Franziskus empfängt Migranten aus Lesbos: „Lager in Libyen leeren"
Franziskus äußerte sich im Vatikan bei einem Treffen mit jenen Geflüchteten, die kürzlich über einen humanitären Korridor des Heiligen Stuhles aus griechischen Lagern nach Rom gekommen waren.
„Wie können wir den verzweifelten Schrei so vieler Brüder und Schwestern überhören, die sich lieber dem Sturm auf dem Meer aussetzen, als langsam in libyschen Gefangenenlagern zu sterben?”, fragte der Papst in seiner vorbereiteten Rede. „Wie können wir gleichgültig bleiben gegenüber dem Missbrauch und der Gewalt, deren Opfer sie ohne Schuld sind, und sie der Gnade skrupelloser Menschenhändler ausliefern? Wie können wir, ähnlich wie der Priester und der Levit im Gleichnis vom barmherzigen Samariter, vorübergehen und uns mitschuldig an ihrem Tod machen? Unsere Trägheit ist eine Sünde!”
Er danke dem Herrn für all jene, die „nicht gleichgültig bleiben und ihr Bestes tun”, um den bedrängten Menschen auf der Flucht zu helfen, „ohne zu viele Fragen darüber zu stellen, wie oder warum der arme Halbtote ihren Weg gekreuzt” habe. „Das Problem wird nicht dadurch gelöst, dass ihre Schiffe blockiert werden”, verdeutlichte der Papst. „Wir müssen uns ernsthaft für die Leerung der Gefangenenlager in Libyen einsetzen und alle möglichen Lösungen bewerten und umsetzen. Wir müssen die Menschenhändler, die die Migranten ausbeuten und misshandeln, anprangern und strafrechtlich verfolgen.”
Franziskus rief ausdrücklich dazu auf, wirtschaftliche Interessen hintanzustellen und das Leben der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken. „Wir müssen helfen und retten, denn wir alle sind für das Leben unseres Nächsten verantwortlich”, so der Papst.
Das Kirchenoberhaupt nahm bei der Begegnung ein denkwürdiges Geschenk entgegen: Eine orange Rettungsweste, die zusammen mit transrapentem Acryl in Kreuzform gegossen ist. Die Weste nimmt die Stelle des Körpers Jesu auf dem Kruzifix ein. Das Kreuz wurde in Anwesenheit des Papstes und seiner Gäste enthüllt und unmittelbar danach in einem Korridor aufgehängt, der vom Belvedere-Hof in die Büroräume der Kurie führt. Franziskus sammelte sich in kurzem Gebet vor dem Krufizix und lud die übrigen Anwesenden dazu ein, dasselbe zu tun.
Schon die zweite Rettungsweste für den Papst
Es sei schon die zweite Rettungsweste, die er geschenkt bekommen habe, sagte der Papst davor in seiner Rede. Die erste hatte ihm vor einigen Jahren Oscar Camps geschenkt, der Gründer der spanischen Seenotrettungs-NGO „Proactiva Open Arms”. „Sie gehörte einem Mädchen, das im Mittelmeer ertrunken ist”, erinnerte sich Franziskus. Die zweite Rettungsweste, die nun zu diesem Kreuz verarbeitet ist, habe er erst vor einigen Tagen erhalten. Wer sie getragen habe, wisse man nicht, bekannt seien nur die Koordinaten ihres Fundortes. „Wir stehen vor einem weiteren Tod, der auf Ungerechtigkeit zurückgeht”, so Franziskus. „Denn es ist Ungerechtigkeit, die viele Migranten dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Es ist Ungerechtigkeit, die sie zwingt, Wüsten zu durchqueren und Missbrauch und Folter in Haft-Camps zu erleiden. Es ist Ungerechtigkeit, die sie zurückdrängt und im Meer sterben lässt.”
Für Christen sei das Kreuz Symbol des Leidens und des Opfers, aber auch der Erlösung und des Heils, des Gerettetseins, fuhr der Papst fort. Das Krufizix mit der eingearbeiteten Rettungsweste leuchte, „weil es unseren Glauben in die Auferstehung, in den Sieg Christi über den Tod ermutigt”. Der unbekannte Migrant, „der mit der Hoffnung auf ein neues Leben gestorben ist, hat Teil an diesem Sieg”, sagte Franziskus. „Ich habe mich dazu entschlossen, die ,gekreuzigte´ Rettungsweste hier anzubringen, damit wir uns daran erinnern, dass wir immer die Augen offen halten müssen, das Herz offen halten müssen”. Er wolle alle an die unauflösliche Verpflichtung erinnern, „jedes Menschenleben zu retten, eine moralische Pflicht, die Glaubende und Nichtglaubende vereint.”
Bei der Begegnung im Vatikan waren auch die beiden Kardinäle zugegen, die Franziskus mit der Agenda Flucht, Migration und Armut betraut hat, der Kanadier Michael Czerny und der Pole Konrad Krajewski. Eine Freiwillige von Sant´ Egidio machte den Papst mit den Geflüchteten bekannt. Die katholische Basisgemeinde hat in Zusammenarbeit mit den Waldensern einen humanitären Korridor eingerichtet, über den Migranten und Flüchtlinge sicher und legal nach Italien kommen können. Sant´ Egidio betreut auch die 33 neu angekommenen Flüchtlinge, die der päpstliche Almosenmeister Kardinal Krajewski vor zwei Wochen aus Griechenland nach Rom begleitet hatte.
(vatican news)
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