Papst: Liebe ist der Weg zur vollen Gemeinschaft

Papst Franziskus, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, haben in Rom gemeinsam ein ökumenisches Friedensgebet gehalten. Franziskus erteilte Egoismus dabei erneut eine Absage und warb stattdessen für Geschwisterlichkeit und Einheit. Landesbischof Bedford-Strohm ging am Dienstagnachmittag in der Basilika Santa Maria in Aracoeli auch auf die Mahlgemeinschaft ein: Sie sei sein „ganz persönlicher Traum“.

Rom - Stefanie Stahlhofen

Es war ein stimmungsvolles ökumenisches Friedensgebet an diesem Dienstagnachmittag in der Basilika am Kapitolshügel in Rom. Dass alle Teilnehmenden des ökumenischen Friedensgebets als Schutzmaßnahme vor dem Corona-Virus Masken trugen, tat dem keinen Abbruch.

Patriarch Bartholomaios I. erinnerte daran, dass Friede ein Geschenk Gottes ist. Er bat Gott, die Gebete der Christen für Versöhnung, eine Ende des Bösen, des Terrorismus und der Gewalt zu erhören und den Menschen Hoffnung zu schenken – auch angesichts der aktuellen Coronavirus-Pandemie. Es gelte, „gemeinsam die Heilung von jeglichem Bösen“ zu finden. Papst Franziskus sagte, gemeinsam beten zu können, sei ein Geschenk. Ausgehend vom Evangelium (Mk 15,30) führte er in seiner Predigt aus:

„Das wahre Evangelium nimmt die Kreuze der anderen auf die eigene Schulter“

„Das ,Evangelium‘ des ,Rette-dich-selbst‘ ist nicht das Evangelium des Heils. Es ist das falscheste unechte Evangelium, das den anderen das Kreuz auferlegt. Das wahre Evangelium hingegen nimmt die Kreuze der anderen auf die eigene Schulter.“

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Nur an sich selbst zu denken ist die Ursache allen Übels

Es sei leicht, andere zu kritisieren und das Schlechte beim Nächsten, statt bei sich selbst zu sehen und „letztlich die Schuld auf die Schwachen und Ausgegrenzten abzuwälzen“, führte Franziskus aus. Ebenso leicht sei es, Jesus nur zur Lösung der eigenen Probleme zu suchen:

„Aber Gott komm nicht so sehr deswegen zu uns, um uns von den immer wiederkehrenden Problemen zu befreien, sondern vielmehr, um uns vom wahren Problem zu erlösen, das der Mangel an Liebe ist. Das ist der tiefe Grund unserer persönlichen, sozialen, internationalen und ökologischen Probleme. Nur an sich selbst zu denken ist die Ursache allen Übels.“

„Mangel an Liebe ist. der tiefe Grund unserer persönlichen, sozialen, internationalen und ökologischen Probleme“

Nur die Liebe ist der Weg zur vollen Gemeinschaft unter uns

Gott sei gekommen, um alle Menschen zu retten, auch den, der meine, sich selbst retten zu können. Es gelte, auf den Glauben an Gott zu setzen statt auf den „Kult des Ich“, betonte Papst Franziskus. Er warb für Versöhnung und Geschwisterlichkeit statt Spaltung:

„Gott zeigt nicht mit dem Finger auf jemanden, sondern umarmt jeden. Denn nur die Liebe löscht den Hass, nur die Liebe überwindet die Ungerechtigkeit ganz und gar. Nur die Liebe macht Platz für den anderen. Nur die Liebe ist der Weg zur vollen Gemeinschaft unter uns.“

Mit Blick auf die volle Gemeinschaft unter den Christen hatte sich auch Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), geäußert. Er ging in seiner auf Englisch gehaltenen, eindringlichen Meditation beim ökumenischen Friedensgebet in Rom ganz konkret auf die Mahlgemeinschaft ein:

Der persönliche Traum Bedford-Strohms

„Leidenschaft für die Einheit der Kirche ist nicht irgendeine Sentimentalität bestimmter kirchlicher Interessensgruppen. Diese Leidenschaft für die Einheit ist Teil der DNA jeder Kirche. Und ich ergänze sehr persönlich: Während meiner Lebenszeit eines Tages diese Einheit in der gemeinsamen Feier des Abendmahls zu erfahren, ist mein ganz persönlicher Traum!“

„Während meiner Lebenszeit eines Tages diese Einheit in der gemeinsamen Feier des Abendmahls zu erfahren, ist mein ganz persönlicher Traum!“

Papst Franziskus hielt es diesbezüglich in seiner Predigt etwas allgemeiner, er lud zum Gebet für die „Gnade, dass wir noch mehr geeint und geschwisterlicher sind“. Die Frage nach dem Weg zur Einheit hatte auch Bedford-Strohm, der vor dem Papst gesprochen hatte, erörtert:

„Wie können wir als Kirchen Boten und Kundschafter von Gottes Heilung sein? Wie können wir Zeichen des Friedens und der Geschwisterlichkeit sein? Wie können wir ,Tutti Fratelli‘ (Alle Brüder) sein? Durch den Dreiklang von Beten, Gerechtigkeit üben und eins werden!”

Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der uns in einem Kind in Mozambique begegnet?

In seiner Meditation sprach der evangelische Landesbischof zudem allen Christen angesichts aktueller Tragödien ins Gewissen:

„Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der auf Hilfe wartet, für ein würdevolles Leben in den überfluteten Zelten der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln? Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der droht im Mittelmeer zu ertrinken, weil Europa nicht hilft und sogar zivile Rettungsboote an der Hilfe hindert? Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der uns in einem Kind in Mozambique begegnet, das nicht genug zu essen hat, um zu überleben?“

Frieden - nicht nur für Belarus, Kolumbien oder den Kaukasus

Auf die Meditation von Bedford-Strohm und Papst Franziskus folgte ein Moment des Schweigens, bei dem alle Teilnehmer die gehörten Worte meditieren konnten. Dann folgte das gemeinsame Gebet für den weltweiten Frieden, zudem sich alle erhoben. 29 konkrete Punkte wurden dabei angesprochen und für jeden eine Kerze entzündet. Explizit erwähnt wurde so etwa das Gebet für ein Ende der Spannungen und für Dialog in Belarus, für Friedensabkommen in Kolumbien sowie für ein Ende des Drogen-Kriegs in Mexiko. Auch für ein Ende des Kaukasus-Konflikts sowie Frieden und ein Ende der Gewalt im Heiligen Land und im Nahen Osten wurde gebetet, ebenso wie für die Befreiung entführter Menschen auf aller Welt und dafür, dass die Regierenden Wege des Dialogs und des Friedens finden . 

Hintergrund

Das gemeinsame ökumenische Gebet am Dienstagnachmittag in der römischen Basilika Santa Maria in Aracoeli war Teil des interreligiösen Friedenstreffens der Gemeinschaft Sant‘Egidio. Zeitgleich beteten auch andere große Religionen in Rom für weltweiten Frieden. Die diesjährige Ausgabe stand unter dem Motto „Niemand rettet sich allein - Friede und Geschwisterlichkeit“. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde der Teilnehmerkreis verkleinert – dafür nahm aber erstmals seit vier Jahren auch der Papst wieder teil.

Neben dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I, EKD-Chef Bedford Strohm und Papst Franziskus waren auch Vertreter weiterer christlicher Kirchen nach Rom zum ökumenischen Friedensgebet gekommen. Der Anglikaner Präses Justin Welby konnte aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht vor Ort sein, was Papst Franziskus ausdrücklich bedauerte.

(vatican news - sst)

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20. Oktober 2020, 17:21