Franziskus bei seiner Messfeier in Erbil Franziskus bei seiner Messfeier in Erbil 

„Irakreise des Papstes war ein starkes Zeichen“

„Ein starkes Zeichen, in politischer, aber auch theologischer Hinsicht“: So sieht Bischof Franz-Josef Overbeck die Papstreise in den Irak. Die von Franziskus geforderte Geschwisterlichkeit im Miteinander verschiedener Religionen brauche „theologische, aber auch interreligiöse Kompetenz“.

„Die ist einfach notwendig, um mit Mut zu akzeptieren, wo die Unterschiede zwischen uns liegen, aber bei allen unterschiedlichen Wahrheits- und Geltungsansprüchen doch deutlich zu sehen, wo es etwas Gemeinsames gibt.“ Das sagte der Essener Bischof, der auch deutscher Militärbischof und Vizepräsident des Verbands von EU-Bischofskonferenzen (Comece) ist, am Montagabend in einer Videodebatte.

„Wenn wir das nach vorne bringen, dann sind wir im besten Sinne in Ur bei unserem Ursprung angekommen“, so Overbeck mit einer Anspielung auf das Gebetstreffen, das Franziskus vor zehn Tagen im biblischen Ur, der Heimat Abrahams, ausgerichtet hat. „Ein religiöser Relativismus – um das auch deutlich zu machen – wäre da die falsche Antwort auf die religionspolitischen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen.“

„Keine Verschwisterung ohne vernunftgeleitete Auseinandersetzung“

Overbeck sprach bei einem Online-Panel, das die Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert hatte. Dabei ging es um Schlussfolgerungen aus der Irakreise des Papstes, vor allem in interreligiöser Hinsicht.

Iraker warten auf den Papst
Iraker warten auf den Papst

Auch in Europa sei es „bitter notwendig“, dass der interreligiöse Dialog ein theologisch hohes Niveau erreiche und sich nicht nur „platter Schablonen“ bediene, so der Bischof. „Die freie theologische Reflexion ist, finde ich, so etwas wie ein theologisches Korrektiv für praktizierte Religion und bietet einen guten Schutz vor vernunftfeindlichen Irrwegen.“

In Deutschland habe die islamische Theologie vor einiger Zeit „noch in ihren Kinderschuhen“ gesteckt, gewinne mittlerweile aber an Bedeutung. Das biete größere Chancen auf „vernunftgeleitete Auseinandersetzung“ – und die sei nun mal eine wichtige Voraussetzung für die „Verschwisterung“ im religiösen Bereich, wie sie dem Papst vorschwebe.

Christen sind Bindeglied der irakischen Gesellschaft

An der Debatte nahm auch der aus Deutschland stammende chaldäische Priester Jens Petzold teil; er leitet das „Kloster der Jungfrau Maria“ (Deir Maryam al-Adhra) in Sulaymaniyah im nordirakischen Kurdengebiet. Petzold betonte die wichtige Rolle der Christen für die irakische Gesellschaft.

Franziskus betet in Mossul in einer von Terroristen zerstörten Kirche
Franziskus betet in Mossul in einer von Terroristen zerstörten Kirche

„Ich nehme mal ein Beispiel: Hier im Bistum Kirkuk haben wir Christen, die turkmenisch sprechen, Christen, die arabisch, und Christen, die kurdisch sprechen. Dadurch sind die Christen sozusagen das Bindeglied der Gesellschaft. Ich habe im letzten Sommer erlebt, wie alle Gemeinschaft zu einem Marienfest in unsere Kathedrale gekommen sind und dort einen Ort gefunden haben, wo sie freier miteinander reden können als im Stadthaus. Das hat mich sehr beeindruckt.“

Zum Nachhören: Bischof Overbeck und Pater Petzold zur Irakreise von Papst Franziskus

Pater Petzold hat am Sonntag vor einer Woche an der Papstmesse in Erbil teilgenommen. Dabei fiel ihm auf der Hinfahrt zum Stadion auf, dass sich viele Menschen an den Straßen aufgereiht hatten, um Franziskus zu begrüßen. Das seien zwar keine riesigen Menschenmassen gewesen wie bei anderen Papstreisen. „Aber es waren, wenn man diese zwei, drei Kilometer ansieht, doch ein paar Tausend, die eben nichts mit dem Papst zu tun haben, weil sie Muslime sind. Aber sie wollten diese zwanzig Sekunden doch den Papst sehen. Ich denke, daran werden sich diese Personen erinnern und sich ein bisschen mehr für ihre christlichen Nachbarn interessieren.“

„Viel mehr Kulturgüter wurden bei den Muslimen zerstört!“

Aus Petzolds Sicht wird in europäischen Medien zu sehr betont, was Christen und Jesiden in den letzten Jahren im Irak durchgemacht hätten. Oder dass vor allem i h r e Kirchen und Versammlungsorte von den „Islamischer Staat“-Terroristen zerstört worden seien.

„Viel mehr Kulturgüter wurden bei den Muslimen zerstört! Viele alte Moscheen wurden zerstört, ganze Friedhöfe wurden gebulldozert – da hat der ‚Islamische Staat‘ noch mehr gewütet als bei den Christen, und das vergessen wir immer wieder. Wir vergessen auch, dass von den zwei Millionen Flüchtlingen, die innerhalb des Irak geflüchtet sind, etwa achtzig Prozent sunnitische Muslime waren! Von denen reden wir wenig…“

Nicht nur Probleme, sondern auch dynamisches Krisenmanagement

Trotz der Verheerungen der letzten Jahrzehnte sei der Nahe Osten immer noch ein „faszinierendes Mosaik“ des gelebten Beieinanders von Angehörigen verschiedenster Religionen, so Petzold. „Wenn’s Probleme in der Schule gibt, dann werden sich Fatima und Maria zusammensetzen und sich aushelfen – da gibt es einen ganz großen Schatz von Erfahrungen im Nahen Osten, den wir wieder heben müssen. Man darf sich nicht nur auf die Probleme konzentrieren, sondern muss auch das dynamische Krisenmanagement sehen, das hier in den arabischen Staaten schon seit langer Zeit praktiziert wird.“

(vatican news – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

16. März 2021, 12:20