Wortlaut: Franziskus bei seiner Generalaudienz
Das ist eine Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan. Den offiziellen Text finden Sie in Kürze auf der offiziellen Internetseite des Vatikans.
„Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Heute feiern wir den 50. Welttag der Erde. Es ist eine Gelegenheit, unsere Verpflichtung zu erneuern, unser gemeinsames Haus zu lieben und für es und für die schwächsten Mitglieder unserer Familie zu sorgen. Wie uns die tragische Coronavirus-Pandemie zeigt, können wir globale Herausforderungen nur gemeinsam und nur gemeinsam mit den Schwächsten bewältigen. Die Enzyklika Laudato si’ hat genau diesen Untertitel: „über die Sorge um das gemeinsame Haus“. Heute werden wir gemeinsam über diese Verantwortung nachdenken, die unseren Weg auf dieser Erde kennzeichnet (LS, 160). Wir müssen in unserem Bewusstsein noch wachsen, was die Pflege des gemeinsamen Hauses betrifft.
Wir sind aus irdischer Materie gemacht, und die Früchte der Erde erhalten unser Leben. Aber, wie das Buch Genesis uns ih Einengung ruft, sind wir nicht einfach irdisch: Wir tragen auch den Atem des Lebens in uns, der von Gott kommt (vgl. Gen 2,4-7). Wir leben daher im gemeinsamen Haus als eine Menschheitsfamilie und in biologischer Vielfalt mit den anderen Geschöpfen Gottes. Als Abbild Gottes sind wir aufgerufen, uns um alle Geschöpfe zu kümmern und sie zu respektieren und Liebe und Mitgefühl für unsere Brüder und Schwestern zu hegen, besonders für die Schwächsten, in Nachahmung der Liebe Gottes zu uns, die sich in seinem Sohn Jesus manifestiert. Er ist Mensch geworden, um diese Situation mit uns zu teilen und um uns zu retten.
Aus Egoismus haben wir in unserer Verantwortung als Hüter und Verwalter der Erde versagt. „Es genügt, die Realität mit Aufrichtigkeit zu betrachten, um zu erkennen, dass es eine große Verschlechterung in unserem gemeinsamen Haus gibt" (ebd., 61). Wir haben es verschmutzt, wir haben es geplündert und damit unser eigenes Leben gefährdet. Aus diesem Grund haben sich verschiedene internationale und lokale Bewegungen gebildet, um das Gewissen zu wecken. Ich weiß diese Initiativen aufrichtig zu schätzen, und es wird weiterhin notwendig sein, dass unsere Kinder auf die Straße gehen, um uns zu lehren, was offensichtlich ist, nämlich dass es für uns keine Zukunft gibt, wenn wir die Umwelt zerstören, die uns erhält.
Wir haben bei der Bewachung der Erde, als unser Haus und unseren Garten und bei der Bewachung unserer Brüder versagt. Wir haben gegen die Erde gesündigt, gegen unseren Nächsten und letztlich gegen den Schöpfer, den guten Vater, der für alle sorgt und möchte, dass wir in Gemeinschaft und Wohlstand zusammenleben. Und wie reagiert die Erde? Es gibt dazu ein sehr klares spanisches Sprichwort, das geht so: Gott vergibt immer, die Menschen vergeben manchmal, die Erde vergibt nie. Die Erde vergibt nicht! Wenn wir die Erde verwüsten, wird die Antwort sehr hässlich ausfallen.
Wie können wir eine harmonische Beziehung mit der Erde und dem Rest der Menschheit wiederherstellen? Eine harmonische Beziehung… So oft verlieren wir diese Vision von der Harmonie – sie ist das, was der Heilige Geist herstellt. Auch im gemeinsamen Haus, der Erde, auch in unserer Beziehung zu anderen, zum Nächsten, zu den Ärmsten, zur Erde… Die Harmonie: Wie können wir diese Harmonie wiederherstellen?
