Jahresschluss mit Papst Franziskus: Gott in unserer Stadt entdecken
Christine Seuss - Vatikanstadt
„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn (Galater 4,4)“ – mit diesem Zitat aus dem Galaterbrief leitete Franziskus seine Predigt am Vorabend des Hochfestes der Gottesmutter Maria ein, das die Kirche am 1. Januar begeht. Gott, so Franziskus, wählte eine kleine, verachtete Stadt wie Jerusalem, um in seinem Sohn seine Liebe zu offenbaren. Zwar riefen die Worte und Zeichen, die Jesus in Jerusalem vollbrachte, Stauen und Begeisterung hervor – diese verflogen jedoch ebenso schnell wieder, so dass die Bürger, vor die Wahl gestellt, lieber Jesus statt Barnabas am Kreuz sehen wollen.
„Aber von dort aus, vom Kreuz, dem neuen Baum des Lebens, wird die Kraft Gottes jeden zu sich ziehen. Und auch die Mutter Gottes, die unter dem Kreuz die Schmerzensmutter ist, ist dabei, ihre Mutterschaft auf alle Menschen auszudehnen. Die Mutter Gottes ist die Mutter der Kirche und ihre mütterliche Zärtlichkeit erreicht alle Menschen“, betonte Franziskus, um dann den Blick in unsere Wirklichkeit zu lenken.
Denn Gott, so gab der Papst zu bedenken, habe sein „Zelt in der Stadt aufgeschlagen“ – und sei dort geblieben. Es liege nun an uns, unseren Blick neu, kontemplativ, auszurichten, um ihn dort zu entdecken. Auch und gerade weil der Herr für die Erfüllung seines Werkes keine „mächtigen Männer ziviler und religiöser Institutionen“ ausgewählt habe, sondern vielmehr „Frauen am Rande des Weltreiches“, wie Maria und Elisabeth.
Er wolle, so der Papst weiter, dass unser aller Blick - konkret auf die Stadt Rom - „die Dinge aus der Sicht Gottes“ erfasse: „Der Herr freut sich zu sehen, wie viel Gutes jeden Tag verwirklicht wird, wie mit viel Mühe und Hingabe die Brüderlichkeit und Solidarität gefördert werden. Rom ist nicht nur eine komplizierte Stadt, mit vielen Problemen, Ungleichheiten, Korruption und sozialen Spannungen. Rom ist eine Stadt, in die Gott sein Wort sendet, das durch den Heiligen Geist in den Herzen der Einwohner lebt und sie zum Glauben, zur Hoffnung trotz allem, zur Liebe und zum Einsatz für das Wohl aller Menschen anspornt.“
Dem Papst, der auch Bischof von Rom ist, war es ein Anliegen, den Einsatz vieler Helfer in der Stadt zu würdigen. „Ich denke an die vielen mutigen Menschen, Gläubige und Nichtgläubige, die ich im Laufe der Jahre kennen gelernt habe und die das "schlagende Herz" Roms repräsentieren“, betonte Franziskus. Kirche und Gesellschaft, alle gemeinsam, so stieß der Papst zum Kern seiner Predigt vor, müssten sich solidarischer zeigen. Dazu gehöre es auch, den Menschen zu begegnen, ihr Dasein und ihre Nöte ernst zu nehmen – und vor allem, ihnen zuzuhören:
„Zuhören ist bereits ein Akt der Liebe! Zeit für die anderen zu haben, miteinander reden, mit kontemplativem Blick die Gegenwart und das Handeln Gottes im Leben der anderen zu erkennen, mit Taten statt mit Worten Zeugnis für das neue Leben des Evangeliums abzulegen, - das ist wirklich ein Liebesdienst, der die Wirklichkeit verändert.“ Auf diese Weise könne sich nicht nur in der Stadt, sondern auch in der Kirche tatsächlich „neue Luft“ verbreiten und der Wunsch entstehen, „die alte Logik der Opposition und der Grenzen zu überwinden, zusammenzuarbeiten und eine gerechtere und geschwisterliche Stadt zu bauen“, schloss Franziskus seine kurze Predigt.
Hintergrund
Das Fest der Muttergottes bildet liturgisch die Klammer des Jahreswechsels, die erste Vesper wird am Vorabend gefeiert, dem Silvestertag. Die Messfeier dann zum Jahresbeginn am Vormittag des ersten Januars, dem Oktavtag des Weihnachtsfestes.
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.