Generalaudienz im Apostolischen Palast Generalaudienz im Apostolischen Palast 

Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut

Vatican News dokumentiert an dieser Stelle die Wortes des Papstes bei der Generalaudienz in einer Arbeitsübersetzung. Wie gewohnt finden Sie die offizielle Übersetzung in Kürze auf der Webseite des Vatikans unter www.vaticannews.va

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Audienzen müssen leider wieder in der Bibliothek stattfinden, um der Ansteckung mit Covid-19 vorzubeugen. Und das lehrt uns auch, dass wir die Anordnungen der Behörden genauestens befolgen müssen, sowohl der politischen Behörden als auch der Gesundheitsbehörden, um uns vor dieser Pandemie zu schützen. Bieten wir dem Herrn diese Distanz zwischen uns dar, zum Wohl aller, und denken wir an die vielen Kranken, an diejenigen, die bereits als Ausgegrenzte in die Krankenhäuser kommen; denken wir an die Ärzte, die Krankenschwestern, die Freiwilligen, die vielen Menschen, die sich in dieser Zeit der Kranken annehmen: sie riskieren ihr Leben, aber sie tun es aus Liebe zum Nächsten, als Berufung. Beten wir für sie.

Unser Video - die Generalaudienz mit Papst Franziskus am 4. November 2020

Während seines öffentlichen Lebens schöpft Jesus ständig aus der Kraft des Gebets. Die Evangelien berichten uns, dass er sich zum Beten an abgelegene Orte zurückzieht: Es handelt sich um nüchterne und diskrete Betrachtungen, die uns eine Vorstellung von jenen betenden Dialogen geben. Sie bezeugen aber auch, dass Jesus selbst in den Momenten der größten Hingabe an die Armen und Kranken nie den innigen Dialog mit dem Vater vernachlässigt hat. Je mehr er in die Bedürfnisse der Menschen eintauchte, desto mehr verspürte er das Bedürfnis, in der trinitarischen Gemeinschaft Ruhe zu finden.

Im Leben Jesu gibt es also ein Geheimnis, das vor den Augen des Menschen verborgen ist und das die Mitte von allem darstellt. Das Gebet Jesu ist eine geheimnisvolle Realität, die wir nur intuitiv erahnen können, die es uns aber erlaubt, seine gesamte Sendung in die richtige Perspektive zu stellen. In diesen einsamen Stunden – kurz vor dem Morgengrauen oder in der Nacht – taucht Jesus in die tiefe Einheit mit dem Vater ein: in die Liebe, nach die es jede Seele dürstet. Das geht aus den ersten Tagen seines öffentlichen Wirkens hervor.

An einem Samstag beispielsweise verwandelte sich die Stadt Kapernaum in ein „Feldlazarett“: Nach Sonnenuntergang brachten sie alle Kranken zu Jesus, und er heilte sie. Doch noch vor Sonnenaufgang war Jesus verschwunden: Er hatte sich an einen einsamen Ort zurückgezogen, um zu beten. Simon und die anderen gingen ihn suchen, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er aber  antwortete: „Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen“ (vgl. Mk 1,35-38).

Das Gebet ist das Steuer, das den Kurs Jesu lenkt. Er lässt sich nicht leiten von Erfolgen, von der Zustimmung der Menschen und auch nicht von diesem schmeichelhaften „Alle-suchen-dich“. Jesus geht den Weg, der am unbequemsten ist; den Weg, der aber der Inspiration des Vaters entspricht, der Jesus Gehör schenkt und die er in seinem einsamen Gebet annimmt.

Im Katechismus heißt es: „Wenn Jesus betet, lehrt er uns schon beten“ (Nr. 2607). Daher können wir am Vorbild Jesu auch einige Merkmale des christlichen Gebets erkennen. 

