Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
In unserer Fortsetzung der Katechesereihe über das Gebet wollen wir heute über das Lobgebet nachdenken.
Ausgehen werden wir dabei von einem kritischen Moment im Leben Jesu. Nach den ersten Wundern und der Beteiligung der Jünger an der Verkündigung des Reiches Gottes ist die Sendung des Messias an einem kritischen Punkt angekommen. Johannes der Täufer meldet Zweifel an, er ist im Gefängnis zu der Zeit und lässt ihm diese Botschaft zukommen: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3), denn er fühlt diese Angst, nicht zu wissen, ob er sich in der Verkündigung geirrt hat. Immer gibt es diese dunklen Momente im Leben, Momente einer spirituellen Nacht, und Johannes durchlebt diesen Moment. In den Dörfern am See, wo Jesus so viele wunderbare Zeichen gewirkt hat, herrscht Feindseligkeit (vgl. Mt 11,20-24). Und in diesem Moment der Enttäuschung berichtet Matthäus von etwas, das überrascht: Jesus erhebt keine Klage zum Vater, sondern einen Lobgesang: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast“ (Mt 11,25). Also, mitten in der Krise, im vollständigen Dunkel, das sich in der Seele vieler Menschen findet, so wie Johannes der Täufer, preist Jesus den Vater und stimmt einen Lobgesang an. Warum?
Zunächst einmal preist er ihn für das, was er ist: „Vater, Herr des Himmels und der Erde“. Jesus freut sich in seinem Geist, weil er weiß und spürt, dass sein Vater der Gott des Universums ist und der Herr von allem, was existiert: Vater, „mein Vater“. Dieser Erfahrung, sich als „Sohn des Allerhöchsten“ zu fühlen, entspringt der Lobpreis. Jesus fühlt sich als Sohn des Allerhöchsten.
Und dann lobt Jesus den Vater, weil er die Kleinen bevorzugt. Es ist das, was er selbst erlebt, wenn er in den Dörfern predigt: Die „Gelehrten“ und die „Klugen“ bleiben misstrauisch und verschlossen, stellen Berechnungen an, die „Kleinen“ aber sind aufgeschlossen und nehmen die Botschaft an. Das kann nur der Wille des Vaters sein, und Jesus freut sich darüber. Auch wir müssen uns freuen und Gott loben, weil demütige und einfache Menschen das Evangelium annehmen. Wenn ich diese einfachen Leute sehe, die demütigen Menschen, die auf Pilgerfahrt gehen, die beten gehen, singen, lobpreisen, Menschen, denen vielleicht vieles fehlt, aber die Demut bringt sie dazu, Gott zu loben... In der Zukunft der Welt und in der Hoffnung der Kirche gibt es die „Kleinen“: jene, die sich nicht für besser halten als andere, die sich ihrer Grenzen und ihrer Sünden bewusst sind, nicht über andere herrschen wollen, sondern sich in Gott, dem Vater, als Geschwister erkennen.
In diesem Moment des scheinbaren Versagens preist Jesus also den Vater. Und sein Gebet lässt auch uns, die wir das Evangelium lesen, unsere persönlichen Niederlagen anders beurteilen; die Situationen anders beurteilen, in denen wir die Gegenwart und das Wirken Gottes nicht sehen können und es den Anschein hat, als würde das Böse die Oberhand behalten und könne durch nichts besiegt werden. Jesus, der doch das Bittgebet so sehr empfohlen hat, beginnt gerade in dem Moment, in dem er Grund gehabt hätte, den Vater um Erklärungen zu bitten, damit, ihn zu preisen. Das scheint ein Widerspruch zu sein, aber gerade darin liegt die Wahrheit.
Wer braucht das Lob? Wir oder Gott? Ein Text der eucharistischen Liturgie lädt uns ein, wie folgt zu Gott zu beten: „Du bedarfst nicht unseres Lobes, es ist ein Geschenk deiner Gnade, dass wir dir danken. Unser Lobpreis kann seine Größe nicht mehren, doch uns bringt er Segen und Heil“ (vgl. Präfation für Wochentage IV). Lobpreisend sind wir gerettet.
Auch wir brauchen das Lobgebet. Im Katechismus heißt es dazu: „Wer Gott lobt, hat teil an der Seligkeit der reinen Herzen: er liebt Gott im Glauben, ehe er ihn in der Herrlichkeit schaut“ (Nr. 2639). Paradoxerweise sollen wir Gott nicht nur in frohen Stunden loben, sondern auch in den Momenten der Not. Gerade da ist die Zeit für das Lobgebet. Damit wir lernen, dass uns dieser anstrengende Aufstieg, dieser Weg voller Steine, einen neuen, weiteren Horizont erkennen lässt. Lobpreisen ist wie puren Sauerstoff einatmen: Es reinigt dir die Seele, es lässt dich weit blicken, nicht in dem schwierigen Moment, dem Dunkel der Schwierigkeiten eingesperrt zu bleiben.
Es liegt eine große Lehre in dem Gebet, das seit acht Jahrhunderten erklingt und das Franz von Assisi am Ende seines Lebens verfasst hat: dem „Sonnengesang“ oder „Loblied der Geschöpfe". Der heilige Franziskus hat es nicht im Moment der Freude oder des Wohlbefindens komponiert, sondern in einer Stunde bitterer Not. Fast vollkommen erblindet, verspürte seine Seele die Last einer Einsamkeit, wie er sie noch nie empfunden hatte: die Welt hatte sich durch sein Predigen nicht verändert, es gab noch immer Menschen, die sich von Zwist und Zwietracht zerfressen ließen – und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, spürte er auch den Tod immer näher kommen. Es hätte also für ihn ein Moment der bitteren Enttäuschung und des Wissens um das eigene Versagen sein können. Doch stattdessen betet Franziskus gerade in diesem Augenblick: „Gelobt seist du, mein Herr...“. Franz von Assisi lobt Gott für alles, für alle Gaben der Schöpfung und auch für den Tod, den er mutig „Schwester“ nennt, Schwester Tod. Diese Beispiele der Heiligen, der Christen, auch von Jesus, Gott in den schwierigen Momenten zu loben, öffnen uns die Türen zu einer viel breiteren Straße zum Herrn und reinigen uns immer. Der Lobpreis reinigt immer.
Die Heiligen lehren uns, dass man immer loben kann, in guten und in schlechten Zeiten, denn Gott ist der treue Freund. Das ist die Basis des Lobpreises: Gott ist der treue Freund, und seine Liebe lässt uns nie im Stich. Er ist immer nahe bei uns, Er wartet immer auf uns. Jemand sagte: Er ist der Wächter, der neben dir steht und dich in Sicherheit voranschreiten lässt. In den schwierigen und dunklen Momenten, haben wir den Mut, zu sagen: Lob sei dir, o Herr. Den Herrn lobpreisen. Das wird uns sehr gut tun. Danke.
(vaticannews-übersetzung: silvia kritzenberger)
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