Im Wortlaut: Predigt von Papst Franziskus zum Jahresschluss
Die offizielle Fassung finden Sie wie immer in Kürze auf der offiziellen Hompage www.vatican.va.
Diese abendliche Feier hat immer einen doppelten Aspekt: mit der Liturgie treten wir in das feierliche Fest der heiligsten Gottesmutter Maria ein; und gleichzeitig schließen wir das Kalenderjahr mit dem großen Lobgesang ab.
Morgen werde ich die Gelegenheit haben, auf den ersten Aspekt einzugehen. Heute Abend möchte ich kurz der Danksagung für das zu Ende gehende Jahr Raum geben.
"Wir loben dich, Gott, wir verkünden dich als Herrn...". Es mag forciert, fast schrill erscheinen, Gott am Ende eines Jahres wie dieses zu danken, das von der Pandemie geprägt war. Wir denken an Familien, die einen oder mehrere Angehörigen verloren haben, an jene, die krank waren, an jene, die unter Einsamkeit gelitten haben, an jene, die ihre Arbeit verloren haben...
Manchmal fragt jemand: Was ist der Sinn eines solchen Dramas? Wir dürfen es mit der Beantwortung dieser Frage nicht eilig haben. Nicht einmal Gott antwortet auf unsere quälendsten "Warum"-Anfragen, indem er auf "höhere Gründe" zurückgreift. Gottes Antwort folgt dem Weg der Menschwerdung, wie die Antiphon zum Magnificat bald singen wird: "Wegen der großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, sandte Gott seinen Sohn im sündigen Fleisch".
Ein Gott, der Menschen für einen großen Plan opfern würde, selbst wenn es der bestmögliche wäre, ist sicher nicht der Gott, den uns Jesus Christus offenbart hat. Gott ist Vater, "ewiger Vater", und wenn sein Sohn Mensch wurde, dann aus dem unermesslichen Mitgefühl des Vaterherzens heraus. Gott ist ein Hirte, und welcher Hirte würde auch nur ein einziges Schaf im Stich lassen mit dem Gedanken, dass er ohnehin noch viele andere übrig hat? Nein, diesen zynischen und unbarmherzigen Gott gibt es nicht. Dies ist nicht der Gott, den wir "loben" und "als Herrn verkünden".
Der barmherzige Samariter hielt, als er den armen, halbtoten Mann am Straßenrand traf, keine Rede, um ihm den Sinn dessen zu erklären, was ihm widerfahren war, vielleicht um ihn zu überzeugen, dass es im Grund nur zu seinem Besten war. Der Samariter, von Mitleid ergriffen, beugte sich über den Fremden, behandelte ihn wie einen Bruder, kümmerte sich um ihn und tat, was er konnte (vgl. Lk 10,25-37).
Hier, ja hier können wir vielleicht einen "Sinn" dieses Dramas finden, das die Pandemie ist, wie andere Geißeln, die die Menschheit heimsuchen: den, in uns Mitgefühl zu wecken und Haltungen und Gesten der Nähe, der Fürsorge, der Solidarität zu bewirken.
Das ist es, was in den letzten Monaten in Rom geschah und geschieht; und dafür möchte ich heute Abend vor allem Gott danken: für die guten Dinge, die in unserer Stadt während der Abriegelung und ganz allgemein während der Zeit der Pandemie, die leider noch nicht vorbei ist, geschehen sind. Es gibt so viele Menschen, die, ohne einen Ton zu sagen, versucht haben, die Last der Tortur erträglicher zu machen. Mit ihrem täglichen Einsatz, beseelt von der Liebe zum Nächsten, haben sie jene Worte des Hymnus Te Deum erfüllt: "Jeden Tag segnen wir dich, wir loben deinen Namen in Ewigkeit". Denn der Segen und das Lob, das Gott am meisten schätzt, ist die geschwisterliche Liebe.
Die Mitarbeiter des Gesundheitswesens - Ärzte, Krankenschwestern, Freiwillige - stehen an vorderster Front, und aus diesem Grund sind sie immer in unseren Gebeten und verdienen unsere Dankbarkeit; ebenso wie viele Priester, Ordensfrauen und -männer. Aber heute Abend möchte ich unseren Dank an all diejenigen richten, die sich jeden Tag bemühen, ihre Familien und ihren Dienst am Gemeinwohl bestmöglich fortzuführen. Ich denke dabei insbesondere an Schulleiter und Lehrer, die eine wesentliche Rolle im Leben der Gesellschaft spielen und mit einer sehr komplexen Situation konfrontiert sind. Ich denke auch mit Dankbarkeit an die Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung, die es verstehen, alle in der Stadt und im Territorium vorhandenen guten Ressourcen zu nutzen, die losgelöst sind von privaten Interessen und sogar denen ihrer eigenen Partei, die wirklich das Wohl aller suchen, angefangen bei den am meisten Benachteiligten.
All dies kann nicht ohne Gnade, ohne die Barmherzigkeit Gottes geschehen. Wir sind - wie wir aus Erfahrung wissen - in schwierigen Momenten geneigt, uns zu verteidigen - das ist natürlich -, uns selbst und unsere Lieben zu schützen, unsere Interessen zu wahren... Wie kann es dann sein, dass so viele Menschen, die keine andere Belohnung haben als die, Gutes zu tun, die Kraft finden, sich um andere zu sorgen? Was treibt sie an, etwas von sich selbst aufzugeben, ihre eigene Bequemlichkeit, ihre Zeit, ihren Besitz, um es anderen zu geben? Tief im Inneren, auch wenn sie selbst nicht darüber nachdenken, werden sie von Gottes Kraft angetrieben, die mächtiger ist als unser Egoismus. Deshalb preisen wir Ihn, weil wir glauben und wissen, dass all das Gute, das Tag für Tag auf der Erde vollbracht wird, letztlich von Ihm kommt. Und im Blick auf die Zukunft, die uns erwartet, flehen wir erneut: "Möge deine Barmherzigkeit immer mit uns sein, auf dich haben wir gehofft".
(vaticannews - gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.