Das Evangelium der Schöpfung
Wir brauchen eine neue Sichtweise auf unser gemeinsames Haus. Verstehen wir uns: Es handelt sich nicht um ein Ressourcenlager, das ausgebeutet werden soll. Für uns Gläubige ist die natürliche Welt das „Evangelium der Schöpfung“, das die schöpferische Kraft Gottes in der Ausgestaltung des menschlichen Lebens und in der Existenz der Welt zusammen mit dem, was sie enthält, um die Menschheit zu erhalten, zum Ausdruck bringt. Der biblische Schöpfungsbericht kommt zu folgendem Schluss: „Gott sah, was er geschaffen hatte, und siehe, es war sehr gut“ (Gen 1,31). Wenn wir diese Umweltkatastrophen sehen – die Antwort der Erde auf ihre üble Behandlung durch uns –, dann denke ich mir: Wenn ich jetzt den Herrn fragen würde, was er davon hält, würde die Antwort wohl nicht sehr positiv ausfallen. Wir haben das Werk des Herrn ruiniert!
Wenn wir heute den Welttag der Erde begehen, sind wir aufgerufen, den heiligen Respekt vor der Erde wiederzuentdecken, denn sie ist nicht nur unsere Heimat, sondern auch die Heimat Gottes. Daraus wächst in uns das Bewusstsein, dass wir uns auf heiligem Boden befinden!
Die Weisheit des guten Lebens
Liebe Brüder und Schwestern, „erwecken wir den Sinn für das Ästhetische und Kontemplative wieder in uns, den Gott in uns angelegt hat“. (Apostolisches Schreiben Querida Amazonien, 56). Die Prophezeiung der Kontemplation ist etwas, das wir besonders von den ursprünglichen Völkern lernen, die uns lehren, dass wir die Erde nicht heilen können, wenn wir sie nicht lieben und respektieren. Sie haben diese Weisheit des guten Lebens – nicht im Sinn von sich-Vergnügen, nein. Des Lebens in Harmonie mit der Erde. Gut zu leben – so nennen sie diese Harmonie.
Gleichzeitig brauchen wir eine ökologische Umkehr, die sich in konkreten Aktionen ausdrückt. Als eine einzige, voneinander abhängige Familie brauchen wir einen gemeinsamen Plan, um Bedrohungen gegen unser gemeinsames Heim abzuwenden. „Interdependenz zwingt uns, an eine Welt, an ein gemeinsames Projekt zu denken“ (LS, 164). Wir sind uns der Bedeutung der Zusammenarbeit als internationale Gemeinschaft für den Schutz unseres gemeinsamen Hauses bewusst. Ich fordere die Verantwortlichen eindringlich auf, den Prozess anzuführen, der zu zwei großen internationalen Konferenzen führen wird: COP15 zur biologischen Vielfalt in Kunming (China) und COP26 zum Klimawandel in Glasgow (Großbritannien). Diese beiden Konferenzen sind ausgesprochen wichtig!
Für eine konzertierte Aktion zur Rettung der Umwelt
Ich würde eine konzertierte Aktion auch auf nationaler und lokaler Ebene befürworten. Es ist gut, aus allen sozialen Verhältnissen heraus zusammenzukommen und auch von unten nach oben eine Graswurzelbewegung zu schaffen. So wurde der Welttag der Erde selbst geboren, den wir heute feiern. Jeder von uns kann seinen eigenen kleinen Beitrag leisten: „Wir dürfen nicht glauben, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern werden. Solche Aktionen verbreiten ein Gut in der Gesellschaft, das immer über das Sichtbare hinaus Früchte trägt, weil sie innerhalb dieser Erde ein Gut provozieren, das immer dazu neigt, sich auszubreiten, manchmal unsichtbar“ (LS, 212).
In dieser österlichen Zeit der Erneuerung sollten wir uns verpflichten, das großartige Geschenk der Erde, unser gemeinsames Heim, zu lieben und zu schätzen und uns um alle Mitglieder der Menschheitsfamilie zu kümmern. Lasst uns gemeinsam als Brüder und Schwestern, die wir sind, unseren himmlischen Vater anflehen: "Sende deinen Geist und erneuere das Antlitz der Erde" (vgl. Ps 104,30).
(vatican news – übersetzung: claudia kaminski)
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