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Papst in Thailand: Seine Großkusine ist schon vor ihm da

Bei seinem Besuch in Thailand trifft Papst Franziskus auch eine Verwandte: Es ist die Ordensfrau Ana Rosa Sivori. Die 77-jährige Argentinierin lebt und arbeitet schon seit über vierzig Jahren in Thailand. Radio Vatikan hat mit ihr über ihren berühmten Vetter gesprochen.

Stefan von Kempis, Vatikanstadt, und Jörg Dunsbach, Bangkok

Nein, die engste Verwandte des Papstes ist sie nicht. Das sagt die Don-Bosco-Schwester uns mit einem Lachen. „Wenn die Thailänder hören, dass ich nur seine Kusine zweiten Grades bin, dann sagen sie: Oh – das ist aber weit entfernt! Entfernte Verwandtschaft… Aber für uns, in unserer Familie, ist das nicht so. Wir sind einander nahe, Tanten und Onkel.“

Ihren Vetter Jorge Mario hat sie damals in Buenos Aires immer wieder mal gesehen, auf Familienfeiern vor allem, aber es sei nicht so, dass sie als Kinder zusammen gespielt hätten. „Er ist sechs Jahre älter als ich. Als ich studierte, wurde er gerade mit seinem Studium fertig; ich erinnere mich noch, dass ich an irgendeiner Feier teilgenommen habe, als er ins diözesane Priesterseminar eintrat. Damals war ich 15, und er war 21 Jahre alt. 1965 verließ ich nach meiner Profess Argentinien, mit 33 Jahren. Also, sehr oft haben wir uns nicht gesehen.“

„Seine Predigten rühren ans Herz“

Trotzdem, der Kontakt riss nie ab. „Als ich das erste Mal nach neun Jahren wieder von Thailand aus nach Argentinien zurückkam, da war ich mit meinen Eltern zusammen bei ihm; er war damals Rektor des Provinzhauses der Jesuiten. Und seitdem habe ich ihn jedes Mal besucht, wenn ich – nach sechs oder acht Jahren – wieder von Thailand nach Argentinien reiste.“

Ihr geistlicher Ratgeber ist der heutige Papst nicht, sagt die schmale, weißgekleidete Ordensfrau. „Nein, nein. Denn wir haben uns ja nur sporadisch getroffen. Auch jetzt ist er ja in Rom, und ich bin hier in Thailand! Aber seine Predigten finde ich sehr hilfreich, denn seine Gedanken sind tiefgehend und rühren ans Herz. Er redet nicht einfach nur so vor sich hin – was er sagt, ist einfach, aber sehr tiefgehend, zu Herzen gehend.“

Zum Nachhören

„Er rief mich, und hier bin ich!“

Nicht der Vetter war wichtig für ihre Berufung – eher schon die Gebete der Eltern. „Wir sind drei Geschwister, und ich habe hinterher von einer Bekannten gehört, dass meine Mutter ihr gesagt habe: Sie bete, dass wenigstens eines von uns Kindern in einen Orden gehen werde. Ich hatte in meiner Kindheit nie an die Möglichkeit gedacht, Ordensfrau zu werden; ich war ein ganz normales Mädchen, das gerne mit Freunden rausging und das Leben genoss.“

Aber irgendwann kam es ihr dann „zu egoistisch“ vor, nur für sich selbst zu leben; sie merkte – so erzählt sie heute –, dass es sie nicht ausfüllte, mit ihren Freunden die ganze Nacht Party zu machen. „Da habe ich überlegt: Vielleicht ruft Gott mich? Auf so eine Idee war ich früher nie gekommen. Und tatsächlich – er rief mich, und hier bin ich!“

„Die Katholiken sind die Ärmsten überhaupt“

Hier – das meint in diesem Fall Udon Thani im Norden Thailands nahe an der Grenze zu Laos. Dort ist Schwester Ana Rosa, die vor Jahrzehnten in Buenos Aires ein Lehramtsstudium absolviert und dann in Indien ein Chemiestudium draufgesetzt hat, stellvertretende Leiterin der katholischen Marienschule ihres Ordens. Ihre Lehrtätigkeit hat sie im Lauf der Jahrzehnte quer durch Thailand geführt, in Udon Thani ist sie schon zum sechsten Mal.

