Papst bei Generalaudienz: Möge uns die Krise näherrücken lassen
Silvia Kritzenberger – Vatikanstadt
Zu Beginn der Generalaudienz hatte der Papst auf seinem Weg durch den Mittgelgang des Areals mit Gläubigen gesprochen, dabei aber stets den gebotenen Abstand gewahrt. Am 26. Februar fand die letzte Generalaudienz mit Gläubigen auf dem Petersplatz statt. Seit dem 11. März wurden die Audienzen ausschließlich im Live-Stream übertragen. Die Freude darüber, den Gläubigen endlich wieder nah sein zu können, war Franziskus an diesem Mittwoch deutlich anzusehen.
In der Fortsetzung seiner Katechesenreihe zur Frage, wie die Kirche zur Heilung der durch die Pandemie verstärkt auftretenden sozialen Krankheiten, wie Ungleichheit und Ausgrenzung, beitragen kann, ging Franziskus auf das Thema der Solidarität ein.
Solidarität ist mehr als eine großzügige Geste
„Die gegenwärtige Pandemie zeigt, wie sehr wir alle miteinander verbunden sind – im Schlechten wie im Guten. Daher können wir nur gemeinsam und solidarisch diese Krise überwinden“, betonte Franziskus. „Solidarität ist mehr als die ein oder andere großzügige Geste. Es geht dabei um eine Mentalität, eine Gesinnung des „Wir“, für die jeder Mensch gleich wichtig und wertvoll ist. Solidarität bedeutet also auch Gerechtigkeit.“
Das „Babel-Syndrom“...
Mit der Erzählung vom Turmbau zu Babel führe uns die Bibel vor Augen, was passiert, wenn wir zu „hoch hinaus“ wollten, dabei aber die Verbindung mit den Mitmenschen, mit der Schöpfung und mit dem Schöpfer ignorierten, so Franziskus. Der Papst veranschaulichte dies an einer mittelalterlichen Erzählung, die dieses „Babel-Syndrom“ beschreibt: „Wenn es passierte, dass während des Turmbaus ein Mann abstürzte und starb, interessierte das niemanden, heißt es dort. Wenn aber ein Ziegelstein herunterfiel und zerbrach, waren alle empört. Wie erklärt sich das? Weil Ziegelsteine teuer waren. Ziegel herzustellen, war zeit- und arbeitsaufwändig. Ein Ziegelstein war mehr wert als ein Menschenleben,“ resümierte Franziskus und erinnerte daran, dass diese menschenverachtende Profitgier auch heute noch nur allzu verbreitet sei: „Wenn die Finanzmärkte einen Einbruch erleiden, steht das in allen Zeitungen. Wenn Tausende von Menschen Hungers sterben, wird kein Wort darüber verloren,“ beklagte er.
Im Gegensatz zu Babel stehe das Pfingstereignis, führte der Papst weiter aus: „Der Geist schafft Einheit in der Vielfalt, er schafft Harmonie. Und dann ist der andere nicht länger nur ein Werkzeug, eine reine „Arbeitskraft“, sondern trägt mit seiner Eigenheit zum Aufbau der Gemeinschaft bei.“ Eine solche solidarische Vielfalt verhindere, dass die Einzigartigkeit des Einzelnen in Individualismus und Egoismus abdrifte und saniere jene sozialen Strukturen und Prozesse, die zu Systemen von Ungerechtigkeit und Unterdrückung degeneriert seien, betonte Franziskus und schlussfolgerte „Deshalb ist die Solidarität heute auch der Weg, den die Welt nach der Pandemie einschlagen muss; der Weg der Heilung unserer zwischenmenschlichen und sozialen Krankheiten.“
Abschließend erläuterte der Papst noch einmal, warum wir bei der Bewältigung der Krise, in die uns die Corona-Pandemie gestürzt hat, unbedingt auf Solidarität setzen müssten:
„Eine Solidarität, die vom Glauben geleitet wird, befähigt uns, die Liebe Gottes in unsere globalisierte Kultur einfließen zu lassen, und zwar nicht durch den Bau von Türmen oder Mauern, die trennen und dann einstürzen, sondern durch die Schaffung von Gemeinschaft und die Förderung von Prozessen, die ein wahrhaft menschliches Wachstum ermöglichen.“
Unmittelbarkeit tut der Seele gut
In seinem Grußwort an die Pilger deutscher Sprache sagte der Papst: „Es freut mich sehr, dass bei den Generalaudienzen nun wieder eine persönliche Begegnung von Angesicht zu Angesicht möglich ist. Solche Unmittelbarkeit brauchen wir als soziale Wesen und sie tut unserer Seele gut. Bitten wir den Herrn, dass die Krise die Menschheit nicht entzweit, sondern immer näher zusammenrücken lässt.“
(vaticannews – skr)
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