Papst zur Berufungskrise in Europa: „Hoffnung nicht sinken lassen“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Bei seiner Audienz am Donnerstag beschäftigte sich Franziskus nicht mit statistischen Einzelheiten; dass die Zahlen der Anwärter für Priester- und Ordensberufe auf dem Alten Kontinent in den Keller stürzen, ist ihm bewusst. Seine Gäste bat er aber, trotz der Krise beim Umgang mit jungen Menschen, die eine geistliche Berufung in sich spüren, anspruchsvoll und geduldig zu bleiben.
„Vor allem möchte ich eines klarstellen: dass die Arbeit für und mit Berufungen etwas ganz anderes sein muss als Proselytenmacherei. Es geht nicht darum, neue Mitglieder für den Club zu finden, nein! Die Kirche wächst, wie Benedikt XVI. so klar gesagt hat, durch Anziehung, nicht durch Proselytenmacherei. Es geht also nicht darum, die Augen schweifen zu lassen und zu überlegen: Wo kriegen wir die Leute her… wie diese Schwestern, die Anfang der neunziger Jahre in die Philippinen gingen. Sie hatten dort keine Niederlassungen, aber gingen dorthin und holten die jungen Mädchen hierher. Das hieß dann in den Zeitungen: Der Handel mit Novizinnen.“
Zum Herrn sagen: Was willst du von mir?
Für Franziskus ist solches Vorgehen eine „Deformation“, die „uns nicht gut tut“, wie er in freier Rede ausführte. „Und dann denke ich, wenn’s um Berufungen geht, auch an die Fähigkeit der Menschen, die in diesem Bereich mithelfen. Jungen Menschen zu helfen, die Berufung ihres Lebens zu finden, besteht darin, ihnen zu helfen, dass sie ins Gespräch mit dem Herrn kommen. Dass sie lernen, zum Herrn zu sagen: Was willst du von mir? Das ist wichtig. Es geht nicht um intellektuelle Überzeugungsarbeit, nein. Die Wahl einer Berufung entsteht im Gespräch mit dem Herrn – ganz unabhängig davon, um welche Berufung es geht.“
Dabei sei auch klar: „Wenn ihr nicht mit dem Herrn sprecht, dann werdet ihr anderen kaum vermitteln können, wie man das macht. Dialog mit dem Herrn.“
Sich mit den jungen Leuten auf den Weg machen
Mit jungen Leuten zu arbeiten verlangt nach der Erfahrung des Papstes, der selbst jahrelang Lehrer an Jesuitenschulen in Argentinien und Chile war, außerdem „viel, viel Geduld“. „Geduld und die Fähigkeit, zuzuhören, denn die jungen Leute wiederholen sich gerne… Und dann braucht es Verjüngung: Man muss sich mit ihnen in Bewegung setzen. Junge Leute sind heute mobil, und man muss unterwegs mit ihnen arbeiten. Das macht natürlich müde – das gehört dazu! Man kann nicht für die Berufungen arbeiten, ohne dass einen das müde macht. Das ist das, was das Leben, die Realität, der Herr und alle von uns erwarten.“
Ganz wichtig sei es außerdem, die Sprache der Jugendlichen von heute zu verstehen. „Wir reden mit ihnen manchmal so, wie wir auch normalerweise mit Erwachsenen reden. Aber für sie ist unsere Sprache oft eine Art Esperanto – sie verstehen gar nichts… Wir müssen auch versuchen zu begreifen, was es für einen jungen Menschen bedeutet, immer ‚online‘ zu sein. Wohin die Fähigkeit verschwunden ist, sich zu sammeln… Das ist nicht leicht, aber man kommt nicht vorwärts mit vorgefassten Vorstellungen, oder indem man sagt: Du musst das so und so machen. Nein. Man muss begleiten, leiten, helfen, damit sie bei einer Begegnung mit dem Herrn verstehen, welche die Straße im Leben ist.“
(vatican news)
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