Zunächst einmal hat das Beten Vorrang: Es ist der erste Wunsch des Tages; etwas, das im Morgengrauen praktiziert wird, noch bevor die Welt erwacht. Es haucht dem, was sonst ohne Atem wäre, eine Seele ein. Ein ohne Gebet zugebrachter Tag läuft Gefahr, zu einer lästigen, eintönigen Erfahrung zu werden: Und dann könnte sich alles, was uns passiert, in ein kaum zu ertragendes blindes Schicksal verwandeln. Jesus aber erzieht zum Gehorsam gegenüber der Wirklichkeit und damit zum Zuhören. Das Gebet ist in erster Linie Zuhören und Begegnung mit Gott. Denn dann werden die Probleme des Alltags nicht zu Hindernissen, sondern zum Aufruf Gottes, den Menschen, denen wir begegnen, Gehör zu schenken und auf sie zuzugehen. Die  Prüfungen des Lebens werden so zu Gelegenheiten, im Glauben und in der Nächstenliebe zu wachsen. Und dann erhält unser täglicher Weg – mit all seinen Entbehrungen – die Perspektive einer „Berufung“. Das Gebet hat die Macht, das, was   im Leben sonst eine Strafe wäre, in Gutes zu verwandeln; es hat die Macht, dem Verstand einen weiten Horizont zu öffnen und das Herz weit zu machen.     

Zweitens ist das Beten eine Kunst, die mit Hartnäckigkeit praktiziert werden muss. Zum gelegentlichen Gebet, das aus der Emotion des Augenblicks entsteht, sind wir alle fähig. Jesus aber erzieht uns zu einer anderen Art des Betens: zu einem Beten, das kontinuierliche Praxis erfordert, Disziplin und Übung, einen festen Platz im Alltag haben muss. Ein solch ausdauerndes Gebet verwandelt und verleiht Kraft: es macht uns stark in Zeiten der Trübsal und schenkt uns die Gnade, in Gott, der uns liebt und uns allzeit beschützt, eine Stütze zu haben.

Ein weiteres Merkmal des Gebets Jesu ist die Einsamkeit. Wer betet, flieht nicht vor der Welt, sucht aber doch die Einsamkeit. Dort, in der Stille, können viele, tief in unserem Herzen verborgene, manchmal unterdrückte Wünsche und Wahrheiten zum Vorschein kommen. Und vor allem: in der Stille spricht Gott. Jeder Mensch braucht einen Freiraum, wo er sein inneres Leben kultivieren kann, wo sein Handeln einen Sinn ergibt. Ohne inneres Leben werden wir oberflächlich, unruhig und ängstlich – und diese Ängstlichkeit tut uns nicht gut! Und deshalb müssen wir Zuflucht suchen im Gebet. Ohne inneres Leben fliehen wir vor der Realität und auch vor uns selbst. 

Und schließlich ist das Gebet Jesu auch der Ort, an dem man wahrnimmt, dass alles von Gott kommt und zu Gott zurückkehrt. Manchmal meinen wir Menschen, Herren über alles zu sein, und manchmal geschieht auch das Gegenteil: wir verlieren jede Achtung vor uns selber. Das Gebet hilft uns, die richtige Dimension in unserer Beziehung zu Gott, unserem Vater, und zur ganzen Schöpfung zu finden. Und das Gebet Jesu besteht auch darin, sich in die Hände des Vaters zu geben, wie Jesus im Ölgarten, in dieser Angst: „Vater, wenn es möglich ist ... aber dein Wille geschehe". Gebt euch in die Hand des Vaters. Es ist schön, wenn wir aufgewühlt, besorgt sind und der Heilige Geist uns von innen heraus verwandelt, uns dazu führt, uns ganz die Hände des Vaters zu geben: „Vater, dein Wille geschehe“.

Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns im Evangelium Jesus Christus als Lehrer des Gebets wiederentdecken und bei ihm „in die Schule gehen“. Dann werden wir Freude und Frieden finden.

(vatican news - skr)

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04. November 2020, 11:05