„Das war früher ein sehr armer Ort, aber nach dem Vietnamkrieg, während dem die Amerikaner eine Militärbasis in der Nähe unterhalten hatten, hat sich das allmählich geändert. Heute ist das eine Großstadt mit allem Komfort und Luxus – und auch die Menschen haben sich verändert, sie sind jetzt wohlhabender. Aber an den Stadträndern sind die Menschen weiterhin sehr, sehr arm, und die Katholiken sind die Ärmsten überhaupt.“

Eine ganz normale katholische Familie

Die Papst-Kusine ist eine von neun Don-Bosco-Schwestern, die an der Schule tätig sind. „Die weitaus meisten Schüler sind Buddhisten, und die meisten Lehrer auch, aber sie arbeiten im Geist von Don Bosco. Meine Mission besteht einfach darin, da zu sein und den Menschen zu helfen, ihr Glück zu finden. Wir haben in der Schule 2.300 Schüler und 135 Lehrer. Das ist also eine große Aufgabe: ihnen zu helfen und sie daran zu erinnern, dass Bildung wichtiger ist als Unterricht. Es geht nicht nur darum, Mathe oder Bio zu unterrichten, sondern diese jungen Leute zu formen, damit sie gute Menschen werden. Das ist eine ziemlich wichtige Aufgabe.“

Schwester Ana Rosa war selbst in Buenos Aires auf einer kirchlichen Schule. Aber „übermäßig religiös“ sei ihre Familie nicht gewesen. „Nein“, sagt sie heute, „eine normale katholische Familie“. Bei ihrem Vetter Jorge war das offenbar nicht anders.

„Jorge wollte Missionar in China werden“

„Ich hörte damals, dass er Missionar werden wollte. Er wollte nach China gehen, oder nach Indien – in solche Länder. Es gab damals einen bekannten Jesuitenmissionar, der in China lebte, das war sein Modell. Aber dann hörte ich, dass irgendein Vorgesetzter ihm sagte: Nein, du bist nicht gesund genug, um Missionar zu werden. Solche Dinge habe ich aber in der Regel immer mit Verspätung erfahren.“

Denn damals sei es nicht üblich gewesen, in ständigem Kontakt miteinander zu stehen. „Ich war ja in Thailand; man telefonierte nicht über so weite Strecken, sondern ich schickte meinen Eltern Briefe. Die brauchten einen Monat, bis sie in Argentinien eintrafen. Dann antworteten meine Eltern, und der Brief brauchte dann auch wieder einen Monat bis nach Thailand. Also, das waren immer alte Neuigkeiten.“

„Computer? Das kann der nicht“

Mittlerweile kommuniziert die agile 77-jährige Ordensfrau mit ihrer Schwester und mit der Frau ihres verstorbenen Bruders per Whatsapp. Nein, der Papst ist nicht mit drin in ihrer Whatsapp-Community. „Überhaupt nicht! Der kann das nicht. Der kann noch nicht mal mit dem Computer umgehen. Das letzte Mal, dass ich ihn in Argentinien besucht habe, war er schon 75, und er sagte mir: Sobald ich im Ruhestand bin, mache ich mal einen Computerkurs.“ Es ist ja dann bekanntlich anders gekommen.

