, doch eigene Grenzen anerkennt sowie die Freuden und Sorgen des geistlichen Lebens kennt. Eine für die Begleiter besonders wichtige Eigenschaft ist die Anerkennung ihrer Menschlichkeit – dass auch sie Menschen sind, die Fehler machen, die nicht perfekt sind, sondern Sünder, denen vergeben wird“ (246). Sie sollten „neben ihnen hergehen“ und die Freiheit der jungen Menschen respektieren.
Achtes Kapitel: „Die Berufung“
Was nun „Liebe und Familie“ betrifft, schreibt der Papst, dass „die jungen Menschen sehr den Ruf zur Liebe verspüren und davon träumen, die passende Person zu treffen, um mit ihr eine Familie zu gründen“ (259) – und dass das Sakramente der Ehe „diese Liebe mit der Gnade Gottes umhüllt, sie in Gott selbst verankert“ (260). Gott habe uns als geschlechtliche Wesen erschaffen. Er selbst hat die Geschlechtlichkeit erschaffen, die ein wunderbares Geschenk für seine Geschöpfe ist, also „kein Tabu“. Es ist ein Geschenk Gottes, ein Geschenk, das der Herr uns gibt und das „zwei Zwecke hat: einander lieben und Leben zeugen. Es ist eine Leidenschaft… Die wahre Liebe ist leidenschaftlich“ (261). Franziskus stellt fest, dass „die Zunahme von Trennungen, Scheidungen… bei jungen Menschen zweifellos großes Leid und Identitätskrisen verursachen kann. Manchmal müssen sie Verantwortung übernehmen, die nicht altersgerecht ist“ (262). Trotz aller Schwierigkeiten, „möchte ich euch sagen, dass es sich sicher lohnt, auf die Familie zu setzen. In ihr werdet ihr die besten Anreize finden, um zu reifen, und die schönsten Freuden, um sie zu teilen. Lasst nicht zu, dass euch die große Liebe geraubt wird“ (263). „Zu meinen, dass nichts endgültig sein kann, ist ein Betrug und eine Lüge.… Ich hingegen bitte euch, Revolutionäre zu sein; ich bitte euch, gegen den Strom zu schwimmen“ (264).
Zum Thema Arbeit schreibt der: „ Ich bitte die jungen Menschen, sich nicht zu erwarten, leben zu können, ohne zu arbeiten, während sie von der Hilfe anderer abhängig sind. Dies tut nicht gut, denn die Arbeit ist eine Notwendigkeit, sie ist Teil des Sinns des Lebens auf dieser Erde, Weg der Reifung, der menschlichen Entwicklung und der persönlichen Verwirklichung. Den Armen mit Geld zu helfen muss in diesem Sinn immer eine provisorische Lösung sein, um den Dringlichkeiten abzuhelfen“ (269). Und nachdem er herausgestellt hat, dass junge Menschen in der Arbeitswelt Formen der Ausgrenzung erleben (270), stellt er zur Jugendarbeitslosigkeit fest: „ Dies ist eine … Frage, welche die Politik als eine vordringliche Problematik ansehen muss, vor allem heute, da die rasante technologische Entwicklung zusammen mit einer obsessiven Arbeitskostenreduzierung schnell dazu führen kann, unzählige Arbeitsplätze durch Maschinen zu ersetzen“ (271). Und den jungen Menschen sagt er: „Es stimmt, dass du nicht leben kannst, ohne zu arbeiten, und dass du manchmal das annehmen musst, was du findest. Doch darfst du nie deine Träume aufgeben, nie eine Berufung endgültig begraben, dich nie geschlagen geben.“ (272).
Franziskus schließt dieses Kapitel mit einer Reflexion über die „Berufungen zu einer besonderen Weihe“ ab. „Wenn man sich für eine Berufung entscheiden muss, dann darf man nicht die Möglichkeit ausschließen, sich Gott … zu weihen... Warum es ausschließen? Sei gewiss, wenn du einen Ruf Gottes erkennst und ihm folgst, dann wird es das sein, was dein Leben erfüllt macht“ (276).
Neuntes Kapitel: „Die geistliche Unterscheidung“
Der Papst erinnert daran, dass wir „ohne die Weisheit der Unterscheidung leicht zu Marionetten werden können, die den augenblicklichen Trends ausgeliefert sind“ (279). „Ein Ausdruck der geistlichen Unterscheidung (discernimento) ist der Einsatz, um die eigene Berufung zu erkennen. Dies ist eine Aufgabe, die Räume des Alleinseins und der Stille erfordert, weil es sich um eine sehr persönliche Entscheidung handelt, die niemand anders an unserer Stelle treffen kann“ (283). „Das Geschenk der Berufung wird ohne Zweifel ein forderndes Geschenk sein. Die Geschenke Gottes sind interaktiv und, um sie zu nutzen, muss man sich einbringen, ein Risiko eingehen“ (289).
Junge Menschen bei ihrer Berufungsfindung zu begleiten, setze ein dreifaches Einfühlungsvermögen voraus. Die erste Aufmerksamkeit gelte der Person: „Es geht darum, dem anderen zuzuhören, der sich uns selbst in seinen Worten schenkt“ (292). Die zweite Aufmerksamkeit bestehe im Unterscheiden, es ginge also darum, „die richtige Stelle zu finden, an der man die Gnade von der Versuchung unterscheidet“ (293). Die dritte bestehe „im Hören auf die Anregungen, die der andere im Voraus verspürt. Es ist das tiefe Zuhören, wohin der andere wirklich gehen möchte“. (294). Wenn daher der eine dem anderen in dieser Weise zuhöre, „muss er ab einem gewissen Punkt verschwinden, um den anderen den Weg gehen zu lassen, den er entdeckt hat. Entschwinden, wie der Herr den Blicken seiner Jünger entschwand“ (296). Wir müssten „Prozesse in Gang bringen und begleiten, nicht Wege vorschreiben. Und es geht um Prozesse in Personen, die immer einzigartig und frei sind. Daher ist es schwierig, Rezeptsammlungen zu erstellen“ (297).
Das Apostolische Schreiben endet mit „einem Wunsch“ von Papa Franziskus: „Liebe junge Menschen, ich werde glücklich sein, wenn ich euch schneller laufen sehe, als jene, die langsamer und ängstlich sind. Lauft angezogen von jenem so sehr geliebten Antlitz, das wir in der heiligsten Eucharistie anbeten und im Fleisch der leidenden Geschwister erkennen.… Die Kirche bedarf eures Schwungs, eurer Intuitionen, eures Glaubens. Wir brauchen das! Und wenn ihr dort ankommt, wo wir noch nicht angekommen sind, habt bitte die Geduld, auf uns zu warten“ (299).
(vatican news)
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