Der Kardinal, das Virus und die Debatte
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Man kann es bedauern, dass Kirchenleute wieder mal als anti-aufklärerische Dunkelmänner dastehen. Oder man kann es durchaus bedenkenswert finden, wenn Kardinal Müller gegenüber der „Zeit“ erklärt, er könne doch „Kirchenschließungen kritisieren, wenn Supermärkte geöffnet sind“.
Auf jeden Fall lohnt es sich aber angesichts dieser Debatte, sich etwas zurückzulehnen und noch einmal über das große Thema des emeritierten Papstes Benedikt XVI. nachzudenken: das Ineinander nämlich von Glauben und Vernunft. Beide sind miteinander eng verkettet, stützen sich, bringen sich gegenseitig ins rechte Verhältnis, lehrte der deutsche Papst.
Glaube und Vernunft sollten keine Antipoden sein
Denn die Vernunft des Menschen, so formulierte es Benedikt, „atmet“ gewissermaßen: „Das heißt, sie bewegt sich in einem weiten, offenen Horizont, wo sie das Beste von sich zum Ausdruck bringen kann. Wenn der Mensch sich dagegen darauf beschränkt, nur an materielle und im Experiment überprüfbare Objekte zu denken, und sich den großen Fragen über das Leben, über sich selbst und Gott verschließt, verarmt er.“ (Angelus, 28.1.07)
Glaube ohne Vernunft wird fundamentalistisch, und einer Vernunft ohne Glauben droht die Engstirnigkeit. Vielleicht ist auch diese kirchliche Corona-Debatte ein guter Anlass, über das richtige Zusammenspiel von Glaube und Vernunft nachzudenken? Ich frag' ja nur.
Kempis leitet das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan und Vatican News.
(vatican news)
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