Ökumene der Trippelschritte: Papst trifft Bulgariens orthodoxe Kirchenchefs

Heiligkeit trifft Heiligkeit: Sowohl Papst Franziskus als auch der bulgarisch-orthodoxe Patriarch Neofit tragen den Titel „Eure Heiligkeit“, und so sprachen sie sich an diesem Sonntag in Sofia auch an. Doch in Wirklichkeit war bei der Begegnung der beiden Kirchenchefs nicht alles eitel Sonnenschein.

Stefan von Kempis – Vatican News

Die bulgarisch-orthodoxe Kirche, zu der sich die meisten Einwohner bekennen, gilt als ökumenisch nicht sonderlich aufgeschlossen. Auf der persönlichen Ebene werden die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen im Land zwar als freundlich beschrieben, doch das ist auf der offiziellen Ebene offenbar anders. Dem Programm der Begegnung Papst-Neofit war das anzumerken: Die orthodoxen Gastgeber beschränkten sich beim Empfang von Franziskus am Sitz des Heiligen Synods auf das protokollarische Minimum.

Patriarch spricht von „gegenseitigem Respekt“

Dabei fand der Patriarch durchaus freundliche Worte für den Gast aus dem Vatikan: „Es ist bekannt, dass Rom Bulgarien gegenüber schon immer eine besondere Haltung an den Tag gelegt und seit elf Jahrhunderten immer wieder versucht hat, enge Kontakte zum bulgarischen Staat anzuknüpfen. Dies zeigte sich schon beim ersten Besuch eines römischen Papstes in Bulgarien im Jahr 2002, als Ihr Vorgänger Papst Johannes Paul II. hier zu Gast war. Nach nur 17 Jahren sind Sie nun der zweite Papst, der nach Bulgarien kommt, was wir uns nur durch diese besondere Haltung erklären können. Ihr Wunsch, uns im Heiligen Synod zu besuchen, wird von uns als Ausdruck des Respekts vor der Orthodoxen Kirche Bulgariens wahrgenommen. Wir versichern Ihnen, dass dieser Respekt auf Gegenseitigkeit beruht.”

Zum Nachhören

Der Patriarch, der seine Kirche seit 2013 leitet – also genauso lange wie Franziskus an der Spitze der katholischen Kirche steht –, lobte den Einsatz des Papstes „zur Verteidigung der christlichen Wurzeln Europas“ und gegen neue Christenverfolgungen. „In diesen Punkten stimmen unsere Meinungen überein.”

„Wir lassen keine Kompromisse mit dem Glauben zu“

Es klang dann so, als würbe der Patriarch um Verständnis für die hartnäckige Haltung seiner Kirche, als er fortfuhr: „Wir versuchen, die Kirche zu bewahren, die ‚makellos, ohne Flecken oder Falten‘ ist (Eph 5,27), und bemühen uns, keine Kompromisse mit dem Glauben zuzulassen. Wir freuen uns immer, wenn wir erkennen, dass auch andere geistliche Führer ähnliche Überzeugungen haben wie wir.“ Dabei sagte Neofit aber nicht ausdrücklich, dass er das auch auf Franziskus gemünzt wissen wollte. Der Papst versteht sich ausnehmend gut mit dem Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen weltweit, Patriarch Bartholomaios I. An einem von Bartholomaios auf Kreta einberufenen Panorthodoxen Konzil hat die bulgarisch-orthodoxe Kirche 2016 nicht teilgenommen.

Die Geschichte der Trennung aufarbeiten

Der Patriarch bekannte sich allerdings zum Engagement für eine Einheit aller Christen. „Unstimmigkeiten“ bei der Evangelisierung der Bulgaren belasteten „die Beziehungen in der christlichen Welt bis heute“. „Es scheint uns, dass dieser Teil der Kirchengeschichte – obgleich gut dokumentiert – nicht ausreichend unparteiisch analysiert wurde und man es versäumt hat, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Und so kann es sein, dass wir erkennen müssen, dass gerade in dem Moment, in dem sich die Geschichte der Weltkirche mit der Geschichte des Staates Bulgarien verflochten hat, einige der Antworten auf die Fragen, die uns heute noch beschäftigen, geschuldet bleiben.“ Allerdings – das wollte Neofit ein weiteres Mal zu Protokoll geben – sei seine Kirche „fest davon überzeugt, dass es in Bezug auf den Glauben keine Kompromisse geben darf und kann.“

