Papst in Tokio: Bildung im Zeichen des Gemeinwohls
Anne Preckel - Vatikanstadt
Franziskus‘ Besuch in der von Jesuiten geleiteten Privatuniversität bildete den Schlusspunkt seiner Reise ins Land der aufgehenden Sonne. Den Tag begann er mit der Feier einer Heiligen Messe in der Kappelle des Kulturzentrums der Einrichtung, an der die Jesuitengemeinschaft teilnahm. Nach einem gemeinsamen Frühstück und einer Begegnung mit dem Leitungsgremium der Universität traf er mit den alten und kranken Priestern zusammen, die in der Kommunität leben.
Dann ging es ins vollbesetzte Auditorium der Bildungseinrichtung: In seiner Ansprache am Morgen (bei uns war es da 2.00 Uhr nachts) würdigte der Papst zunächst die japanische Religions- und Wissenskultur.
„Japan ist es gelungen, das Gedankengut und die Religionen Asiens in ihrer Gesamtheit zu integrieren und eine Kultur mit einer spezifischen Identität zu schaffen. Die Ashikaga-Schule, die den heiligen Franz Xaver so beeindruckte, ist ein Beispiel für die Fähigkeit der japanischen Kultur, sich Wissen anzueignen und weiterzugeben.“
Gewissensbildung und Autonomie
Die Ashikaga-Schule aus dem neunten Jahrhundert gilt als älteste akademische Einrichtung Japans. In der von Tokio etwa 70 Kilometer entfernten historischen Schule wurden chinesische Literatur, Medizin und Wahrsagekunst gelehrt. Der Missionar Francisco de Xavier rühmte sie als wichtigste des Landes, als er 1549 mit der Missionierung Japans begann.
Auch in der heutigen Kultur spielten die „Zentren für Studium, Meditation und Forschung weiterhin eine wichtige Rolle“, betonte der Papst. Wesentlich sei, dass die Lehreinrichtungen ihre „Autonomie und Freiheit“ bewahrten: Als Ausbildungsorte zukünftiger Führungskräfte müssten sie einem sozialen und universellen Lehranspruch folgen, zur Gewissensbildung beitragen und die Studierenden zum Einsatz für eine menschlichere, gerechtere und ökologische Welt ermuntern:
„Kein Student dieser Universität sollte einen Abschluss erwerben, ohne gelernt zu haben, wie man sich verantwortlich und frei für das entscheidet, was im Gewissen als das Bessere erkannt wird“, schärfte der Papst ein. „In einer stark auf Wettbewerb und Technologie ausgerichteten Gesellschaft sollte die Universität nicht nur ein Zentrum für intellektuelle Bildung sein, sondern auch ein Ort, an dem eine bessere Gesellschaft und eine hoffnungsvollere Zukunft Gestalt annehmen können.“
Sorge um Schöpfung und Arme
Dazu gehöre auch die Sorge um die Schöpfung, fuhr der Papst mit Verweis auf seine Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ fort: „Eine Sorge, die sich mit der Entwicklung einer neuen Episteme verbinden kann, die jeden reduktionistischen Versuch von Seiten des technokratischen Paradigmas zu überschreiten und in Frage zu stellen vermag (vgl. Nr. 106-114)“.
Franziskus lobte die lange „humanistische, christliche und internationale“ Tradition der Sophia-Universität mit ihren Lehrenden aus aller Welt. Die Einrichtung stehe für Lehre auf höchstem Niveau und sei mit ihren Hilfsprojekten im In- und Ausland zugleich sozial engagiert. Wissensvermittlung müsse sich für den gesellschaftlichen Dialog einsetzen und „Arme und Ausgegrenzte“ einbeziehen, erinnerte er.
„Die Universität, die auf ihre Aufgabe fokussiert ist, muss immer offen dafür sein, einen Archipel zu schaffen, der das in Beziehung zu setzen vermag, was gesellschaftlich und kulturell als getrennt betrachtet werden könnte. Die Ausgegrenzten sollen auf kreative Weise in den akademischen Bildungsplan miteinbezogen und aufgenommen werden, indem man Bedingungen zu schaffen sucht, um einen Bildungsstils zu fördern, der Brüche und Distanzen mildern kann. Das niveauvolle Universitätsstudium darf nicht als ein Privileg von Wenigen betrachtet werden, sondern muss von dem Bewusstsein begleitet werden, Diener der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls zu sein.“
Dank an Japan
Es war die letzte offizielle Ansprache, die der Papst auf japanischem Boden hielt. So nutzte er die Gelegenheit für ein kleines Resümee. Als „kurz, aber intensiv“ bezeichnete Franziskus seinen Japanaufenthalt, für den er „Gott und dem ganzen japanischen Volk“ dankte.
„Auch wenn die Christen eine Minderheit sind, so spürt man doch ihre Anwesenheit. Ich selbst kann die allgemeine Wertschätzung gegenüber der katholischen Kirche bezeugen und hoffe, dass diese gegenseitige Achtung in Zukunft weiterwächst. Ich habe auch beobachtet, dass trotz der Effizienz und der Ordnung, die die japanische Gesellschaft kennzeichnen, doch ein Wunsch nach einem Mehr wahrzunehmen ist: ein tiefer Wunsch, eine immer menschlichere, mitfühlendere und barmherzigere Gesellschaft zu schaffen.“
Ein Geschenk der ganz besonderen Art...
Abschließend überreichten die Gastgeber dem Papst noch ein ganz besonderes Geschenk: eine Statue der „Maria Kannon“, die an das Leid der Untergrundchristen erinnert. Da diese ihren Glauben nur im Verborgenen praktizieren konnten, entwickelten sie eine Reihe von Schutzmechanismen, schufen unauffällige Statuen der Jungfrau Maria, die der buddhistischen Gottheit Kannon, Symbol für den barmherzigen Buddha, ähnelten.
Nach dem Universitätsbesuch begab sich der Papst zum Flughafen Tokio-Haneda, wo er offiziell verabschiedet wurde. Danach trat er den langen Rückflug nach Rom an, wo er am Dienstag um 17.05 Uhr auf dem Flughafen Fiumicino erwartet wird.
(vatican news – pr)
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