Manchmal schickt der Vetter aus Rom ein Paket mit Büchern

Kontakt zu Jorge, also Papst Franziskus, sucht Schwester Ana Rosa in der Regel mit Emails an seinen Sekretär. Der antworte dann und teile ihr mit, was der Papst gesagt habe. Franziskus selbst habe gar kein Handy und sitze auch nie am Computer. „Er schreibt alles mit Stift auf Papier. Wenn er mir Bücher schickt – er ist ein großer Leser –, dann schreibt er selbst die Adresse draußen auf den Briefumschlag. Das gibt er nicht seinem Sekretär, so etwas macht er selber.“

„Regierung will die Papst-Reden vorher sehen“

In den Tagen des Papstbesuchs ist Schwester Ana Rosa in Bangkok – und zwar auf Bitten ihres Vetters. „Er wollte, dass ich die ganze Zeit in seiner Nähe bin. Auch wenn ich nicht weiß, ob das irgendetwas bringt… Über Pater Mauricio (Rueda), den Organisator der Papstreisen, hat er mir ausrichten lassen, er fühle sich sicherer, wenn ich die ganze Zeit in der vatikanischen Nuntiatur wäre, falls es mal etwas zu übersetzen gibt. Oder falls er mal fragen will: Was soll ich hier jetzt tun, oder was erwartet der hier sich von mir? Hier in Thailand können nur wenige Menschen Italienisch. Und ich soll auch überall im Auto mit ihm hinfahren.“

Die Schwester spricht Thai, die Landessprache. Sie ist an den Übersetzungen der Papst-Texte beteiligt und verrät uns, dass die Regierung die wichtigsten Papstreden „vorher sehen“ wollte. Bei den Begegnungen des Papstes mit dem König und mit dem Ministerpräsidenten wird Ana Rosa Sivori voraussichtlich dolmetschen.

Die zwei oder drei Gesichter der Thailänder

Dass ihr Vetter in Bangkok in politischer Hinsicht eine klare Rede führen wird, glaubt sie nicht. Sie hält es auch nicht für geboten. Bei seinem Besuch in Myanmar Ende 2017 beispielsweise sprach Franziskus das Wort „Rohingya“ noch nicht einmal aus. Das sei kein Fehler gewesen und erst recht kein Zeichen von Feigheit, erklärt die Kusine aus dem kulturellen Rahmen Südostasiens heraus. 

„Die Probleme hier in Thailand sind alle unter dem Teppich. Das ist nicht wie in anderen Ländern; hier geht alles in einem anderen Stil vor sich. Alle gehen höflich miteinander um; es gibt sehr viele Probleme, aber die Leute denken nicht Tag und Nacht daran. Ich bin darum nicht sicher, dass die Menschen vom Papst erwarten, dass er (in politischer Hinsicht) etwas sagt. Sie sind nicht unbedingt mit der Regierung einverstanden und auch nicht unbedingt mit der Königsfamilie – aber das sagen sie nicht gleich öffentlich. Menschen in Thailand haben zwei Gesichter, oder drei oder vier.“

Alle respektierten die Königsfamilie, erklärt Schwester Ana Rosa. „Aber wer etwas gegen sie hat, der spricht nicht darüber. Wir haben eine andere Mentalität und halten so etwas nicht für gut, aber… Ich glaube jedenfalls nicht, dass der Papst etwas sagen wird. Er wird vielleicht sagen: Steht an der Seite der Armen, helft den Armen, den alten Leuten, den Kindern! Allgemeine Dinge… Aber Dinge, die an die Probleme des Landes rühren.“

„Alle sind im Papst-Fieber“

In ihrem Bekanntenkreis herrscht große Vorfreude auf den Papstbesuch, berichtet die Don-Bosco-Schwester. „Sie sind sehr aufgeregt – jeder will nach Bangkok kommen. Dabei passen nur 28.000 Menschen ins Stadion, darum werden viele ihn nicht sehen können. Ich sage ihnen immer: Aber ihr werdet ihn im Stadion doch nur ganz aus der Ferne sehen werden – das macht nichts, Sister, sagen sie dann, dafür bekommen wir die ganze Atmosphäre mit! Ja, sie sind alle sehr aufgeregt. Im Papst-Fieber!“

Jorge kann kommen.

(vatican news)

Das Gespräch mit Schwester Ana Rosa Sivori führte für uns Jörg Dunsbach, der deutsche Pilgerseelsorger in Bangkok. Wir danken ihm herzlich dafür!
 

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19. November 2019, 11:36