Papst: „Die Freude der Vergebung wiederentdecken“

Franziskus begann seine Rede mit dem traditionellen orthodoxen Gruß „Christos woskrese“ (Christus ist auferstanden). Er kam sofort auf die Spaltung zwischen katholischer und orthodoxer Christenheit zu sprechen. „Die Wunden, die sich im Laufe der Geschichte unter uns Christen geöffnet haben, sind schmerzhafte Verletzungen am Leib Christi, der die Kirche ist. Auch heute noch sind die Folgen dieser Verletzungen mit Händen zu greifen.“ Die Christen sollten „ihre Fehler erkennen“ und „die Freude der Vergebung wiederentdecken“, dann könnten sie eines Tages „mit Gottes Hilfe das Ostergeheimnis am selben Altar feiern“.

Drei Arten der Ökumene

Von mehreren Arten der Ökumene, die er in der katholisch-orthodoxen Gemengelage für wichtig hält, sprach Franziskus dann. Zunächst von der Ökumene des Blutes: „Wie viele Christen in diesem Land haben für den Namen Jesu gelitten, besonders während der Verfolgung des letzten Jahrhunderts!“ Ihr Opfer dürfe nicht umsonst gewesen sein. Zweitens von der „Ökumene der Armen“: Es gebe ja schon viele fruchtbare Kontakte zwischen den Kirchen, aber entscheidend sei die Perspektive, „gemeinsam unterwegs zu sein und zu handeln, um Zeugnis vom Herrn abzulegen, insbesondere indem wir den ärmsten und vergessensten Brüdern und Schwestern dienen“. Und drittens die missionarische Ökumene im Geist der Slawenapostel Kyrill und Method. „Ihr mutiges Apostolat bleibt ein Modell der Evangelisierung für alle.“

„Ein Bereich, der uns in der Verkündigung besonders fordert, ist der der jüngeren Generationen. Wie wichtig ist es, dass wir uns in Respekt vor den jeweiligen Traditionen und Eigenheiten helfen und Wege finden, den Glauben in Sprachen und Formen zu vermitteln, die es jungen Menschen ermöglichen, Freude an einem Gott zu erleben, der sie liebt und ruft! Andernfalls werden sie versucht sein, den vielen irreführenden Sirenen der Konsumgesellschaft zu vertrauen.“

„Wie vieles können wir voneinander lernen!“

Franziskus ermunterte die orthodoxe wie auch die katholische Kirche Bulgariens, „Stifter von Gemeinschaft und Werkzeuge des Friedens zu sein im Namen Jesu“. Bulgarien sei „ein Brückenland“, und das könne auf dem Balkan Modellcharakter haben.

„Auch in unseren Beziehungen erinnern uns die Heiligen Kyrill und Method daran, dass ‚eine gewisse Verschiedenheit der Sitten und Gebräuche […] nicht im geringsten der Einheit der Kirche entgegensteht‘ und dass man zwischen Ost und West bei ‚verschiedenartigen theologischen Formeln oft mehr von einer Ergänzung als von einer Gegensätzlichkeit‘ sprechen muss. (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Unitatis redintegratio, 16-17). Wie viele Dinge können wir voneinander lernen!“

Gebet in orthodoxer Kathedrale

Nach seinem Termin am Sitz des Heiligen Synod in der Innenstadt von Sofia stattete Papst Franziskus der orthodoxen Alexander-Newski-Kathedrale, einer der größten der Welt, einen Besuch ab. Dabei betete er still in einer den beiden Slawenaposteln geweihten Kapelle. Zu einem gemeinsamen Gebet mit orthodoxen Geistlichen kam es nicht.

(vatican news – sk)
 

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Der Papst begegnet den orthodoxen Christen Bulgariens
05. Mai 2019, 11:29